Società | Brixen

Auf Tauchstation

Offiziell haben die Verantwortlichen in Brixen auf den Eklat um den Nazibademeister schnell reagiert. Doch in Wirklichkeit ist genau das Gegenteil der Fall.
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Foto: Acquarena
Es ist selten, dass ein Artikel so schnell wirkt“, lautet der erste Satz im gestrigen Salto-Artikel über den Bademeister in der Brixner Acquarena, der mit mehreren Nazisymbolen volltätowiert ist.
Am vergangenen Freitag veröffentlichte die Online-Plattform „Brennerbasisdemokratie“ einen Artikel mit dem Titel „Bademeister: Nazi im öffentlichen Dienst“. Darin findet sich das Foto eines Bademeisters, der seit Juni in der Brixner Acquarena seinen Dienst tut.
Auf dem rechten Unterschenkel hat der Mann groß die Odals-Rune tätowiert. Die Odals-Rune ist ein gängiges Zeichen der Neonazis. Auf dem linken Unterschenkel trägt der Rettungsschwimmer hingegen die sogenannte „Wolfsangel“. Ebenfalls eine Rune, war das Schriftzeichen ursprünglich ein SS-Symbol. Heute ist die Wolfsangel unter anderem das Abzeichen des rechtsextremen, ukrainischen Asow-Regiments.
Auf den Unterarmen des Mannes ist jeweils eine große 8 tätowiert. Legt man die Arme zusammen kommt 88 heraus. Die codierte Neonazi-Bezeichnung für den achten Buchstaben im Alphabet: HH steht dabei für Heil Hitler.
 
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Brixner Bademeister: Wandelnder Neonazi
 
 
 
Nach der Veröffentlichung reagierte man in Brixen schnell. Der Generaldirektor der Stadtwerke Brixen AG, die die Acquarena führen, Franz Berretta, erklärte, dass der betreffende Bademeister sofort abgezogen wurde. Der Bademeisterdienst in der Brixner Acquarena wird von der Firma „Security Srl“ aus Rovereto durchgeführt. Bereits am Sonntag – so Berretta gegenüber RAI Südtirol – habe man per E-Mail an die Firma aus Rovereto den Abzug des betreffenden Bademeisters verlangt. Was am Montag dann auch geschehen ist.
Diese schnelle Reaktion der Verantwortlichen auf die Veröffentlichung wurde dann auch im Salto-Artikel als absolut positiv hervorgehoben.
Doch einen Tag später muss man selbstkritisch schreiben: Noch nie, war ein erster Satz falscher als dieser.
 

Über sieben Wochen


Denn das angeblich schnelle Eingreifen der Verantwortlichen ist eine Chimäre. In Wirklichkeit haben die Brixner Politik und die Acquarena-Verantwortlichen über sieben Wochen lang nichts getan. Die Affäre wurde kurzerhand ignoriert.
Das geht aus einem Schriftverkehr hervor, der Salto vorliegt.
Am Abend des 10. Juli 2023 schreibt ein Bürger an die Leitung der Acquarena und an den Brixner Bürgermeister Peter Brunner. In der E-Mail mit dem Betreff „Nazisymbolik im Schwimmbad“ heißt es:
 
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Verantwortliche der Acquarena und der Stadtwerke, 
ich war heute im Freischwimmbad der Acquarena und habe mit Schrecken festgestellt, dass einer der Bademeister ganz offen nazi-faschistische Tätowierungen zur Schau trägt. Besagter Mann hat auf den Unterarmen die Zahl 88 in Frakturschrift tätowiert, was in Neonazikreisen das Chiffre für „Heil Hitler“ ist (zweimal der achte Buchstabe im Alphabet H). Dazu sind auf den Unterschenkeln die Odal-Rune (eines der Symbole der SS und der Hitlerjugend) sowie eine Wolfsangel (ebenfalls Symbol der SS und in Deutschland beispielsweise als Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verboten) zu sehen.
Ich halte es für skandalös, verantwortungslos und inakzeptabel, dass ein Bediensteter eines Schwimmbades, das sich noch dazu in öffentlicher Hand befindet, seine Sympathie für das wohl größte Verbrecherregime der Geschichte, das Millionen Menschen ermorden ließ, für alle sichtbar kundtun kann. Die Funktion eines Bademeisters als Vertrauensperson und die Menschen- und Demokratieverachtung, die diese Symbole zum Ausdruck bringen, sind nicht kompatibel. Ich frage mich auch, was es für einen Eindruck bei internationalen Gästen erweckt, wenn hiesige demokratische Institutionen wie die Gemeinde Brixen als Eigentümerin der Anlage sich mit derartigen „Aushängeschildern“ schmücken.
Mit freundlichen Grüßen
 
brunner
Brixner Bürgermeister Peter Brunner: Wurde bereits am 10. Juli 2023 über die Geschichte per E-Mail informiert.
 
Bereits am nächsten Morgen antwortet die Leiterin der Brixner Acquarena:
 
Vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ich kann Ihre Besorgnis, sowie Ihre Bedenken zur beschriebenen Situation vollkommen verstehen und nachvollziehen. Ihr Feedback ist uns äußert wichtig und ich werde sicherstellen, dass Ihr Anliegen ernsthaft geprüft wird.  
Die Acquarena ist ein Ort des Wohlbefindens und der Erholung und eines unserer vorrangigen Ziele ist es, eine Atmosphäre der Inklusion und Toleranz zu schaffen, in der sich alle Gäste willkommen und respektiert fühlen.
Die Bademeister/innen, welche in der Acquarena beschäftigt sind, sind im Gegensatz zu den anderen Mitarbeitern/innen nicht direkt von uns angestellt. Stattdessen werden sie von einer Drittfirma ausgewählt und den verschiedenen Strukturen zugewiesen. Wir haben keinen Einfluss darauf, welches Personal uns in der Acquarena zugeteilt wird.
Angesichts der oben genannten Werte kann ich Ihnen versichern, dass ich die Drittfirma umgehend über die vorliegende Situation informieren werde und wir werden mit dieser prüfen, ob mögliche Maßnahmen ergriffen werden können.
Bitte zögern Sie nicht, mich bei weiteren Anliegen zu kontaktieren. Wir sind stets bestrebt, unseren Gästen den bestmöglichen Service zu bieten und die Acquarena weiterhin als Ort des Zusammenseins zu gestalten.
Beste Grüße
 
Aus diesem Schriftverkehr wird klar, dass weder der Brixner Bürgermeister noch die Acquarena-Leitung anscheinend Handlungsbedarf gesehen haben. Denn das veröffentlichte Foto wurde sieben Wochen später aufgenommen. Reagiert hat man erst jetzt, nachdem der Skandal durch die Online-Plattform „Brennerbasisdemokratie“ öffentlich gemacht wurde.