Politica | Urlaubsland Südtirol

Wie viel IDM-Werbung brauchen wir noch?

HGV-Präsident Pinzger fordert von der SVP mehr Rückhalt für seine Branche. Landesrätin Hochgruber Kuenzer bleibt dabei: Auch über Tourismus müsse diskutiert werden.
Kurz vor den Landtagswahlen gehen in der SVP die Wogen hoch: HGV-Chef Manfred Pinzger zeigt sich von der Landesregierung enttäuscht, einzig Philipp Achammer sei als Regierungsmitglied für die Hotelier*innen in die Bresche gesprungen. „Weder von Landeshauptmann Arno Kompatscher noch von Tourismuslandesrat Arnold Schuler selbst wird der Tourismus in Südtirol verteidigt“, so Pinzger in einem Interview mit dem Onlineportal stol.it. Er ist neben seiner Spitzenfunktion im HGV auch Rechtsmitglied des SVP-Wirtschaftsausschusses Vinschgau. Von 2006 bis 2013 saß er für das Edelweiß zwei Legislaturperioden lang als Senator in Rom.
 
Manfred Pinzger
Manfred Pinzger: „Die Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer macht Wahlkampf damit, dass man mit einem fünfjährigen Tourismus-Werbestopp den Ausverkauf der Bauernhöfe verhindern soll.“ (Foto: HGV)
 
„Die Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer macht Wahlkampf damit, dass man mit einem fünfjährigen Tourismus-Werbestopp den Ausverkauf der Bauernhöfe verhindern soll. Entweder hat sie da etwas verwechselt, oder sie versucht einfach irgendeinen Schuldigen zu finden, der in dieser Angelegenheit überhaupt nichts dafür kann, nämlich der Tourismus“, so Pinzger. Auch der SVP-Landtagsabgeordnete und Bauernvertreter Manfred Vallazza lehnt den Vorschlag seiner Parteikollegin vehement ab, den sie vorige Woche in einem Interview mit der Rai geäußert hatte. Thema des Interviews war der Verkauf geschlossener Bauernhöfe.
Südtirol wird mittlerweile auch ohne Werbeinserate der IDM als Urlaubsziel thematisiert.
„Um den Ausverkauf der Höfe zu stoppen, müssen unterstützende Maßnahmen und zielgerichtete Instrumente her. Jene, welche es Menschen, die den Mut und die Leidenschaft haben, einen Hof zu bewirtschaften, helfen, diese Träume zu realisieren. Eine Arbeitsgruppe, die sich mit diesem Thema befasst, wurde bereits beauftragt einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten, um dem Ausverkauf gegenzusteuern“, so Vallazza.
Dass der Wirtschaftsdienstleister IDM, in Besitz von Land und Handelskammer, nun aufhören soll, Südtirol als Urlaubsziel zu bewerben, davon hält der SVP-Bauernvertreter nichts: „Ein kompletter Werbestopp, für einen mittel bis langfristigen Zeitraum von fünf Jahren, wie von unserer Landesrätin lanciert, ist auf jeden Fall abzulehnen.“
 
Vallazza, Manfred
Manfred Vallazza: „Es leben viele Menschen in Südtirol direkt und indirekt vom Tourismus.“ (Foto: Facebook)
 
Nicht nur der Tourismussektor, auf welchen sich der Werbestopp in erster Linie auswirken würde, sei dabei Leidtragender. „Es leben viele Menschen in Südtirol direkt und indirekt vom Tourismus. Auch die Werbebranche, und da meine ich allen voran die digitale Werbung, würde massiv Einbußen verbuchen müssen. Wenn ich an Nachhaltigkeit denke, so denke ich an den wirtschaftlichen und sozialen Aspekt. Damit verbinde ich den Erhalt der Wirtschaftskraft und Kaufkraft als tragende Säulen unserer Gesellschaft, des Mittelstandes.“
 

Die Sicht der Landesrätin

 
Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer kennt die Kritik, seit ihrem Interview mit der Rai wurde sie mit so einigen Vorwürfen, aber auch Zustimmung, konfrontiert. „Ich sehe diese Aussage vielmehr als Anstoß für eine wertfreie Diskussion über Erfordernisse im Land auch in Bezug auf Werbung, die wir vergleichsweise zu anderen Regionen intensiver durchführen. Wir kommen zu schnell ins Urteilen darüber, ob etwas richtig oder falsch ist, ohne die Absicht oder den Kontext des Anderen zu verstehen“, erklärt sie. Südtirol werde mittlerweile auch ohne Werbeinserate der IDM in ausländischen Medien, durch Mundwerbung und Beiträgen in den sozialen Medien, als Urlaubsziel thematisiert.
Laut einer Erhebung der Landesamtes für Statistik ASTAT sind in den ersten fünf Monaten fast 3.000.000 Gäste ins Land gekommen, das sind beinahe 500.000 Urlauber*innen mehr als im Vorjahr. Insgesamt wurden bislang 12,4 Millionen Nächtigungen gezählt, das sind 2.000.000 mehr als im Vorjahr, wie die Rai berichtete.
 
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Maria Hochgruber Kuenzer: „Für mich geht es deshalb nicht darum, ob ein Verband mit der Durchsetzung seiner Interessen – egal ob Tourismus, Landwirtschaft oder Umwelt – erfolgreich ist oder nicht, sondern um die Menschen in unserem Land.“ (Foto: LPA/Fabio Brucculeri)
 
„In den letzten Jahren haben wir, wenn wir die Corona-Pandemie ausklammern, immer eine Steigerung bei den Kennzahlen im Tourismus beobachten können. Die IDM hat in diesen Jahren sehr gut gearbeitet. Wir sollten uns aber trauen, infrage zu stellen, wie wir unser Land den Gästen anbieten. Es geht um Qualität, nicht um Quantität. Was tut uns gut? Was brauchen wir? In den 60er und 70er Jahren hat die Zimmervermietung in den Sommermonaten sehr vielen Familien geholfen, über die Runden zu kommen. Es gab in unserem Land nicht genügend Arbeitsplätze für die arbeitsfähige Bevölkerung. Heute brauchen wir dringend Arbeitskräfte aus anderen Regionen und Ländern.“
 

Touristische Entwicklung

 
Mit der touristischen Entwicklung hängen viele Bereiche zusammen, etwa die Verkehrsregelung bei Hotspots wie dem Pragser Wildsee oder die Nutzung der Berglandschaft mit dem Mountainbike oder zu Fuß, aber auch die Preisentwicklung von Immobilien, wie Wohnungen und geschlossene Bauernhöfe. „Ich komme aus der Landwirtschaft und es tut mir im Herzen weh, wenn Höfe an ausländische Investoren verkauft werden, aber damit die für das Land so wichtige Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen nicht gesichert wird “, so Hochgruber Kuenzer. Als im vergangenen Jahrhundert während der hohen Inflation in den 30er und 40er Jahren Höfe verkauft worden sind, waren die Käufer meist Südtiroler Familien. Heute seien die Immobilien für diese nicht mehr erschwinglich.
 
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Stau am Sellajoch: Längst ist der Tourismus zu einem wichtigen und prägenden Wirtschaftszweig Südtirols geworden. (Foto: Judith Egger/AVS)
 
Maria Hochgruber Kuenzer stand als Landesrätin für Raumentwicklung, Landschaft und Denkmalpflege in den letzten Monaten häufig in der Kritik, etwa zur mittlerweile sechsten Abänderung des 2018 verabschiedeten Gesetzes für Raum und Landschaft im Mai dieses Jahres. Beim Gemeindeentwicklungsprogramm (GEP) musste sie Kritik aus den eigenen Reihen einstecken. Sowohl Wirtschafts- als auch Umweltverbände üben Druck auf ihr Ressort aus, sei es beim Landschaftsleitbild wie auch bei vergleichsweise kleinen Eingriffen wie der gestoppten Zufahrtsstraße zur Lahner Alm im Ahrntal.
Um den Ausverkauf der Höfe zu stoppen, müssen unterstützende Maßnahmen und zielgerichtete Instrumente her.
Daher verwundert es nicht, dass sie sich im Hinblick auf die Debatte zur IDM keine Illusionen macht: „Es ist schwierig ein gemeinsames Ziel zu finden und es nicht aus den Augen zu verlieren, weil wir sehr individuell geworden sind, da nehme ich mich nicht heraus. Wenn es dir gut geht, dann kannst du dir es leisten, individuell zu sein und bist nicht auf so etwas wie Nachbarschaftshilfe angewiesen.“
Genau aber dieses große Ganze hat die Landesrätin und frühere Vorsitzende der Umweltkommission des Gemeinderates von Bruneck im Blick: „Als gewählte Vertreterinnen und Vertreter müssen wir mehr in unsere Gesellschaft hineinhören. Es gibt viele Menschen, die mit dem Hamsterrad nicht mehr mitmachen können. Für mich geht es deshalb nicht darum, ob ein Verband mit der Durchsetzung seiner Interessen – egal ob Tourismus, Landwirtschaft oder Umwelt – erfolgreich ist oder nicht, sondern um die Menschen in unserem Land“, erklärt Hochgruber Kuenzer.