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„Schmaler Pfad des Kompromisses“

Arno Kompatscher antwortet in einem dreiseitigen Schreiben auf den offenen Brief der Südtiroler Kultutschaffenden. Kompatschers Antwort im Wortlaut.
Arno Kompatscher
Foto: Seehauserfoto
  • Das Schreiben des Landeshauptmannes trägt das Datum 18. Dezember 2023. Arno Kompatscher schreibt:

    Sehr geehrte und geschätzte Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des offenen Briefes vom 10. Dezember 2023,
    wir stehen vor großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen. Diese Überzeugung teile ich mit Ihnen ohne Wenn und Aber. Deshalb nehme ich Ihr Schreiben zum Anlass, um zu bekräftigen, dass eine Südtiroler Landesregierung unter meiner Führung das Ziel einer zukunftsfähigen, diversen und vertrauensvollen Gesellschaft anstreben und dabei die Lebensgrundlagen achten und schützen wird. 

    Der bereits eingeschlagene Weg in diese Richtung wird fortgesetzt und bleibt weiterhin machbar. Dabei wird der Wertekompass jedenfalls unverrückbar auf jene von Ihnen zitierten Werte ausgerichtet bleiben, für die ich immer eingetreten bin und auch weiterhin eintreten werde. Daran gibt es für mich keinen Zweifel.

     

    „Der Wertekompass wird unverrückbar auf jene von Ihnen zitierten Werte ausgerichtet bleiben, für die ich immer eingetreten bin und auch weiterhin eintreten werde. Daran gibt es für mich keinen Zweifel.“

  • Proteste gegen Koalition: "Große Keulen, die zu früh oder unpassend eingesetzt werden, verlieren viel von ihrer Kraft". Foto: Seehauserfoto

    „In Vielfalt geeint“ zu sein, bedeutet in der Praxis aber auch, sich tagtäglich mit der Realität der politischen Herausforderungen sowie den herausfordernden politischen Kräften auseinanderzusetzen. Das konstruktive Gespräch auch mit jenen, die andere Standpunkte vertreten als es die eigenen sind, bleibt die einzige Möglichkeit, um einen gangbaren gemeinsamen Weg zu finden. Nicht sicher findet man einen gemeinsamen Weg, aber wer es nicht versucht, findet sicher keinen. Dabei sollte man nach meiner Erfahrung stets den Anspruch haben, respektvoll mit den Menschen zu sein und hart auf der Sachebene zu bleiben. Dies ist bisher in vielen Verhandlungen gelungen und so konnten auch schon positive Ergebnisse erreicht werden, die für unwahrscheinlich gehalten wurden. Dementsprechend wage ich zu hoffen, dass es neuerlich gelingen kann.

  • Viele Menschen haben Angst vor den Veränderungen, welche die Klimakrise, der demographische Wandel, die Migration, die Digitalisierung etc. mit sich bringen werden. Diese Angst ist wiederum ein Nährboden für ein verändertes Wahlverhalten und gesellschaftspolitische Wahrnehmungen, denen man nach meiner Einschätzung nicht herablassend oder mit Ausgrenzung begegnen sollte. Die einfachen Welterklärungen wurden schon öfter durch tägliche sachpolitische Kleinarbeit aus den Angeln gehoben, als durch schneidige Parolen. Auch das hat die Geschichte bereits mehrfach gezeigt. Gerade den gesamtstaatlichen Kontext betrachtend, ist rein sachlich für mich nicht nachvollziehbar, warum man Südtirol zum Türöffner für Parteien hochstilisiert, welche bereits die Regierungsgeschäfte der Republik leiten. 

  • Der Brief der 356

    Urspünglich haben 195 Kunst- und Kulturschaffenden den offenen Brief an Landeshauptmann Arno Kompatscher unterzeichnet. Inzwischen ist die Liste auf 356 Unterzeichnende angewachsen.

    Die Organisatoren reagieren jetzt auch auf die Antwort des Landeshauptmannes. So schreibt der Schauspieler und PERFAS-Präsident Peter Schorn:

    „Wir bedanken uns bei LH Arno Kompatscher für die offene Antwort auf unseren und nehmen insbesondere seine Zusicherung zur Kenntnis, seine „Verantwortung jedenfalls ernst zu nehmen“ und die „Dinge im Rahmen der Möglichkeiten bestmöglich zu gestalten“. Aller Möglichkeiten, die es noch gibt.

    Wir begrüßen zudem die Botschaft, den „Protest und das gesellschaftliche Engagement als wertvoll“ zu erachten. Es ist auch unsere Sicht, dass dieser Diskurs ein wichtiger Ausdruck einer gesunden und lebendigen Demokratie ist. Von der Absichtserklärung aktueller Verhandlungspartner der SVP, diesen gesellschaftspolitischen Diskurs mit Klageandrohungen einschränken zu wollen, sehen wir unsere Befürchtungen einer antipluralistischen und autoritären Tendenz dieser Parteien gleichzeitig aber bestätigt und das lange Schweigen der SVP zu diesen Drohungen hinterlässt weiterhin große Fragezeichen in der Kulturwelt und in der Zivilgesellschaft.

    Nach wie vor ist für uns zudem leider nicht erkennbar, wie die Sachthemen und Werte, deren Dringlichkeit auch Landeshauptmann Kompatscher in seiner offenen Antwort bestätigt, mit Parteien erfolgreich umgesetzt werden können, die größtenteils gegenteilige Positionen und Werte vertreten.“

     

    Hier der offenen Brief und die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner. (Auf das Dokument klicken)

     

  • Brief des Landeshauptmannes: "Ich erlaube mir die Bitte, mit allzu drastischen Urteilen abzuwarten". Foto: SALTO

     

    „Die Absicherung und der Ausbau der Südtirol-Autonomie ist in meinen Augen ein sehr hohes Gut und ich finde es bedauerlich, wenn nun so getan wird, als ginge es dabei nur um Nebensächlichkeiten.“

     

    Die Absicherung und der Ausbau der Südtirol-Autonomie ist in meinen Augen ein sehr hohes Gut und ich finde es bedauerlich, wenn nun so getan wird, als ginge es dabei nur um Nebensächlichkeiten. Es mag paradox sein, aber der Moment scheint günstig, um dieses wichtige Ziel zu erreichen. Leider bedeutet das einen schwierigen wie schmalen Pfad des Kompromisses zu gehen. An unserer Wertehaltung – und das will ich klar unterstreichen – werden wir auf diesem Weg uneingeschränkt festhalten. Das gilt für mich persönlich ebenso, wie für die Südtiroler Volkspartei insgesamt. Umso mehr wird es aber wichtig sein, wachsam und aufmerksam zu bleiben. In diesem Zusammenhang erachte ich Ihren Protest sowie Ihr gesellschaftliches Engagement als wertvoll. In einer funktionierenden Demokratie muss es immer auch eine Gegenstimme und warnende Worte geben, die handelnde Personen zur Vorsicht und Verantwortung mahnen. Kunst und Kultur haben hierbei immer eine besondere Rolle gespielt und so wird es auch weiterhin sein. Meine Verantwortung nehme ich jedenfalls ernst und versuche die Dinge im Rahmen der Möglichkeiten bestmöglich zu gestalten. Darauf können Sie zählen und vertrauen.

     

    „Persönlich halte ich es für überspitzt, wenn man nun so tut, als stünde in Südtirol ein totalitäres Regime vor der Tür.“

     

  • Koalitionsverhandlungen: "Die Südtiroler Volkspartei hat einen traditionell stabilen Wertekanon" Foto: VB33

    Persönlich halte ich es für überspitzt, wenn man nun so tut, als stünde in Südtirol ein totalitäres Regime vor der Tür. In diesem Zusammenhang fand ich die Mahnung von Martha Stocker passend, die daran erinnert hat, dass große Keulen, die zu früh oder unpassend eingesetzt werden, viel von ihrer Kraft verlieren. Die Südtiroler Volkspartei hat einen traditionell stabilen Wertekanon und führt aktuell Koalitionsgespräche zur Bildung einer Landesregierung unter der klaren Führung der SVP, als deutlich größte Fraktion im Südtiroler Landtag. Diese Gespräche werden geführt mit einer Bürgerliste, die in der Mitte-Links-Regierung in Bozen sitzt, einer Partei, die seit nunmehr drei Jahrzehnten im Südtiroler Landtag sitzt und laut Parteistatut eine liberal-demokratische Minderheitenpartei zum Schutz der deutschen und ladinischen Volksgruppen in Südtirol ist, einer Partei, die in Italien seit einem Jahr die Ministerpräsidentin stellt und einer Partei, die bereits mehrfach in staatlichen Regierungen war und seit Jahrzehnten norditalienische Regionen und Gemeinden verwaltet sowie der Regierungskoalition der abgelaufenen Legislatur angehört hat. 

  • „Es geht nicht um den Verkauf von Seelen oder einen Pakt mit dem Teufel.“

     

    Es geht nicht um den Verkauf von Seelen oder einen Pakt mit dem Teufel. Es geht um die Frage, ob man einen Weg des Konsenses findet, um die Entwicklung Südtirols und seiner Autonomie positiv voranzubringen. 
    Dementsprechend erlaube ich mir die Bitte, mit allzu drastischen Urteilen abzuwarten, zumindest bis ein Regierungsprogramm ausverhandelt ist, sofern es überhaupt gelingt eine Regierung zu bilden. Abschließend ersuche ich Sie weiterhin um Ihr Vertrauen und danke Ihnen für Ihren Einsatz.

    Mit freundlichen Grüßen
    Arno Kompatscher