Politica | CIE in Roverè Luna

Ohne Rückführungen Asylrecht in Krise

“Das Unterland als Abschiebezentrum” titelte SALTO jüngst zum geplanten CIE in Aichholz. Doch ohne die Umsetzung von Abschiebungen kann kein Asylrecht funktionieren.
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Asylrecht
Foto: web

Ein Blick auf die Zahlen ist unverzichtbar, um zu begründen, dass Italien das bestehende Asylrecht besser umsetzen muss, wenn es die Migration und Integration in Griff bekommen will. 2016 war für Italien ein Rekordjahr bei der Flüchtlingsankünften: 181.436 gegenüber 153.842 im Jahr zuvor. Fast 5000 sollen laut UNHCR die Überfahrt von Afrika nach Italien nicht überlebt haben. Auch jetzt im Winter werden hunderte Migranten aus Seenot gerettet oder auch nicht, wie in den letzten Tagen. Die Nicht-Umsetzung des Asylrechts ist eine permanente Einladung an Afrikaner, ihr Leben zu riskieren.

Bei den Asylanträgen ist Italien in Europa hinter Deutschland auf den zweiten Platz gerückt: über 100.000 haben 2016 Asyl beantragt, mittlerweile werden 175.000 Asylwerber betreut, nur 1.380 davon in Südtirol. Waren früher viele gleich nach Norden weitergereist, haben diese Nachbarländer mittlerweile die Grenzen dicht gemacht. So stauen sich in Italien sowohl Migranten, die in andere Länder wollen, als auch die Asylanträge mit einem notorisch langwierigen Verfahren und schließlich die Abschiebungen.

Nun hat die EU Italien schon 2015 zugesagt, binnen zwei Jahren 40.000 in Italien gestrandete Asylsuchende aufzunehmen und auf die übrigen Mitgliedsländer zu verteilen, von insgesamt 160.000 Migranten, die nach Quoten auf die anderen EU-Länder verteilt werden sollten. Doch erst 2.350 Migranten sind tatsächlich bis Ende 2016 von Italien in andere EU-Länder weitergeleitet worden. Da sich vor allem Osteuropa weigert, Migranten aufzunehmen, Österreich eine Obergrenze eingeführt hat und Deutschland und Schweden ohnehin überlastet sind, wird Italien mit der Verdoppelung der Asylbewerberzahlen von 2015 auf 2016 selbst fertig werden müssen. Italien wird praktisch allein gelassen.

Italien schafft das immer weniger, zumal die Regierung diesbezüglich auch weniger Merkelschen Optimismus und deutsche Effizienz zeigt. Erst 2.800 von 8.000 Gemeinden haben Asylbewerber aufgenommen, die Verfahren dauern zwischen 2 und 4 Jahren und rund 60% der Asylanträge werden abgewiesen (auch jener in Südtirol gestellten). Die allermeisten Migranten tauchen dann ab, nur wenige tausend wurden 2016 in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Die Grenzen der Aufnahmefähigkeit dieses Asylsystems werden immer mehr erkennbar. Dabei sind es nicht so sehr finanzielle Lasten für den Staat, die zu denken geben, sondern die gravierenden Probleme für die Migranten selbst, die als Illegale irgendwo ihr Leben fristen. Auch anerkannte Asylwerber tun sich schwer, im kriselnden italienischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Somit hat der neue Innenminister angekündigt, die Asylverfahren zu beschleunigen und die abgelehnten Migranten konsequenter abzuschieben. In jeder Region soll künftig ein Abschiebezentrum entstehen, also auch in Trentino-Südtirol. Dafür werden Rückführungsabkommen mit verschiedenen afrikanischen Staaten geschlossen. Wie Deutschland erhöht Italien den Druck auf die Herkunftsländer, da es aber nur geringe Entwicklungsprogramme mit Afrika unterhält, wird die Drohung der Kürzung der Gelder wenig Eindruck machen. Nun kann ein Asylrecht auf Dauer nur funktionieren, wenn die abgelehnten Bewerber auch das Land wieder verlassen. Geschieht dies nicht, wird das Asylrecht zur Einladung, die Überfahrt zu riskieren, fördert die Erwartung, auf jeden Fall in Italien bleiben zu können. Das Asylrecht ist aber als grundlegendes Menschenrecht politisch Verfolgter und in ihrem Leben Bedrohter entstanden, nicht als Recht auf freie Migration aus Arbeitsgründen. Migration aus Arbeitsgründen bedarf der Steuerung, weil die Integrationsfähigkeit der Aufnahmeländer nicht unbegrenzt ist. Gerade Italien, derzeit das Eingangstor Nr.1 für Asylwerber in die EU, ist überfordert, weil die EU-Asylpolitik nicht funktioniert und weil es selbst ein ehohe Arbeitslosigkeit hat.

Nun will Innenminister Minniti in allen Regionen ein Abschiebezentrum (Centro di identificazione e espulsione CIE) einrichten, zumindest 18 für jeweils 80-100 abgelehnte Asylwerber. Heute bestehen erst fünf dieser Art, und zwar in Turin, Rom, Bari, Trapani und Caltanisetta. Diese CIE gibt es unter anderem Etikett schon seit 1998, wurden aber immer wieder wegen Ineffizienz und schlechter Führung kritisiert. Wenn Italien das Asylverfahren insgesamt effizienter gestalten will, braucht es diese Zentren. Eines ist es, das Asylrecht gemäß Grundrechten, Flüchtlingskonvention und EU-Recht fair zu regeln, etwas anderes ist dessen konkrete Umsetzung. In einem Rechtsstaat ist diese geboten.

Alle EU-Staaten gehen unter dem Druck der Zuwanderung dazu über, die Rückführungen strenger anzupacken: warum gerade Italien nicht? Wenn Italien nun neue CIE-Kapazitäten schafft und damit die abgelehnten Asylwerber besser unterbringt und ihre Rückführung effizienter gestaltet, ist das legitim. Damit verschafft sich Italien auch etwas Luft, um andererseits die anerkannten Asylwerber und Migranten besser zu integrieren. Somit ist auch die Schaffung eines Abschiebezentrums in der Region Trentino-Südtirol folgerichtig und jenes in Roverè della Luna geplante – wie jüngst von SALTO berichtet - berechtigt. Warum sollte sich gerade unsere wohlhabende Region ihrer Verantwortung für die Umsetzung des Asylrechts entziehen können?