wolf
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Società | Fritto Misto

Er ist wieder da

Mahnfeuer, blutrünstige Bilder, griffige Schlagzeilen: Im Land wird Panik gegen den Wolf geschürt. Das wird nichts daran ändern, dass wir ihn nicht mehr loswerden.

Bisher war ich ja der Meinung, die „Dolomiten“-Redaktion habe ihren Sitz am Bozner Weinbergweg. Mittlerweile aber bin ich überzeugt, dass die werten Kollegen irgendwo auf einem Hochplateau oder zumindest in Waldesnähe zusammengepfercht, nur notdürftig von einem Unterstand geschützt, ihrer schreiberischen Tätigkeit nachgehen müssen; anders lassen sich die Schlagzeilen der letzten Zeit nicht erklären. „Dem Wolf auf den Pelz rücken“ hieß es da beispielsweise unmissverständlich am 14. Mai, unterlegt mit einem hübschen Bild von einem eher schlechtgelaunten Isegrim mit entblößtem Kauapparat (nächstes Mal Schnauze doch bitte mit Photoshop blutrot einfärben). Schon tags darauf titelte die „Dolomiten“ händereibend: „Jetzt reicht es auch Kompatscher: Der Wolf wird zur Chefsache“. Zwei Tage lang war dann zumindest auf dem Titelblatt Ruhe, gab es doch Dringlicheres im Weltgeschehen zu vermelden (nackter Mann auf Brennerautobahn! Schnee verhindert Hüttenöffnung!), bis dann vergangenen Samstag vollends auf den Panik-Button gedrückt wurde:  „Wolfsangriffe auf Menschen sind nur eine Frage der Zeit“. Zwar hatte tags zuvor ein tumber Österreicher der Weltöffentlichkeit seine geradezu bestürzende Dummheit zur Schau gestellt, was ebenfalls nur eine Frage der Zeit gewesen war, aber offenbar war das der „Dolomiten“-Redaktion weniger eine Schlagzeile wert als der böse, böse Wolf, dessen fauligen Odem sie zunehmend im Nacken spüren muss, so panisch wie sie titelt.

Mittlerweile aber bin ich überzeugt, dass die werten Kollegen irgendwo auf einem Hochplateau oder zumindest in Waldesnähe zusammengepfercht, nur notdürftig von einem Unterstand geschützt, ihrer schreiberischen Tätigkeit nachgehen müssen; anders lassen sich die Schlagzeilen der letzten Zeit nicht erklären.

Wir Städter können das ja eigentlich nicht ganz nachvollziehen, wie auch die jüngst veröffentlichte EURAC-Umfrage zeigte:  65 % der Befragten stehen dem Wolf „positiv oder neutral“ gegenüber. Kunststück, würde ich sagen. Im Normalfall geht er ja auch nicht unter den Lauben spazieren und auch unserem Wauwau hat er noch nicht das Popscherl weggebissen. Die einzigen tierischen Leichenteile, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, sind jene an der Fleischtheke im Supermarkt ausgestellten, und auch diese lassen dem Großteil der SüdtirolerInnen wohl eher das Wasser im Munde zusammenlaufen als das Blut in den Adern gefrieren. Es ist einfach, zu sagen, dass der Wolf uns nicht stört, wenn er in unserem Alltag keine Rolle spielt, wenn wir eine romantisierte Vorstellung von Wildtieren haben, wenn wir die Vorstellung von Wölfen in unseren Wäldern sogar reizvoll finden: So ein Schnappschuss vom Wolf, das wäre schon was. Würde ordentlich was hermachen auf Facebook. 

Anders sieht es freilich für die Bauern und Züchter aus, die lange Ruhe hatten vor Wolf und Co., und die sich jetzt jederzeit darauf gefasst machen müssen, ihre Tiere , in deren Aufzucht sie nicht nur viel Arbeit sondern auch viel Herzblut investiert haben, als verstümmelte Kadaver vorzufinden. Die Bilder von gerissenen Lämmern und  Ziegen sind schon grausig genug (kann man bitte aufhören, sie zu veröffentlichen?), das Ganze live erleben zu müssen, ist eine Zumutung. Kein Wunder, dass sich unter den Viehhaltern Frust und Wut breitmachen, welche von der „Dolomiten“ mit oben angeführten kalkulierten Kriegserklärungen gegen den Wolf so sorgsam und effizient geschürt werden wie die jüngsten Mahnfeuer im Land, vor denen effektvoll zu posen sich auch ein Herbert Dorfmann nicht zu schade war. Im Hintergrund lodert es, es stieben die Funken, rechts mahnt ein Gipfelkreuz, und mittendrin steht Dorfmann wie ein inquisitorischer Bergprediger und spricht salbungsvolle Worte an die Bauern. „Im Namen der Rose“-Feeling in Südtirol, nur nicht so oscarverdächtig. Vergessen Sie übrigens nicht, am kommenden Sonntag zur Europawahl zu gehen, fällt mit jetzt nur so ganz zufällig dazu ein.

Jedenfalls hat die SVP nun ein an Brüssel und Rom gerichtetes Positionspapier erarbeitet, in dem von  „wolfsfreien“ Südtiroler Berg- und Almgebieten die Rede ist. Die Bauern wird’s freuen – bis es an die Umsetzung geht. Denn wie man eine Landschaft wolfsfrei halten will, die es schon nicht mehr ist und in deren Nachbarländern sich der Wolf auch bereits wieder angesiedelt hat, darauf bin ich gespannt. Wird man, nach Trumpschem Vorbild, eine Mauer um Südtirol errichten? Schilder mit durchgestrichenem Wolfskopf an den Landesgrenzen aufstellen und hoffen, dass der Wolf sich dran hält? Oder eine Wolfsarmee dort positionieren (die Schützen hätten hier eventuell Kapazitäten), die mit Waffengewalt und lautem Gesang dafür sorgt, dass es kein Wolf mehr über die Grenze schafft: „Wolf ist die Welt so groß und weit, drum geh woanders hin“? 

Er singt keine Mussolini-Hymnen im Bozner Gemeinderat, ist nicht verantwortlich für die Misere in der Kleinkindbetreuung und kann auch wirklich nichts dafür, dass weltweit die Temperatur ansteigt. Vergessen wir nicht: Homo homini lupus. Da brauchen wir gar keinen echten dafür.   

Fakt ist, den Wolf werden wir nicht mehr los. Da kann die „Dolomiten“ noch so lange hetzen und wettern: Auch wenn die Bauern mit Fackeln und Knüppeln in die Wälder zögen, wie es ihr offenbar am liebsten wäre, ein wolfsfreies Südtirol ist nunmehr eine Illusion. Was die Viehhalter jetzt brauchen, ist Unterstützung, Information und Zuspruch, keine falschen Versprechungen und Panikmache. Risse wird es immer mal wieder geben, man wird sich daran gewöhnen müssen. Den Wolf deshalb zu dämonisieren, ist fehl am Platz: Er ist ein Wildtier, und als solches nicht hinterhältiger oder grausamer als andere Tiere. Ich bin mir sicher, auch meine verschmuste Hauskatze würde mit Freuden Lämmer reißen, wenn es ihre Physis nur zuließe. Es genügt, sich anzusehen, was sie mit Vögeln, Mäusen und anderem Kleingetier anrichtet: Nicht schön, aber so ist die Natur. Und der Wolf hat nun auch einmal seinen Platz in derselben, ob es uns gefällt oder nicht. Längst ist er nicht an allem schuld, was uns derzeit auf den Magen schlägt, liebe „Dolomiten“: Er singt keine Mussolini-Hymnen im Bozner Gemeinderat, ist nicht verantwortlich für die Misere in der Kleinkindbetreuung und kann auch wirklich nichts dafür, dass weltweit die Temperatur ansteigt. Vergessen wir nicht: Homo homini lupus. Da brauchen wir gar keinen echten dafür.   

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Georg Peintner Gio, 05/23/2019 - 08:27

In risposta a di gorgias

Das ganze, in Leserbriefen und Aussendungen verschriftlichte Für und Wider zum Wolf in Südtirol, alle emotionalen Stellungsnahmen der Befürworter und Gegner, alle stimmungsmachenden Zeitungsartikel könnte man sich nach meinem Dafürhalten sparen, in Anbetracht einer leider wahrscheinlich bewusst unterschlagenen, ausgeblendeten oder vergessenen Tatsache: Ein solches Sauviech hat die Oma vom Rotkäppchen gefressen! Damit erübrigt sich für mich jede weitere Diskussion! Isegrim hat sein Bleiberecht verspielt!

Gio, 05/23/2019 - 08:27 Collegamento permanente
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Hans Hanser Gio, 05/23/2019 - 06:44

Es wurde eh schon erwähnt. Das Thema Wolf ist eine Ablenkung den wahren Herausforderungen aus dem Weg zu gehen. Vergleiche zum Prinzip "wer hat Angst vorm schwarzen Mann?" sind durchaus erlaubt.

Gio, 05/23/2019 - 06:44 Collegamento permanente
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Monika Vikoler Sab, 05/25/2019 - 12:34

Ich bin dafür, dass dieser Artikel per Verordnung einmal pro Monat in allen Medien landauf landab veröffentlicht werden muss. Für ein Jahr. Vernünftig, witzig, gscheid.
Und weniger von der BlaBla-PR verkleidet als journalistische Arbeit.

Sab, 05/25/2019 - 12:34 Collegamento permanente