Kurz
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Politica | Kommentar

Vaterland in Kurzarbeit

Sebastian Kurz hat die Öffnung der Brennergrenze mit einem Satz vom Tisch gewischt. Seine Busenfreunde in und außerhalb der SVP scheinen in Schockstarre gefallen zu sein.
Er ist der Liebling der Südtiroler Nation.
Sebastian Kurz, Jungkanzler der Republik Österreich und enger Freund von SVP-Obmann Philipp Achammer und Landeshauptmann Arno Kompatscher. Ganz gleich, ob es um einen Auftritt im SVP-Landtagswahlkampf geht, eine Lieferung von Schutzkleidung aus China, eine gemeinsame Tour auf den Ortler oder einen ernsthaften Angriff auf Südtirols Autonomie aus dem zentralistischen Rom, Sebastian Kurz ist für seine „Südtiroler Freunde“ immer da.
Man kommuniziert auf dem „kurzen Dienstweg“ per Handy und in Du-Form, und mancher brüstet sich ganz besonders damit, was man durch diesen direkten Draht nach Wien politisch schon alles erreicht habe.
Und dann das.
 
Am Mittwoch erklärt der österreichische Kanzler in einem Exklusivinterview mit der Tiroler Tageszeitung (TT) kurz und bündig: „Eine Grenzöffnung zu Italien wäre wegen der noch immer hohen Infektionszahlen in Italien unverantwortlich.“ Und weiter: „Wann und ob eine Öffnung in diesem Sommer noch möglich sein wird, hängt allein von der Entwicklung in Italien ab“.
Sebastian Kurz wiederholte dabei nur das, was er bereits fünf Tage zuvor nach einer Landeshauptleute-Konferenz in Linz gesagt hatte. Im Klartext: Die Brennergrenze bleibt auf österreichischer Seite zu.
Dabei hatten Landeshauptmann Arno Kompatscher, SVP-Obmann und Wirtschaftslandesrat Philipp Achammer und Tourismuslandesrat Arnold Schuler in den vergangenen Tagen ernsthaft gehofft, dass mit der Öffnung der Brennergrenze
auch wieder der darniederliegende Südtiroler Tourismus in Gang kommen könnte. Und dann kommt plötzlich dieser Kurzschluss des Everybody´s-Darlings aus Wien.
 
Und dann kommt plötzlich dieser Kurzschluss des Everybody´s-Darlings aus Wien.
Man scheint im Palais Widmann und am SVP-Sitz in Schockstarre gefallen zu sein.
Denn den Freunden Sebastian Kurz´ hat es im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen. Oder haben Sie ein kritisches Wort der offiziellen Südtiroler Politik zu dieser Abtrennung des in Sonntagsreden vielgepriesenen „zehnten Bundeslandes“ vom Vaterland Österreich gehört?
 
 
Die Nachricht der Grenzschließung wird in den Südtiroler Leitmedien in den Randspalten abgehandelt. Selbst der Dolomiten-„krah“, der sonst jede Möglichkeit nutzt, um dem Landeshauptmann einen auf den Deckel zu geben, scheint in Kurzarbeit gegangen zu sein.
Auch die Handelskammer, die normalerweise allein schon durch die Tiroler Blockabfertigung für LKWs die Südtiroler Wirtschaft in Gefahr sieht, scheint noch beim Luftholen zu sein.
Alles unter dem Motto: Nur keine Aufregung. Vielleicht merkt es niemand.
Stellen Sie sich vor, der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte hätte diesen Satz gesagt.
Aber stellen Sie sich vor, der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte hätte diesen Satz gesagt.
Die Landesregierung hätte mindestens die UNO angerufen, Sven Knoll, Ulli Mair & Co hätten sich am Schlagbaum am Brenner angekettet und die Südtiroler Schützen würden an der Salurner Klause aufmarschieren. Das Südtiroler Volk wäre in Not gewesen.
Ob die Handyverbindung zwischen Basti, Arno und Philipp durch das chinesische Virus nachhaltig gestört ist, wird sich zeigen. Sicher ist: Der Kanzler hat seinen Freunden im Süden einen Bärendienst erwiesen und endgültig deutlich gemacht, dass die Europaregion Tirol nur ein Gebilde ist, das zum Verschieben öffentlicher Gelder da ist.
Aber auch die Patrioten, die so gern nach Wien schielen, schweigen zum Edikt ihres Kanzlers. Wahrscheinlich ist man gerade dabei, die Los von Rom-Feuer zu löschen.
Denn derzeit weiß man nicht, wohin man dann gehen soll.
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Klaus Griesser Sab, 05/23/2020 - 19:33

Chauvinistisch/ nationalistisch sind jene Regierungen, die im Dienste der Wirtschaftslobbys - im Falle Kurz' oder aber auch Söders - die Grenzen auf- oder zumachen je nach Bedarf, um der eigenen Wirtschaft Vorteile zu verschaffen. Im Falle der COVID-19 muss ich aber zubilligen, weil es mir vernünftig vorkäme, stark betroffene Gebiete ( Gemeinden, Städte, Zonen) zu isolieren, um weitere Ausbreitungen zu verhindern, auch innerhalb der nationalen Grenzen. Kurz und Söder wollen offensichtlich die Gelder der Touristen im eigenen Land behalten, was natürlich dem gemeinschaftlichen Wirtschaftsprinzip Europas widerspricht und nationalistisch ist.
Die größte Lehre, die wir BürgerInnen aus der Coronakrise ziehen können, ist internationale Solidarität zur Bekämpfung der Pandemie, die Wirtschaft sucht unweigerlich ihre Vorteile zu ziehen, vor allem in Krisenzeiten.

Sab, 05/23/2020 - 19:33 Collegamento permanente
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Elisabeth Garber Dom, 05/24/2020 - 13:22

@G. Lechner-Zitat: "...denen vielleicht auch ein Corona-bedingtes Wegsterben der Generation 65+ durchaus recht."
Da bin ich mir sicher - diese Generation ist, wie Kinder und Mütter, in der verwirtschaftlichten Mentalität (bigger, faster, stronger) nicht "systemrelevant".

Dom, 05/24/2020 - 13:22 Collegamento permanente