Politica | Gesundheitswesen
Die „schlimme“ Umfrage
Foto: Jonathan Borba/Unsplash
In Eigenregie hat eine Krankenschwester im vergangenen Sommer eine Umfrage unter dem Pflegepersonal des Sanitätsbetriebes durchgeführt. Diese gibt Aufschluss über den Zustand eines der wichtigsten Sektoren im Gesundheitsbetrieb. Zwar führt der Sanitätsbetrieb selbst Erhebungen bei den Mitarbeitern durch, doch sind diese nicht öffentlich zugänglich bzw. unter Verschluss. Die Umfrage gewährt deshalb Einblick in einen Sektor, der offenbar vor Resignation gelähmt ist. „Nicht schlecht machen“, lautet zwar die Devise seitens der Verwaltung und der Politik, doch schönreden wird es auch nicht richten. Die „schlimme“ Umfrage ist der Beweis dafür.
„Angefangen hat alles mit Corona“, erzählt Dorothea Kurz. So berichtet die Krankenschwester, die auf der Mutter-Kind-Abteilung Krankenhaus von Schlanders arbeitet, dass die Pandemie für erhebliche Veränderungen sprich für große Instabilität in einer Struktur gesorgt hat, die bereits vorher unter großem Druck gestanden ist. Lange Dienste, zahlreiche Überstunden, die große Verantwortung, die auf den Schultern der zahlreicher Mitarbeiter, vor allem aber auf jenen des Pflegepersonals lastete, und ein übergroßer Einsatz, der – so das Gefühl der Mitarbeiter des Sanitätsbetriebes – nicht genügend wertgeschätzt wurde, kennzeichnen den Alltag. Langjährige Mitarbeiter sind aufgrund der Impfpflicht plötzlich „weggefallen“ – sprich wurden suspendiert oder sind von sich aus gegangen. Die Arbeit musste von den verbleibenden Fachkräften kompensiert werden.
Ich mache weiter, solange ich kann, und dann ist Schluss, ist eine der häufigsten Aussagen, die man derzeit im Bereich der Pflege zu hören bekommt.
„Ich mache weiter, solange ich kann, und dann ist Schluss, ist eine der häufigsten Aussagen, die man derzeit im Bereich der Pflege zu hören bekommt“, erzählt Kurz und spricht offen von Frustration, Resignation, innere Emigration und eines sich Ergebens in das Schicksal bzw. das Warten auf den Pensionseintritt. Über offensichtliche Probleme wird scheinbar hinweggesehen in der Überzeugung, dass der Großteil der Pflegekräfte noch sehr motiviert sei, so der persönliche Eindruck von Frau Kurz, die Gegenteiliges festgestellt hat. Die Probleme dabei seien vielfältig, angefangen beim niedrigen Gehalt, über die schwierige Personalaufnahme und die fehlende Wertschätzung bis hin zur Impfpflicht. Letztere führte nicht nur zu einer Spaltung der Gesellschaft, sondern auch des Sanitätspersonals. Die langjährige Krankenschwester erklärt, dass die ganze Initiative eine spontane Aktion gewesen sei, ausgelöst durch die frustrierte Aussage einer Kollegin, die in ihrer Enttäuschung das Bedürfnis hatte, diese Ungerechtigkeiten aufzuzeigen und sie direkt an Landeshauptmann Arno Kompatscher, die Sanitätsspitze, an alle Landtagsabgeordneten und an die Bürgermeister von Schlanders, Latsch und Laas weiterzugeben. „So habe ich dieses Schreiben verfasst“, erzählt Kurz. Dieses hat die Kinderkrankenschwester auch an die anderen Abteilungen weitergeleitet und innerhalb kurzer Zeit kamen etliche Unterschriften zusammen.
„Ich habe mir vorgenommen, nach Erreichen von 200 Unterschriften, den Brief an die höheren Stellen weiterzuleiten“, erklärt die Kinderkrankenschwester, was im Mai 2022 auch passiert ist. Es habe einige Rückmeldungen gegeben, so unter anderem von den beiden Landtagsabgeordneten Maria Elisabeth Rieder und Franz Ploner vom Team K, sowie von der Verwaltung des Sanitätsbetriebes, die erklärte, dass bereits Maßnahmen ergriffen wurden, um die Situation zu entschärfen. Gespräche wurden auch mit dem KVW Vinschgau geführt, der versucht habe, zwischen Krankenhausführung und Pflegepersonal zu vermitteln. Wie ein Damoklesschwert habe jedoch über allem die Angst vor einem Abbau des Krankenhauses und die Schließung von Abteilungen gestanden. Diese Befürchtungen habe man jedoch versucht zu beschwichtigen. „Ich persönlich musste mich dafür rechtfertigen, dass ich diese Aktion gestartet habe“, so Kurz, „mehr ist jedoch nicht passiert“. Aus Anlass des bevorstehenden Besuchs des Landeshauptmanns im Krankenhaus von Schlanders wollte Kurz zumindest einige Themen zur Sprache bringen, „weil wir kleinen Angestellten ansonsten keine großen Möglichkeiten haben werden, uns mit dem Landeshauptmann zu treffen“. Die Kinderkrankenschwester setzte sich mit den Pflegekoordinatoren der verschiedenen Abteilungen in Verbindung, welche sehr zurückhaltend oder zum Teil überhaupt nicht darauf reagiert haben – was auch verständlich und nachvollziehbar ist.
Mein Plan und Ziel war es, den Fragebogen und die Auswertung in erster Linie an meine Vorgesetzten weiterzuleiten und nicht damit an die Presse zu gehen.
Dennoch gingen zahlreiche Rückmeldungen auf die Frage, ob sie dem Landeshauptmann und dem Generaldirektor des Sanitätsbetriebes etwas zur Situation sagen möchten, vonseiten der Mitarbeiter und Pflegekräfte ein. Zweimal wurde die Stippvisite von Kompatscher verschoben und „die Antworten sind wieder liegen geblieben“. Davon ausgehend habe sich Kurz jedoch die Frage gestellt, ob die Probleme allein das Krankenhaus von Schlanders betreffen oder ob diese sowie die Wünsche nach Veränderung das ganze Land betreffen. „In Zusammenarbeit mit vertrauten und fachlich kompetenten Personen haben wir einen Fragebogen ausgearbeitet, der mehrere Bereiche umfassen sollte und daher sehr umfangreich war“, erklärt die Kinderkrankenschwester. Verteilt wurde er im ganzen Land, auch über Facebook und WhatsApp-Gruppen. Bis Ende August 2022 haben 272 Personen daran teilgenommen. Zusätzlich konnten die Teilnehmer noch Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge anbringen. „Mein Plan und Ziel war es, den Fragebogen und die Auswertung in erster Linie an meine Vorgesetzten weiterzuleiten und nicht damit an die Presse zu gehen“, erklärt Kurz. Die Öffentlichkeit hat erstmals durch einen Bericht in der Oktoberausgabe der Bezirkszeitung „VinschgerWind“, die übrigens der Stimmung im Krankenhaus gewidmet war, erfahren. In einem doppelseitigen Artikel hat Journalist Erwin Bernhart über den Brief des Pflegepersonals und die Umfrage berichtet.
Kurz wollte die Ergebnisse zudem dem Landeshauptmann im Rahmen seines Besuchs Anfang November mitteilen. Die Anliegen und Probleme wollte man dabei so sachlich wie möglich schildern. Wie die Krankenschwester erklärt, habe die Pflegedienstleitung und die Pflegedirektorin dies zur Kenntnis genommen, blieb aber bei der Überzeugung, dass man auf viele sehr motivierte Mitarbeiter zurückgreifen könne und zukunftsorientiert sei. Der Landeshauptmann habe teilweise überrascht gewirkt, als ihm die Umfrage präsentiert wurde, und habe verstanden, dass man ein besseres Miteinander finden müsse. „Seit November sind jedoch wieder Monate vergangen, in denen nicht viel passiert ist“, so Kurz und betont: „Die Öffentlichkeit soll erfahren, wie die Stimmung unter dem Pflegepersonal wirklich ist und die Mühe jener, die an der Umfrage teilgenommen haben, soll nicht umsonst gewesen sein.“
Die Umfrage
Der Fragebogen mit dem Titel „Erhebung zu Schwierigkeiten und Lösungen im Südtiroler Sanitätsbetrieb“ wurde im Sommer des vergangenen Jahres durchgeführt. Bis zum 26.08.2022 haben insgesamt 272 Personen den Fragebogen ausgefüllt. Davon stammen 238 aus dem Pflegebereich, 32 Personen gaben einen Beruf außerhalb des Pflegebereichs an (1 ArztIn, 12 TherapeutInnen, 5 spezialisierte Hilfskräfte, 5 Techniker, 3 SozialassistentInnen und 6 VerwaltungssachbearbeiterInnen). 57 % kommen aus dem Sanitätsbetrieb Meran, 19,9% aus Brixen, 14% aus Bruneck und 9,2% aus Bozen. 45,3% arbeiten bereits seit mehr als 20 Jahren im Betrieb, 25,7% zwischen 10 und 20 Jahren, 15,1% zwischen 5 und 10 Jahren und 12,9% sind weniger als 5 Jahre im Betrieb beschäftigt. 72,8% der Befragten sind aktuell im Dienst, 12,5% wurden in den letzten zwei Jahren suspendiert, 6,9% gekündigt und 8,1% sind aus anderen Gründen derzeit nicht aktiv im Dienst.
Die Umfrage wurde in zwei Teile gegliedert, wobei sich Teil I mit den Problemen und Schwierigkeiten beschäftigt, Teil II mit den konkreten Lösungsansätzen. Im Anschluss des jeweiligen Abschnittes konnten die Teilnehmer Anmerkungen notieren. Im ersten Teil, der 25 Fragen umfasst, geht es unter anderem um das Arbeitspensum bzw. die permanente Überforderung, Teamarbeit bzw. den Zerfall der Teams, den Führungsstil des Sanitätsbetriebes, die Auswirkungen der Zentralisierungstendenzen, Versorgung der Patienten, die Impfpflicht und die Hürden bei der Einstellung. Auf die Frage „Mitarbeiter in Mutterschaft, Wartestand, Krankenstand, pensioniert oder suspendiert wurden nicht mehr ersetzt“, erklärten 23,9% „stimme eher zu“ und 68,3% „stimme zu“.
Nicht verwunderlich scheint daher das Ergebnis der daran anschließenden Frage „Mit weniger Personal muss immer mehr geleistet werden“, welche 13,8% mit „stimme eher zu“ und 83,6% mit „stimme zu“ beantwortet haben. Die Folge davon ist, dass Überstunden kaum noch ausgeglichen werden können, was mehr als drei Viertel der Befragten ebenfalls bestätigt hat. Ähnliche Ergebnisse finden sich bei den Punkten „Konstruktive und wertschätzende Teamgespräche fehlen“ und „Die Bediensteten vor Ort werden in Entscheidungen nicht mit einbezogen“. Ein uneinheitliches Bild ergibt sich bei den Fragen „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen ist mangelhaft“ und „Gemeinsam getroffene Vereinbarungen zur Entlastung des Teams werden nicht eingehalten“. 22,4% bzw. 23,9% der Befragten „stimmen hier eher nicht“ zu.
An Deutlichkeit lassen die Ergebnisse bei den Fragen „Diplomiertes Fachpersonal trägt eine große Last an Verantwortung“ (stimme eher zu: 12,5%; stimme zu: 84,9%) und „Die permanente Überforderung macht gereizt und krank“ nichts zu wünschen übrig (stimme eher zu: 20,6%; stimme zu: 76%). Sehr zu denken geben sollte das Ergebnis bei der Frage „Die Patienten können zum Teil nicht mehr gut versorgt bzw. gepflegt werden.“ Irgendetwas schlecht zu reden, ist hier überflüssig.
Auch der zweite Teil, der sich um das Thema konkrete Lösungsansätze dreht, ist bezeichnend: Die Bediensteten wollen ernst genommen werden und wünschen sich Team-Gespräche. Auch die Ergebnisse bei den Punkten „Eine Steigerung des Grundgehaltes ist notwendig“ (stimme eher zu: 1,9%; stimme zu: 97,4%) und „Höhere Zulagen für Nachtdienste, sowie für den Dienst an Sonn- und Feiertagen, sollte gewährleistet werden“ sind eindeutig (stimme eher zu: 3,8; stimme zu: 93,5). Breiten Raum nehmen die Punkte zum Thema gerechter Lohn, Zulagen wie beispielsweise für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste, und Erneuerung des Kollektivvertrages ein.
So erklärten auf die Frage „Die Gehaltsschere zwischen ÄrztInnen und diplomierten Fachpersonal (besitzt mittlerweile auch eine universitäre Ausbildung) klafft zu weit auseinander“ 91,3% der Befragten „stimme zu“, 6,4% „stimme eher zu“. Lediglich 1,9% der Befragten erklärten „Stimme eher nicht zu“ und 0,4% „stimme nicht zu“. Corona ist zwar vorbei, die Impfpflicht jedoch bleibt, und damit auch eine Maßnahme, die von vielen Pflegekräften als Zwang empfunden wird. 86,8% der Befragten erklärten „stimme zu“ auf die Frage „Eine Pflichtimpfung alle paar Monate für das Sanitätspersonal ist nicht weiter tragbar“. 3,8% erklärten „stimme eher zu“, 4,5% „stimme eher nicht zu“ und 4,9% „stimme nicht zu“.
Werden die Ergebnisse dieser Umfrage die Verantwortlichen aufrütteln? Werden sie zur Erkenntnis kommen, dass dringend etwas getan werden muss? In allen Bereichen? Angefangen beim Lohn, über die Ausbildung bis hin zur Einstellung und der Kommunikation nach innen wie nach außen. Oder haben die Verantwortlichen bereits selbst resigniert?
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Da darf sich der oberste
Da darf sich der oberste Dienstherr der Sanität "sehr schnell ETWAS einfallen lassen" und nicht nur:
- die fette Verwaltung weiter mästen,
- endlich eine einheitliche EDV-Lösung für das gesamte Gesundheitswesen einsetzen, "statt bis zum jüngsten Tag mit der eigenen Mannschaft das Rad neu zu erfinden,"
- PAUSEN-los die Kubatur weiter aufzublähen,
- sich von den listigen Vertretern den aller letzten Schrei der Medizin-Technik auf schwatzen zu lassen,
- eine "s a u b e r e Beschaffungsstelle" für alle Bereiche einführen.
Statt "d i c k e r S p r ü c h e," müssen den Ärzten + den im Pflege- + Reinigungs-Bereich tätigen Mitarbeitern und nicht nur den bei jedem Rettungseinsatz in den Medien abgebildeten Hubschraubern, "ANEHMBARE ARBEITS-BEDINGUNGEN geboten werden."
In risposta a Da darf sich der oberste di Josef Fulterer
"sehr schnell ETWAS einfallen
"sehr schnell ETWAS einfallen lassen"... ohhh, jede Woche gibt es neue Einfälle, seeeeehr hilfreiche neue Einfälle...
Kompliment an Frau Kurz,für
Kompliment an Frau Kurz,für ihren Mut,die Umfrage in der Sanität durchgreführt zu haben! Wie man hört hat sich trotzdem nichts wesentliches zum Guten getan.Ein Armutszeugnis des Generaldirektors und Co. Verantwortlichen.Arroganz pur.
Wie hatte erst vor kurzem
Wie hatte erst vor kurzem Frau Bacher Paula im Namen der SVP gesagt: um die Probleme der Sanität soll sich die nächste Landesregierung kümmern.
Das sinkende Schiff darf untergehen…
Vielleicht sollte sich der
Vielleicht sollte sich der Herr Gesundheitslandesrat bzw. Landeshauptmann Kompatscher einfach einmal mit jenen Mitarbeitern im Gesundheitswesen zusammensetzen, die am Menschen arbeiten...
In risposta a Vielleicht sollte sich der di Christian Gufler
Ja sollte er. Wird er aber m.
Ja sollte er. Wird er aber m. M. nach nicht machen da es dann unangenehm werden könnte für ihn und es mit einem einfachen Grinsen nicht mehr getan sein würde. Ein LH der laut Artikel „überrascht über die Umfrageergebnisse“ ist, sagt alles aus wie sehr es ihn interessiert um nicht zu schreiben am A…. vorbeigeht.
Der AK allein wird's kaum
Der AK allein wird's kaum richten, da muss schon der ganze Hund mitwedeln. (Emojis not available)
Ich halte von "privaten"
Ich halte von "privaten" Umfragen mit fragwürdigen Fragestellungen nicht allzu viel. Noch weniger wenn sie nicht zeitgleich auch anderen "Kräften" oder Angestellten/Mitarbeitern in anderen Sektoren gestellt werden. Zum Vergleichen.
Frage: Sind sie hochmotiviert und nach vorne schauend?
In welcher Branche gibt es aktuell eine Mehrheit die drauf mit JA antwortet? (befragt vom Kollegen oder der Kollegin, der / die bisher vielleicht nicht mit Motivation und Nach Vorne Schauend aufgefallen ist. Sondern eher mit dem Gegenteil.
P.s. Nicht falsch verstehen: Pflegekräfte haben es seit Jahren alles andere als einfach ... und machen trotzdem einen echt guten Job. Mehrheitlich! Dass die Politik sich in der Sache bewegen muss ist auch klar. Kompatscher soll sich ja einen Überblick verschafft haben. Über Nacht und ohne Mehrheiten wird sich der Karren allerdings nur schwer aus dem Sumpf ziehen lassen.
In risposta a Ich halte von "privaten" di Klemens Riegler
Also eh alles ok?
Also eh alles ok?
Ihre beschwichtigende Aussage „Pflegekräfte haben es seit Jahren alles andere als einfach ... und machen trotzdem einen echt guten Job. Mehrheitlich!“ wirkt auf mich befremdlich und relativierend.
Ihre Aussage sowie ähnliche Aussagen bestätigen den Eindruck von Frau Kurz „Über offensichtliche Probleme wird scheinbar hinweggesehen in der Überzeugung, dass der Großteil der Pflegekräfte noch sehr motiviert sei“