In der Grünen Waagschale
Seine Stimme ist heiser als Riccardo Dello Sbarba am Dienstag Mittag vor die Medienvertreter tritt. Soeben hat der Grüne Landtagsabgeordnete gemeinsam mit seinen Parteikollegen Brigitte Foppa und Hans Heiss den Landtagssaal verlassen. Während die übrigen Landtagsabgeordneten in die Mittagspause starten, wollen die Grünen noch einmal festhalten, warum sie den Gesetzentwurf für Raum und Landschaft ablehnen.
24 Seiten ist der Minderheitenbericht lang, den Riccardo Dello Sbarba zum 106 Artikel umfassenden Gesetzentwurf ausgearbeitet hat, der Richard Theiners politisches Vermächtnis werden soll. Alle 24 Seiten hat Dello Sbarba am Vormittag im Plenum verlesen. Und doch wird er nicht müde, im Kanon mit Heimatpflegern, Natur- und Umweltschützern, zu betonen: “Nach vier Jahren Arbeit ist das Resultat enttäuschend. Das, was ein Gesetz der Bürgerinnen und Bürger, der Fachleute und Sachverständigen hätte werden sollen, wurde zum Gesetz der Lobbys”
In einem groß angelegten Partizipationsprozess im fernen Jahr 2014 gestartet, sei die Ausarbeitung des Gesetzentwurfes alsbald “völlig entgleist”, wie Brigitte Foppa beobachtet hat. Dello Sbarba erklärt: “Die Debatte hat sich in die Büros des Landesrates und des Landeshauptmannes verlagert, der Kuhhandel der verschiedenen Interessengruppen ging los. Und in der Debatte im Gesetzgebungsausschuss haben die Bauernvertreter der SVP mit einer Flut an Abänderungsanträgen sogar ‘ihren’ Landesrat überstimmt.” Doch damit nicht genug: Die dutzenden Abänderungsanträge, die SVP-Abgeordnete im Landtag diese Woche noch eingebracht haben, “zeigen, dass auch die Mehrheit ein Problem mit dem Gesetz hat”, so Dello Sbarba.
Die zahlreichen Probleme, die seine Fraktion damit hat, sind nicht an einer Hand abzuzählen. Auch zwei Hände reichen nicht. Exemplarisch führt Dello Sbarba einige “Paradebeispiele” an, die ihn, Foppa und Heiss dazu führen werden, am Ende der Behandlung im Landtag, gegen den Gesetzentwurf für Raum und Landschaft zu stimmen:
“Es gibt keine Garantie für den Landschaftsschutz”, kritisiert Dello Sbarba. Im Gegenteil, er werde durch das neue Gesetz aufgeweicht: “Das Landesgesetz aus dem Jahr 1970, das aus 34 Artikeln besteht, schützt die Landschaft wesentlich besser. Hier werden nur sieben Artikel dem Landschaftsschutz gewidmet, ansonsten wird er mit Raumordnung vermischt.”
“Alles, was in Verbindung mit ‘landwirtschaftlicher Tätigkeit’ steht, gilt laut Landesgesetzentwurf nicht als Bodenverbrauch”, fährt Dello Sbarba fort. Und die Definition der Siedlungsgrenze, die künftig die Gemeinden im Rahmen eines Gemeindeentwicklungsprogrammes vornehmen, setze die Kommunen einerseits unter “starken Druck” – und andererseits gebe es zahlreiche Ausnahmeregelungen.
In Sachen Tourismus würden dem Wachstum “keine Grenzen” gesetzt, bemängelt Riccardo Dello Sbarba weiter. So werde die im Jahr 1997 eingeführte Höchstgrenze von 229.008 Betten auf Landesebene abgeschafft; Tourismusgebiete könnten außerhalb des Siedlungsgebietes ausgewiesen werden – in bestimmten Fällen auch in touristisch stark entwickelten Gemeinden.
Beim leistbaren Wohnen habe die Landesregierung einen regelrechten “pasticcio” aufgeführt, meint Dello Sbarba. Künftig werde weniger Raum für geförderten Wohnbau zur Verfügung stehen: “Artikel 24 bestätigt die Reduzierung der Fläche, die dem geförderten Wohnbau vorbehalten ist, von den heutigen 60 auf 40 Prozent. Damit werden die derzeitigen Verhältnisse zwischen öffentlichem und privatem Interesse auf den Kopf gestellt!”
Das sei insgesamt die Gangart des Gesetzentwurfes – “leider”, kommentiert Dello Sbarba: “Private Interessen werden über das öffentliche Interesse gestellt.” Aus diesem Grund hätten sich die Grünen auch derart eingehend mit dem Gesetzentwurf und seinem gesamten Entstehungsprozess beschäftigt, nickt Brigitte Foppa. “Es geht um Wesentliches, nämlich um die Frage, wem das Land gehört. Im Gesetzentwurf wird Landsschaftsschutz mit Besitz verbunden, der Ansatz ist: Nur wenn jemand Land besitzt, ist es schützenswert. Da gilt es aufzupassen, denn Land und Landschaftsschutz sind Allgemeingut. Ein gefährlicher Trend, denn die beiden Branchen, die den Gesetzentwurf unterstützen – die Landwirtschaft und der Tourismus, glauben wohl, das Rennen gemacht zu haben. Doch dies führt zu Unmut in der Bevölkerung, die sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass damit das soziale Gleichgewicht aus den Fugen geraten ist.”