Società | Masken-Affäre

Unmöglicher Regress

Der offizielle Käufer und Importeur der umstrittenen Schutzausrüstung aus China ist der Sanitätsbetrieb. Die Oberalp AG hat nur als Vermittler und Bank ausgeholfen.
Mascherine
Foto: upi
Das Szenario ist eigentlich klar.
Man kauft bestellt und bezahlt etwas. Nach der Lieferung kommt man aber drauf, dass man nicht das bekommen hat, was man bestellt hat. Die logische Folge: Man bezahlt auch nicht das, was ausgemacht war.
Es ist das Szenario, dass man derzeit auch in der sogenannten Südtiroler Masken-Affäre entwirft. Die Stoßrichtung ist dabei eindeutig. Mehrere Oppositionsabgeordnete im Südtiroler Landtag, wie etwa der 5-Sterne-Abgeordnete Diego Nicolini, aber auch das Team K oder die Südtiroler Freiheit verlangen, dass die Sanitätseinheit deshalb die Lieferung auch nicht bezahlt.
Weil das Unternehmen Oberalp AG rund 10 Millionen Euro für den Kauf und Transport der Südtiroler Schutzausrüstung vorfinanziert hat, ist auf den ersten Blick auch klar, wer dann zum millionenschweren Handkuss kommen könnte. 
Auch Landeshauptmann Arno Kompatscher hat am Montag in der Pressekonferenz der Landesregierung auf eine Journalistenfrage geantwortet: „Bisher hat das Lieferunternehmen, alles bezahlt.“ Die Rückzahlung des Landes werde dann gemäß Leistung und Lieferung erfolge. Zuerst muss man klären, ob das Material eingesetzt werden kann. „Danach wird man klären, wer wie viel zu bezahlen hat“, meint Kompatscher.
 
 
Florian Zerzer bestätigt gegenüber den Dolomiten, dass die Lieferung der chinesischen Schutzausrüstung in zwei Tranchen erfolgt. Der erste Teil der bestellten Ladung an Schutzmasken und Schutzanzügen wurde am 24. März aus Wien angeliefert. Dafür habe die Sanitätseinheit bereits rund 6 Millionen Euro an die Oberalp AG zurückgezahlt.
Der Rest der Ladung lagert derzeit noch in Wien-Schwechat. Bevor man diese Schutzausrüstung bezahle, müsse erst per Gutachten geklärt werden, ob sie wirklich eingesetzt werden kann.
„Sollte das Gutachten negativ ausfallen, riskiert Oberalp auf 4 Mio. Euro sitzen zu bleiben, oder zumindest auf einem Teil davon. Dann nämlich dürfte der Sanitätsbetrieb die Rechnung nur schwerlich begleichen können.“, resümiert das Tagblatt der Südtiroler.
Es ist ein logischer Schluss, der in diesem Fall aber völlig falsch ist.
 

Der offizielle Importeur

 
Denn in Wirklichkeit hat das Unternehmen Oberalp AG in dieser Affäre eine weit transparentere Rolle gespielt, als bisher auch von Salto.bz und dem Autor dieser Zeilen dargestellt wurde.
Denn Oberalp war weder Käufer noch Importeur der Schutzgüter. Die Schutzkleidung war zu keiner Zeit in der Verfügungsgewalt des Südtiroler Unternehmens. Oberalp war auch nicht der Importeur der Ware nach Europa.

 
 
 
Sondern der offizielle Importeur der 10-Millionen-Euro-Ladung ist der Südtiroler Sanitätsbetrieb. So steht es in allen Fracht- und Zollpapieren. Laut Vertrag haben die chinesischen Zulieferer die Waren am Flughafen Xiamen an den Südtiroler Sanitätsbetrieb übergeben. Auch bei der INAIL wurde die Sabes als offizieller Importeur angeben.
Eine formale Rolle als Rechnungssteller wurde der Oberalp nur durch einen zweiten Hilferuf des Landes zu Teil. Weil Mitte März der chinesische Markt an Schutzgütern bereits völlig explodiert ist, musste die 10 Millionen-Bestellung im Voraus bezahlt werden. Und das innerhalb weniger Tage.
Obwohl Ministerpräsident Giuseppe Conte am 2. März eine Sonderdekret erlassen hat, dass diese Vorauszahlungen für persönliche Schutzausrüstungen ermöglicht, beharrte man in der Sanitätseinheit darauf, dass man nicht im Voraus zahlen kann.
Deshalb hat Oberalp in Vorschuss alles finanzielle Lasten übernommen, die von der Sanitätseinheit jetzt dem Privatunternehmen zurückgezahlt werden müssen.


Die Bestellung

 
Man ist bisher davon ausgegangen, dass die Sanitätseinheit – so wie im Ankaufbeschluss – etwas bestellt hat, dann aber Waren aus China angeliefert wurden, die nicht der Bestellung entsprochen habe. Damit wäre eine Regressforderung durchaus berechtigt.
Doch auch das stimmt so nicht.
Nach gesicherten Informationen von Salto.bz hat der Sanitätsbetrieb ursprünglich der Operalp eine Liste übermittelt, in der der Bedarf angeben wurde. Genauso wie er im Ankaufbeschluss steht: eine Million chirurgische Masken, je 250.000 FFP2- und FFP3-Masken, 400.000 Schutzanzüge und 30.000 Schutzanzüge für den aseptischen Gebrauch.
Die Operalp schickte die Liste an den chinesischen Einkäufer. Dieser antwortete nach einige Zeit mit einem Gegenangebot. In diesem Angebot wird explizit darauf hingewiesen, dass man das, was die Sanitätseinheit ursprünglich wollte, so nicht liefern könne. Zum Bespiel habe man keine FFP2- und FFP3-Masken, sondern nur solchen mit dem chinesischen Standart KN95.
 
 
Dem Angebot waren dabei nicht nur die Beschreibung der lieferbaren Produkte samt Fotos beigelegt, sondern auch eine astreinen Erklärung. Alle Produkte könnten nur mit einer chinesischen Zertifizierung und ohne EU-Genehmigung geliefert werden. Um die Zulassung in Europa müsse sich der Importeur kümmern.
Oberalp schickte dieses Angebot direkt an den Südtiroler Sanitätsbetrieb weiter. Dort wurde es von den zuständigen Experten geprüft und für gut geheißen. Im Ankauf-Beschluss wird dann auch ein Gutachten vom Leiter der Covid-19-Taskforce Marc Kaufmann vom 17. März angegeben.
Erst nachdem Florian Zerzer grünes Licht gibt und Oberalp das Geld überwiesen hat, läuft die Produktion der Schützgüter in China an.
Damit aber sieht die Situation völlig anders aus.
Denn vor diesem Hintergrund dürfte jede Regressforderung gegen die Oberalp AG völlig haltlos sein.
Der Sanitätsbetrieb hat genau das bekommen, was er auch bestellt hat.
Und somit werden Florian Zerzer & Co auf jeden Fall am Ende auch bezahlen müssen.