Politica | Bozen

Warum eigentlich nicht?

Es hagelt weiter Kritik an Christoph Baurs Aussage, in Sachfragen mit CasaPound zusammenarbeiten zu wollen: “skandalös”, “unverständlich”, “bedenklich”.

“Skandalös”, “unverständlich”, “bedenklich”, “überraschend”. Das sind einige der Reaktionen, die sich Christoph Baur mit seiner Aussage eingehandelt hat, in einigen Sachfragen mit der neofaschistischen CasaPound im Bozner Gemeinderat zusammenarbeiten zu wollen. Noch am selben Tag, als das Interview, für das er auch in der eigenen Partei kritisiert wird, im Alto Adige erscheint, nimmt der Bozner Vize-Bürgermeister am Montag öffentlich dazu Stellung: “Auch wenn ich mich ideell und politisch von der Weltanschauung der Vertreter von CasaPound distanziere, darf ich nicht vergessen, dass diese von den Bürgern gewählt worden sind und ihre Anliegen angehört werden müssen. Dies verlangen die Spielregeln der Demokratie.” Inzwischen haben sich jedoch sowohl die Grünen als auch der PD und die SVP selbst von der Hypothese einer Öffnung gegenüber CasaPound distanziert. Bürgermeister Renzo Caramaschi hingegen sieht es wie Baur: Es gebe zwar keine Chance, dass die drei CasaPound-Gemeinderäte Teil seiner Regierungskoalition werden, allerdings schließt er nicht aus, ihnen etwa die Präsidentschaft einer der Kommissionen oder ein sonstiges institutionelles Amt anzubieten. “Sono stati eletti, sono in consiglio, dunque, perché escluderli a priori?”, so Caramaschi.

Bewirkt die demokratische Wahl einer Partei, die sich auf den Faschismus und damit auf anti-demokratische Werte beruft und die Spielregeln der Demokratie abschaffen will, also, dass sie Teil des demokratischen parteipolitischen Spektrums wird? Keinesfalls, steht für die Junge Süd-Tiroler Freiheit (STF) fest. “CasaPound stellt die Werte der Demokratie infrage und liegt somit weit entfernt vom demokratischen Spektrum”, gibt Christoph Mitterhofer, Meraner Gemeinderat und Landesjugendleitungsmitglied der Jungen STF zu bedenken. “Hier versuchen, Brücken zu schlagen, ist eindeutig ein falsches Signal. Baur schmälert mit solchen Aussagen seine Glaubwürdigkeit und seine demokratischen Werteverständnisese. CasaPound als faschistische Bewegung gehört verboten und nicht in den Gemeinderat von Bozen”, so die klaren Worte Mitterhofers.

“Das zeigt, wie schnell rechtsextreme Ideologie wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.”
(Christoph Mitterhofer, STF)

Kritik kommt auch vom Präsidenten des ANPI (Associazione Nazionale Partigiani d’Italia) Bozen, Orfeo Donatini: “Die Aussagen von Christoph Baur berücksichtigen in keinster Weise die soziale und politische Gefahr, die von einer Bewegung wie CasaPound ausgeht. Einer Bewegung mit eindeutig rassistischer, xenophober und faschistischer Einstellung.” Donatini weiter: “Ich glaube, ich brauche nicht daran zu erinnern, dass es sich hier um keine Gruppe von ‘bravi ragazzi’ handelt, die sich der Freiwilligenarbeit verschrieben haben. Sondern um eine Splittergruppe, die Exponenten eines traurigen und gewalttätigen Aktivismus’ beheimatet.”

“Le affermazioni di Baur infine sorprendono ancor più se pensiamo che il vicesindaco fa queste aperture politiche ad un partito che domattina, se andasse al potere, non esiterebbe a chiamarlo Cristoforo Bauretto come accadde solo poche decine di anni fa a moltissimi sudtirolesi.”
(Orfeo Donatini)

An die Gewalt, die von CasaPound immer wieder ausgeht, erinnert auch Roland Lang, Obmann des Südtiroler Heimatbundes, der sich entsetzt fragt: “Wie kann ein SVP- Politiker nur das Gespräch mit den Faschisten von Casapound suchen und dazu die Überlegung anstellen, in gewissen Sachfragen mit ihnen zusammenzuarbeiten?”

“Ist der SVP-Vizebürgermeister von allen guten Geistern verlassen?”
(Roland Lang)

Mit seinen Aussagen habe sich Baur ins “politische Abseits” befördert, schreiben die Freiheitlichen: “Anscheinend empfindet Herr Dr. Baur die Faschisten des dritten Jahrtausends, welche den Marsch auf Bozen proben, als ‘bravi ragazzi’ ohne mit der Wimper zu zucken. Wie er damit im gleichen Atemzug die Interessen der deutschen und ladinischen Minderheit in Bozen vertreten will, wird wohl ein Rätsel bleiben. Die Widersprüchlichkeit ist weit jenseits des guten Geschmacks und lässt für die Zukunft der Stadt Bozen nichts Gutes erwarten.” In dieselbe Richtung war übrigens auch die Reaktion von Landeshauptmann Arno Kompatscher am Tag nach den Gemeinderatswahlen in Bozen am 8. Mai gegangen, der sich “erschüttert” über die vielen Stimmen für “eine Gruppierung, die sich offen zum Faschismus bekennt” gezeigt hatte. “Das Wahlergebnis”, so Kompatscher am Nachwahltag, “sollte als Auftrag an die Gesellschaft sowie an die Parteien, die sich im Rahmen der Verfassung bewegen, verstanden werden, solche Tendenzen durch Aufklärung sowie überzeugende politische Arbeit zu bekämpfen”.