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„Einen offenen Zusammenhang herstellen“

Das neue Großprojekt der VBB, „Metamorphosen*“ feiert in einer Woche Premiere. Vorab stellen wir dem Regisseur Felix Hafner die Frage: Wie gut passt Pop zu alten Mythen?
*Metamorphosen
Foto: Vereinigte Bühnen Bozen via Facebook
  • SALTO: Herr Hafner, die erste Frage, die sich mir gestellt hat ist, um welche Form des Pops geht’s? Mit Anger und Ihnen ist das Stück, zumindest an der Spitze, fest in Händen von Kindern der 90er. Ist der Pop in „Metamorphosen*“ mehr gegenwärtig oder ist es doch irgendwo eine besondere Zeitperiode, die für euch im Pop besonders ansprechend war? 

  • Felix Hafner: Der 1992 in Voitsberg in der Steiermark geborene Hafner war als Regisseur unter anderem bereits an den Münchner und Wiener Volkstheatern tätig. Foto: Emanuel Megersa

    Felix Hafner: Die Idee des Projekts war Theaterspiel mit einem Live-Konzert von Anger zu verbinden. Auch in der Hinsicht, dass Anger als Band vorkommt, so wie sie sind. Man könnte ein Stück bauen, wo die Musik auf andere Weise dazu gemacht wird, zu ihren fiktionalen Settings. Wir wollen, dass Anger als Band auch hinter dem stehen, was wir zu Kostümen und Bühnen-Setting und auch sonst entscheiden und dass sie sich damit auch identifizieren können. Es geht dementsprechend darum, dass das Stück wirklich ein Konzert von ihnen ist und sie nicht nur die Musik für ein Stück machen.

  • Ich baue ziemlich darauf auf, was ihre Vorstellungen sind, oder auch wie sie performen. Und da haben wir uns über sehr viele Referenzen gemeinsam aneinander angenähert. Wir sind alle große Rosalia-Fans, zum Beispiel und haben uns gemeinsam den Beyoncé-Tourfilm angeschaut. Also das sind alles moderne Pop-Referenzen, die uns irgendwie liegen oder mit denen wir zu tun haben. Aber es gibt auch ganz viel, das in den 80s oder 90s erschienen ist, das in das Stück hineinspielt. Eine große Inspiration insgesamt für den Abend und seinen Aufbau ist der Konzertfilm „Stop Making Sense“ von den Talking Heads, der war für uns eine super Inspiration, wie wir mit gewissen Bühnenvorgängen und dem Konzert umgehen können. 

    Diese Pop-Komponente ist „Anger, wie sie sind“.

     

    Es wird da jetzt nicht eigens im Konzeptalbum aufgenommen zu „Metamorphosen*“, mit Songs zum Stück, sondern Musik wird ins Stück versetzt. Wie wird es mit dem anderen Hauptelement des Abends, mit der Reflexion über Mythen, vermählt? Wie kommen beide Dinge zusammen?

     

    Grundsätzlich war es klar, dass Anger Songs spielen werden, die sie schon veröffentlicht haben und auf der anderen Seite waren sie in einem langen Prozess sehr intensiv am Schreiben und Produzieren ihres neuen Albums. In unserem Abend werden auch exklusiv einzelne Songs dieses neuen Albums und damit unveröffentlichte Tracks performt. 

    Ich habe grundsätzlich nach einem Thema gesucht, das irgendwie eine Schnittmenge mit der Musik hat oder mit dem Pop-Gedanken. Wir sind irgendwie so auf die Mythen gekommen, die auf eine ähnliche Weise immer versuchen, sehr einfache Geschichten zu erzählen, für ein breites Publikum. Also es gab immer wieder viele Assoziationen und darauf hatten auch Anger Bock. Für mich war klar, dass ich etwas finden möchte, das eine Sammlung von Geschichten einer Sammlung von Songs gegenüberstellt.

    Wir können einen offenen Zusammenhang herstellen zwischen dem, was wir erzählen und dem, was es an Musik gibt. Wir sind so vorgegangen, dass wir geschaut haben, was gibt es von den Songs von Anger, sowohl von dem, was da ist, als auch vom neuen Album, wo gibt es jeweils Assoziationen zu den jeweiligen Mythen oder Themen, die bei uns vorkommen. Ob das jetzt direkt mit dem Text zusammenhängt oder eher musikalisch ist, ist verschieden.

  • Nora Pider: Ein Teil des Brixner FM4-Darlings Anger, lernte Pider ihren Partner Angerer übers Theater kennen. Foto: Vereinigte Bühnen Bozen via Facebook

    Die von Ihnen in einem Text zum Stück genannten Mythen sind aus dem klassischen Altertum, genauer aus dem alten Griechenland. Wenn man den Titel „Metamorphosen*“ hört, denkt man vielleicht zuerst an Ovid. Hat man sich auf den griechischen Sagenkanon konzentriert oder blickt man auch in andere Sagenwelten, schaut, wie sich Mythen anderenorts entwickelt haben?

     

    Wir sind weit gestartet und sind damit eigentlich sehr offen umgegangen und haben jetzt doch eine große Anzahl von Erzählungen und Songs mit Bezug auf die antike griechisch-römische Mythenwelt. Es gibt bei uns Referenzen in andere Richtungen aber das klassischen Altertum ist so etwas wie die Grundebene, von der wir ausgehen. 

  • Dort haben wir uns fokussiert auf Mythen, die nach unserer Auffassung in irgendeiner Form unser Denken geprägt haben oder auf die wir noch mal genauer schauen wollten. Wenn man auf einige der Themen sieht, dann fallen doch irgendwo interessante Archetypen auf, die man da auch sieht, gerade wenn es darum geht, wie weibliche Figuren in der Mythologie zu deuten sind. 

     

    Ich habe da ein ambivalentes Verhältnis, weil es auf der einen Seite um Sexualisierung geht und auf der anderen Seite, wie bei Rachegöttinnen und Amazonen, eine Dimension des Empowerments existiert. Ist das bei Ihnen auch irgendwo so? 

     

    Das ist tatsächlich ein Konflikt, den Sie beschreiben, der ist eine Szene bei uns. Das wird verhandelt werden und es gibt unterschiedliche Zugänge, wie man zum Beispiel etwas wie die Amazonen auf die Bühne bringen soll. Das ist eine große Frage, die sich für uns stellt, weil eine total männliche und sehr stark patriarchale Sicht vermittelt wird, in diesen Mythen und dazu noch aus dieser ganz anderen, griechischen Welt. 

    Das ist etwas, was zum Teil relativ unreflektiert in unsere heutige Zeit weitergetragen wird, wie sehr wir uns auf dieses alte Griechenland noch beziehen. Es sind sehr viele Fragen, die sich auftun, wenn man sich genauer anschaut, was in diesen Geschichten vorkommt und über wen, wie erzählt wird. Dementsprechend waren wir uns auch irgendwie bewusst, dass das Reflektieren über die Mythen für uns noch wichtiger sein wird als das Mythenerzählen an sich.

    Deswegen benutzen wir ein Setting von dem ganzen Abend. Die Schauspieler*innen auf der Bühne und Anger sind gemeinsam das Produktionsteam, das an einem Stück, das sich „Metamorphosen*“ nennt, arbeitet. Das ist ein Stück, das in unserer Fantasie entsteht. Wir sind live dabei bei einer öffentlichen Probe, zwei Wochen bevor es zur Premiere kommt. Sie diskutieren noch über sehr viele Szenen und zeigen erste Ausschnitte, sind zum Teil ganz unterschiedlicher Meinung, was reinkommen soll und wie man damit weitermachen soll. Deswegen ist, was Sie beschrieben genau das, diese Zwiespältigkeiten und Ambivalenzen, die in Mythen sind, etwas, was wir versuchen auf der Bühne auch auszuhandeln. 

  • Julian Angerer: Ohne ihn wäre Anger wohl nicht komplett. Foto: Vereinigte Bühnen Bozen via Facebook

    Wenn man sowohl über Popmusik, als auch über Mythen ausführlicher spricht, dann kommt man um den Begriff „Kanon“ nicht herum. Hat sich für Sie irgendwo gezeigt, was die Kanontauglichkeit eines Songs oder eines mythischen Textes ausmacht?

  • Es ist eben das, was über einen Mythos immer behauptet wird oder über ganz viele alte Texte, die am Theater permanent aufgeführt werden, nämlich, dass das eine Form von Allgemeingültigkeit hätten. Das ist etwas, was wir alle auf eine gewisse Weise zum Teil nachvollziehen können. Wenn man sich das genau anschaut, stellt sich auch die Frage, was ist eigentlich allgemeingültig, für wen wird das eigentlich erzählt und was ist das Narrativ dahinter?

    Das ist natürlich etwas, was mit Pop zusammenhängt, auch Pop funktioniert auf gewisse Weise so. So wie man sich heute einen Mythos anschaut und sich denkt: „Ich hab den immer wieder gehört, aber ich hab nicht gewusst, was da eigentlich vorkommt und was wird eigentlich damit vermittelt, was soll die eigentliche Aussage sein…“, das ist das Gleiche, wie wenn ich heute „The Police“ höre und mir denke: „Ich fand den Song irgendwie früher cool und jetzt ist es ein krasser Stalker-Song“.

    Das sind ähnliche Ebenen, wo es eben so um das geht, was der Kern davon ist - etwas, mit dem man sich identifizieren kann. Wir wissen, große Pop-Hits haben immer etwas, womit sich die Leute auch identifizieren oder auseinandersetzen können. Und es geht bei beiden Sachen darum, das in so einem kompakten Format an viele Leute zu bringen. Bei beiden steckt dahinter, dass man sich die Frage stellen muss, was man mitnimmt.

  • Metamorphosen*: Das Stück will sich von einem minimalistischen Song zu einer großen Ballade aufschaukeln. Foto: Vereinigte Bühnen Bozen via Facebook
  • Wie gibt man dieser Stückentwicklung eine Form und dem Theaterbesucher vielleicht das Gefühl, etwas Abgeschlossenes gesehen zu haben? Oder verzichten Sie bewusst darauf? 

     

    Was von Vornherein mein Vorhaben bei einer Entwicklung ist, ist, dass man eine Struktur des Textes und der Themen, eine gewisse Form von Aufbau und Hinführung zu etwas hat. Das ist quasi der Rahmen, in dem sich die Entwicklung bewegt. Da ist relativ klar, wann kommt was auf was und wo führt was thematisch hin, wie die Texte entstehen und was auf der Bühne passiert. Das ist das, was die ganze Zeit entwickelt wird. 

    Der Rahmen und die Struktur sind etwas, was eigentlich von Anfang an da ist, was das Ziel ist. Es muss immer etwas geben, auf das das Ganze hinausläuft und auch eine musikalische Dramaturgie. Das ist glaube ich auch das, was unseren Abend auszeichnen kann, dass das etwas ist, was eben auch erst entsteht, indem man es schaut. Wir beginnen mit einer Situation, in der es ganz wenig gibt und wir ganz low starten. Und wir bauen immer mehr auf und wir gehen immer mehr in verschiedene Themen und auch in größere Bilder und in eine Vollständigkeit des Bühnenbilds rein, bis alles zum Schluss wirklich in einer Form von Popkonzert endet. Und das ist etwas, was auch ein bisschen die Linie ist, an die wir uns halten.

     

    So bauen sich vielleicht auch Mythen auf, als Ansammlung um ein Sandkorn herum. Da ist am Anfang ein Grundelement, vielleicht das berühmte Körnchen Wahrheit…

     

    So ein Mythos immer weiter ausgebaut und das passiert natürlich auch durch Überhöhung und über Plattformen und Ebenen, die man damit schafft. Das ist halt auch das Spannende, weil das Mythen und Popkonzerte irgendwie verbindet. Es geht darum, die Sachen irgendwie zu erhöhen. Diese Songs alleine sind sie oft gar nicht. Es braucht dann wirklich die Show dazu, damit man sagt, man wird abgeholt vom Popkonzert. Eine unserer Assoziationen ist auch gewesen, etwas zu schaffen, was räumlich einerseits unseren Blick auf einen antiken Tempel oder eine Ausgrabungsstätte wiedergibt, die gleichzeitig eine Popbühne ist, auf der ein Konzert stattfinden kann. Das ist für uns ganz spannend. Wir versuchen, diese Dinge zusammenzubringen, bei denen ich glaube, dass sie inhaltlich sehr voneinander profitieren können.

  • Vorstellungstermine

    Samstag, den 20. Jänner feiert Metamorphosen* um 20 Uhr Premiere auf der großen Bühne des Stadttheaters. Es folgen drei Termine mit Beginn um 20 Uhr vom 25. bis 27. Jänner, jener am Freitag den 26. bietet ab 19.15 Uhr im Foyer des Stadttheaters auch die Möglichkeit, einer Stückeinführung beizuwohnen. Die Dernière für das Stück und Konzert findet am Sonntag den 28. Jänner um 18 Uhr statt.