Palcoscenico | Stück/Konzert

Auf zu den Sternchen

Ein Blick auf „Metamorphosen*“, die neue Co-Produktion von VBB und dem Südtiroler Pop-Duo Anger mit Mythen-Nacherzählung, Disney Cartoons und Songs vom neuen Album.
Metamorphosen*
Foto: Nikolaus Ostermann
  • Die Frage, die sich vorab zu einer solchen Stückentwicklung in hybrider Konzert- und Stückmanier stellt, wird wohl lauten: Passt das zusammen? Die Antwort ist nach rund 100 Minuten nicht ganz einfach, denn Musik in einen Stückverlauf einzubetten, ohne dass diese wie eine Art Produktplatzierung erscheint, will wohl gelernt sein. Die Schauspiel-Fünferriege aus Kerstin Jost, Jasmin Mairhofer, Tamara Semzov, Lukas Spisser und alleinig vorrangig italienischsprachig Paolo Tosin trifft auf das von Brixen nach Wien migrierte Pop-Duo Anger, das vor allem mit Hilfe des Wiener Radiosenders FM4 sein Publikum ausweiten konnte.

    „Metamorphosen*“ ist dabei ein abwechselndes Stück, das mehr nacherzählt und hinterfragt, als Handlungen nachzustellen, um dann wieder ganz Nora Pider und Julian Angerer zu gehören. Man habe das Theaterspiel mit einem Livekonzert verbinden wollen, meinte Regisseur Felix Hafner vorab im Interview. „Auch in der Hinsicht, dass Anger als Band vorkommt, so wie sie sind.“, so Hafner. 

    Anger muss man für den Abend mögen oder hinnehmen, da besonders der am Anfang stark Autotune-Effekte nutzende, oft mit der Genre-Banalität des Pops kokettierende Stil, etwa in den zahlreichen „Baby“-Wiederholungen oder den plötzlichen Anglizismen wie „future“, sicher nicht jedermenschs Sache ist. Sehr früh im Stück spielen Anger ihren ersten Song, erinnern daran, dass ihr neues Album im Herbst erscheinen soll und das soeben Gehörte eine Weltpremiere gewesen sei. Zur vom Regisseur erdachten Rahmenhandlung als öffentliche Probe, 2 Wochen vor der eigentlichen Premiere („Metamorphosen*“ läuft lediglich bis zum 28. Jänner), passt diese Ansage nicht. Mein genereller Eindruck nach der Vorstellung war, dass das Stück viel mehr tut, um das Konzerterlebnis zu erhöhen - gerade die Bühnenbilder der auch für die schrill-bunten, sich mit dem Mythenthema etwas schlagenden Kostüme verantwortlichen Elisabeth Weiß - als die Musiker umgekehrt es für das Stück tun.

  • Metamorphosen*: Während dem Stück entsteht, wie zwischen Sterblichen und den Göttern des Olymp, ein Machtgefälle. Das Theaterstück Metamorphosen* macht mehr für das Konzert Metamorphosen*, als dies umgekehrt stattfindet. Foto: Nikolaus Ostermann

    Immer wieder mal sagen Pider oder Angerer auf der Bühne ihre Meinungen zu einem Mythos von dem gerade die Rede war, aber wirklich schauspielerisch werden sie kaum aktiv. Den Einstieg mit der ersten Mythenstunde auf der Bühne wagt Jasmin Mairhofer, die den Mythos des Prometheus mit dem Enthusiasmus der Musterschülerin spielend nacherzählt. Sehr schnell gibt es Gegenstimmen zu Aspekten der jahrtausendealten Geschichte, die man aus heutiger Sicht neu einordnen möchte. Während im späteren Verlauf die Diskussion mehr Raum einnimmt, so kann sich dieser Mythenzugang - auch bei anderen aufgegriffenen Themen wie der Heldenreise nach Campbell, die Paolo Tosin ausführlich durchnimmt - bis zu den Zwischenrufen schon mal nach Frontalunterricht anfühlen.

  • Spannend ist es allemal im Sinne des mittlerweile allbekannten Vielleicht-Mahler-Zitats „Tradition ist Weitergabe des Feuers ohne Anbetung der Asche“, in der Mythenkiste auszumisten und um sich zu fragen, warum es etwa immer die Frauen - Pandora wie Eva – sind, die für das weltliche Leid die Hauptschuld aufgeladen bekommen. Sind Amazonen ein gutes Geschlechtermodell für Emanzipation oder kann das mit der einseitigen Brustamputation zum besseren Bogenspannen nur ein Mann geschrieben haben? Wenn diese Fragen ausgehandelt wurden, hatte das Stück meine volle Aufmerksamkeit.

  • Metamorphosen*: Natürlich ist auf der Bühne auch eine mysteriöse Box, die Neugierde weckt. Was darin steckt, erfahren Sie, falls Sie sich für einen Theaterbesuch entscheiden. Foto: Nikolaus Ostermann

    Nicht aber, wenn man das Voiceover von Disney’s „Hercules“ einfach als Ton über Szenen legt und man einen interessanten humoristischen Effekt entschieden überstrapaziert. Am Ende des Stückes findet man dann doch noch zu einer „feministischen Ikone“ in Form der, in die erste Spinne verwandelten, Arachne. Zuvor hatte sie die Liste von Vergewaltigungsfällen, häufig in Tiergestalt, der männlichen Götterriege in einen Wandteppich im Webwettkampf mit Athene eingewoben. Die Mythengeschichte, die wohl mal menschliche Demut gegenüber göttlichen Mächten lehren sollte, wird zum Vorbild in Sachen Auflehnung gegen patriarchale Machtstrukturen, auch wenn die Strafe für die Transgression am Ende von Athene kommt.

  • Am Ende des Abends kommt man nicht wirklich auf eine gemeinsame Form, sondern mehr zu geteilten Zeiten auf der Bühne. Wäre ich nicht in ein Theater-Konzert sondern einfach in ein Konzert der Band gegangen, so hätte mich vieles wohl weniger gestört. So kommen zwei Hälften zusammen, die auf den ersten Blick eine spannende Schnittmenge haben könnten. Anger passen sich den Abendthemen nur um drei Ecken an - etwa indem es bei Orpheus und Euridike dann ein Liebeslied gibt. So plätschert eines neben dem anderen dahin, in einem Abend, der vor allem Anger-Fans gefallen dürfte, da eine gute Menge an neuem - und altem - Material zu hören ist. Dass Pop auch was zu sagen hat, bleibt am Abend leider mehrheitlich Mythos.

  • Die nächste Abendvorstellung von „Metamorphosen*“ findet am Donnerstag um 20 Uhr statt. Am Freitag findet vorab, bei gleichem Stückbeginn ab 19.15 Uhr eine Stückeinführung statt. Es folgen am Samstag eine weitere Vorstellung um 20, sowie am Sonntag die Derniere um 18 Uhr.