Deutscher Reporterpreis 2024
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Gerade noch lehrten Manuela Müller und Anna Lena Mösken beim Reporter-Forum. Im September 2024 mit dem Workshop "Die Reportage in der Lokalzeitung". Jetzt sorgten sie für die Sensation beim deutschen Reporterpreis des Reporter-Forums. Sie gewannen zwei Preise für die regionale Tageszeitung Freie Presse aus Chemnitz. Manuela Müller in der Kategorie Essay für "Die Hakenkreuze von nebenan", Anna Lena Mösken in der Kategorie Lokalreportage für ""Ein Leben für Großschirma".
Drei Preise für Die Zeit, zwei Preise für die Süddeutsche Zeitung und für die Freie Presse aus Chemnitz. SPIEGEL, Westdeutsche Zeitung, GEO, SWR und NDR gewinnen je eine Kategorie. Das könnte nach Qualität klingen. Doch der Deutsche Reporterpreis verlor seine Bedeutung. Die deutsche Publizistik geriet in eine schwere Krise. -
Bester Essay für "Die Hakenkreuze von nebenan"
Manuela Müller bemerkte in ihrer Heimatstadt in Westsachsen zunehmend Hakenkreuze an den Wänden von Garagen und Feuermauern:
"Das erste hätte ich fast übersehen. Wir liefen eine Runde um den Block, meine Tochter und ich, als sie sagte, da sei ein Hakenkreuz. Sie zeigte auf eine vollgeschmierte Wand. Es war in einer dieser grauen Garagenanlagen. Das Ding war fett, schwarz und groß wie ein Schuhkarton. Mir fiel nichts anderes ein, als „oje“ zu sagen", begann Manuela Müller ihre Erzählung.
"Dünnes Eis, die richtigen Worte zu finden", befindet Manuela Müller, die ihre persönliche Betroffenheit exaltiert zum Ausdruck bringen wollte. Tatsächlich mag es sein, dass ihr Text für die Lokalzeitung von Chemnitz gut geeignet ist. Selbstverständlich ist das Thema von Bedeutung. Doch sollten für den Gewinn des Essaypreises für ganz Deutschland anspruchsvollere Werke zu finden sein.
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Beste Investigation für "Hunger"
Auch in diesem Jahr wurde von der Jury mit dem Preis für die beste Investigation ein Text ausgezeichnet, der im Stil einer reinen Reportage entwickelt wurde. Das Thema ist der Krieg in Gaza, der eine Hungersnot auslöste. Zusammenhänge und Hintergründe wurden nicht geklärt, schon gar nicht mit Dokumenten, allenfalls wurden Probleme angedeutet. Die acht Mitarbeiter der ZEIT waren dafür auch nicht am Schauplatz des Geschehens, offenbar wird, in unserer neuen Epoche, Konversation über WhatsApp Messenger bereits als Aufdeckung bewertet:
"Ein Team der ZEIT hat über Wochen telefonisch und per WhatsApp Interviews mit Zeugen und Betroffenen vor Ort geführt", wurde die Methode im Beitrag erklärt.
Die Story beginnt mit einem Versorgungsflugzeug der jordaniscchen Luftwaffe, es werden Notpakete über den Gazastreifen abgeworfen. Enthüllt wird von der ZEIT, wie solche Pakete die Notleidenden erreichen sollen:
"Dann öffnet sich die Luke am Heck. Der Pilot zählt einen Countdown herunter: »Fünf, vier, drei, zwei, eins«. Die Soldaten lassen die Paletten aus dem Flugzeug gleiten".Was müsste eine Investigation bei diesem Thema bieten? Jedenfalls mehr über die Umstände, die dazu führten, dass 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen in diesem Krieg getötet wurden. Kann diesbezüglich ein organisatorisches oder strategisches Versagen dokumentiert werden?
Man erwartet auch mehr Information, weshalb nicht eine Friedenstruppe der UNO für Sicherheit sorgen kann? Es ist bekannt, dass die Arabische Liga eine solche Friedensmission für Gaza dringend forderte. Es liegen Nachrichten vor, dass UN-Friedenstruppen in den Krisenregionen, im Libanon und in Gaza, unter Beschuss gerieten. UN-Generalsekretär António Guterres erklärte: "Angriffe auf Friedenstruppen verstoßen gegen das Völkerrecht".
Für eine Investigation besser geklärt werden müssten auch:
"kriminelle Strukturen. Von Kriegsprofiteuren, dubiosen Großhändlern. Und von der früheren Regierung".Eventuell könnte auch mehr erkannt werden über die Rolle der israelischen Regierung, die im Beitrag eher abgedroschen kritisiert wird. Doch wurden keine besonderen Anstrengungen unternommen, diesbezügliche Konzepte für einen Krieg mit Hunger als Waffe zu recherchieren:
"Fragen der ZEIT nach den Gründen für die vielen Hürden ließ die zuständige israelische Behörde unbeantwortet".
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Beste freie Reportage für "Wahnsinn. Eine Riesenscheiße"
DIE ZEIT setzte in den vergangenen Jahren mehrfach auf schmierige Titel. Die Epoche von Marion Gräfin Dönhoff, der legendären Herausgeberin der ZEIT, damals wohl das wichtigste Medium der Bundesrepublik, wurde von nun verantwortlichen Redakteuren krass beendet. Jetzt wurde DIE ZEIT für diese Neuorientierung noch belohnt, mit der besten freien Reportage für "Wahnsinn. Eine Riesenscheiße".
Zugeschrieben wird der Titel einem deutschen Beamten:
"ein Staatsbeamter festhält: »Wahnsinn. Eine humanitäre Katastrophe mit Ansage. Eine Riesenscheiße". Trotzdem hätte DIE ZEIT als Überschrift auch wählen können: Eine humanitäre Katastrophe.
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Ausführlicher Beitrag zum Deutschen Reporterpreis 2024
Ein ausführlicher Beitrag zum Deutschen Reporterpreis 2024 wurde im deutschen Magazin Tabula Rasa veröffentlicht:
Deutscher Reporterpreis 2024 für „Hakenkreuze“ und „Hunger“
Tabula Rasa Magazin, 10. 12. 2024
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-deutscher-reporterpreis-2024-fuer-hakenkreuze-und-hunger
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Links
Deutscher Reporterpreis 2023
Salto, 8. 12. 2023
https://salto.bz/de/article/08122023/deutscher-reporterpreis-2023Zu den Nominierungen des deutschen Reporterpreises in der Kategorie Essay
Tabula Rasa Magazin, 5. 11. 2023
Deutscher Reporterpreis 2023. Beim Essay dominierte Befindlichkeitsliteratur.
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-zu-den-nominierungen-des-deutschen-reporterpreises-in-der-kategorie-essay