Ambiente | Brixner Auwald

„Zu Grabe getragen“

Die Landeskommission für Raum und Landschaft thematisiert heute die Umwidmung der Brixner Auwaldfläche in Industriezone. Umweltschützer und das Team K üben Kritik. Florian Zerzer erklärt das Gutachten: Nur die Hälfte der Fläche soll umgewidmet werden.
Retten wir den Brixner Auwald - Salviamo il bosco ripariale di Bressanone
Foto: Retten wir den Brixner Auwald - Salviamo il bosco ripariale di Bressanone
  • Aus für den letzten zusammenhängenden Auwald des gesamten Eisacktals? Heute befasst sich die Landeskommission für Raum und Landschaft mit der Bauleitplanänderung „Auwald in Gewerbezone“ – damit wird das rund 2,5 Hektar große Waldstück in der Brixner Industriezone Süd endgültig als Industriegebiet ausgewiesen. Das Betonbauunternehmen Progress könne somit die Fläche des Auwalds für seine Expansion in Anspruch nehmen. Dafür wird sie als Ausgleichsmaßnahme das Biotop Millander Au erweitern, das vielerorts als zukunftsträchtigere Naturfläche betrachtet wird. Naturschützer und das Team K sieht mit dem Brixner Auwald jedoch einen über Jahrhunderte gewachsenen Auwald „zu Grabe getragen“, so der Landtagsabgeordnete Franz Ploner – obwohl man ihn durch einen Anschluss an den Eisack hätte retten können. Das Update zum Gutachten der Kommission findet sich in der Infobox.

  • Darüber scheiden sich die Geister

    Für das Team Auwald ist die Sache klar: Der Antrag von WWF Trentino-SüdtirolTeam Auwald und Trifolium auf Ausweisung des Gebiets als „Geschütztes Biotop“ wurde von der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung abgelehnt. Als Begründung führte die Verwaltung an, der Auwald sei im Landschaftsplan der Gemeinde Brixen bereits als Auwald und somit als geschützter Landschaftsteil ausgewiesen, weshalb ein zusätzlicher Schutz als Biotop überflüssig sei.

     

    Mehrfachschutz nicht fachlich begründet

     

    Diese Entscheidung wurde von den Antragsstellern scharf kritisiert. Das Schreiben des Landes sei nicht transparent begründet und inhaltlich nicht nachvollziehbar. Ihr Antrag habe sich ausdrücklich auf eine qualitative Erhöhung des Schutzstatus bezogen, um eine juristische Sperre für jegliche Art von Umwidmung oder Bebauung zu erwirken. Demgegenüber reduziere die Argumentation der Landesabteilung den Schutz auf eine formale Einstufung, ohne den begründeten ökologischen Wert der Naturfläche und die Datengrundlagen zu berücksichtigen.

    In ihrer Erwiderung verweisen die Antragsteller auf eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Gutachten – unter anderem jene der Firma Revital (2021), der Abteilung 28 (2023), des Amtes für Natur (2023) sowie der Biologin Francesca Brentazzoli (2025) –, die den Auwald als hochwertigen Naturraum einstufen. Dass die Landesabteilung den Antrag dennoch als „nicht fachlich begründet“ ablehnt, halten die Initiatoren für widersprüchlich.

  • Kompensation: Der Kompensationsmaßnahme sieht vor, dass die Millander Au um eine mindestens gleich große Fläche, wie sie der Brixner Auwald umfasst, erweitert wird. Dazu sollen Baumflächen des Waldes um das neue Gewerbegebiet erhalten bleiben. Foto: Progress
  • Die Umweltgruppe Hyla Eisacktal – die in einem öffentlichen Schreiben im Jahr 2018 noch eine konträre Position vertrat – und Teile der Gemeindeverwaltung vertreten einen pragmatischeren Zugang. Sie verweisen darauf, dass der Auwald bereits stark degradiert und isoliert sei, umgeben von Straßen und Industrieanlagen sowie ohne ausreichende Wasserzufuhr. Sein Ende sei daher ökologisch betrachtet nur eine Frage der Zeit. Statt auf einen aussichtslosen Erhalt zu setzen, befürworten sie die Ausgleichsmaßnahme, die von der Firma Progress. Der Großteil des Auwalds würde nämlich für die Expansion des Betonbauunternehmens gerodet werden. Dafür schlägt das Unternehmen allerdings die die Erweiterung des Biotops Millander Au vor, das als neues Refugium der Artenvielfalt dienen könne. Eine Maßnahme, die ebenfalls von Studien unabhängiger Institute untermauert werde.

  • Anschluss an den Eisack?

    Die Kontroverse ist anhand einer Diskussion unter der Landtagsanfrage der Grünen im Jahr 2022 zum Brixner Auwald gut nachvollziehbar. Der Schlagabtausch entbrannte zwischen Hanspeter Staffler, dem Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz und ehemaligen Landtagsabgeordneten der Grünen (bis 2023), sowie dem Umweltschützer Franz Pattis und der Tierschützerin Petra Steiner. Während Franz Pattis, Initiator des „Team Auwald“, den Grünen vorwarf, den Schutz des letzten Auwaldes im Eisacktal zugunsten eines „faulen Deals“ aufgegeben zu haben, verteidigte Staffler eine pragmatischere Linie. Der Auwald sei, so seine Argumentation, ökologisch stark geschwächt, räumlich isoliert und funktional kein echter Auwald mehr, da weder Flutungen noch Grundwasseranbindung bestünden. Die geplante Erweiterung der Millander Au habe sowohl „räumlich als auch ökologisch-funktional sehr viel mehr Potenzial“ und könne zu einem stabilen Feuchtlebensraum heranwachsen. „Damit wäre dem Naturschutz weit mehr gedient!

     

    „Der Auwald Brixen kann sehr wohl an den Eisack angebunden und überflutet werden, wenn man dies will.

     

    Pattis und die Geisteswissenschaftlerin und Tierschützerin Petra Steiner widersprachen entschieden: „Eine Ausgleichsfläche mit Grundwasserteichen hat niemals dieselbe ökologische Wertigkeit wie ein gewachsenes Habitat. Die Arten der Roten Liste im jetzigen Auwald werden ihr Habitat verlieren und keinen entsprechenden Ersatz in der Ausgleichsfläche finden. Laubbaumriesen kann nur die Natur produzieren und dazu braucht es lange Zeiträume“, so Steiner. Der Brixner Auwald sei trotz seiner Lage ein einzigartiger Naturraum, der Lebensraum für gefährdete Arten wie den Kleinspecht bietet. „Bis ein neu gepflanzter Baum in der Millander Au zum Brüten bereit ist, vergehen sicher an die 30 Jahre. Den Kleinspecht wird es bis dahin eh nicht mehr geben“, so Pattis. Die Naturschützer argumentieren weiter, dass laut Fachleuten die technische Möglichkeit bestehe, den Auwald durch ein Rohr mit dem Eisack zu verbinden und zu renaturieren, wie Pattis vorschlägt.

    Auch der Team-K-Abgeordnete Franz Ploner bekräftigt, dass mit der heutigen Umwidmung zur Gewerbegebietsfläche der „Brixner Auwald zu Grabe getragen wird“. Dabei beruft er sich auf ein Argument der Naturschützer: „Der Auwald Brixen kann sehr wohl an den Eisack angebunden und überflutet werden, wenn man dies will. Dadurch ist der Erhalt des Auwaldes langfristig auch gesichert.“ Dabei sei die Argumentation der Umweltgruppe Hyla nicht nachvollziehbar: „Man kann nicht Ausgleichsmaßnahmen für das geschützte Auwaldgebiet fordern, das sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Wir sind verpflichtet, beide Areale zu schützen.“ Die Millander Au sei ein eigenes Naturschutzgebiet, welches durch Ausgleichsmaßnahmen und anhand von Umweltgeldern erweitert werden könne, so Ploner.

  • Update zum Gutachten der Kommissionssitzung vom 23. Oktober, 14:00 Uhr.

    In der Sitzung der Landeskommission für Raum und Landschaft wurde am Donnerstag das Gutachten für den Brixner Auwald, die als Kompromiss zwischen Naturschutz und wirtschaftlichem Interesse bewertet wird. Wie der Direktor der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung Florian Zerzer erklärt, wurde nicht die ursprünglich beantragte gesamte Fläche des Brixner Auwaldes für die Erweiterung der Firma Progress im Gutachten für die Umwidmung freigegeben. Stattdessen stimmte die Kommission dafür, etwa die Hälfte der betroffenen Fläche umzuwidmen. Davon soll lediglich ein kleiner Teil tatsächlich Auwald sein, der Rest Wiesenfläche. Der verbleibende Teil des Areals soll als geschützter Landschaftsteil bestehen bleiben.

    Der Bürgermeister von Brixen habe dem Vorschlag zugestimmt, der Gemeinderat müsse nun formell entscheiden, ob er die Auflage übernimmt oder auf der ursprünglichen, umfassenderen Umwidmung beharrt. Ursprünglich wollte die Gemeinde die gesamte Auwaldfläche in Gewerbegebiet überführen, so Zerzer.

    Die Firma Progress stelle dennoch die gesamte Ausgleichsfläche bei der Millander Au zur Verfügung, um das Biotop zu erweitern.