Cultura | Lesung

Lauschen in Lana

Die Schriftstellerin Iris Wolff war mit ihrem Bestseller bei "Literatur Lana" geladen. Im Mai kommt sie wieder nach Südtirol. Ein Rückblick als Vorgeschmack.
Iris Wolff
Foto: Maximilian Gödecke
  • „So tun, als ob es regnet“, entgegnet Iris Wolff im Vorgespräch zu ihrem Besuch bei Literatur Lana am vergangenen Freitag auf die Frage, welches ihrer fünf Bücher ihr wohl den tatsächlichen Durchbruch beschert habe. „So tun, als ob es regnet“, erzählt sie dann am Abend vor versammelter Runde in der Bibliothek Lana, sei eigentlich die Übersetzung des rumänischen Sprichworts Se face că plouă und meine im übertragenen Sinn: jemand gibt vor, er oder sie habe etwas vergessen oder erst gar nicht richtig gehört oder wahrgenommen – gemeint ist eine möglichst überzeugend vorgebrachte Täuschung innerer Versunkenheit. Dieser Roman in vier Erzählungen erschien 2017 und steht in der Mitte der bisher fünf erschienenen Bücher der Autorin, die gerade auf Lesereise auch in Lana Halt machte. Anfang Mai wird sie wieder anreisen, um dann im Kreis ausgewählter Autorinnen und Autoren bei den seit vergangenem Jahr angebotenen Hotel-Lesungen in der architektonisch leicht verunstalteten Tourismushochburg Dorf Tirol aus ihrem neuen Roman Lichtungen zu lesen. Auch Lichtungen hat mit „Mitte“ zu tun. 

  • Foto: Klett-Cotta

    Sie habe den Roman aus der Mitte heraus konzipiert, ohne über Anfang und Ausgang Bescheid zu wissen, erzählte sie in Lana Moderatorin Christine Vescoli. Im Lauf der Schreibarbeit habe sie sich dann vorgetastet. Herausgekommen ist ein Roman, der sich im Rückwärtsgang nach vorne (und in die Vergangenheit) schreibt und – wie ihre bereits zuvor erschienenen Bücher – in die Herkunftsgegend der Autorin nach Rumänien führt. In Hermannstadt wurde Iris Wolff im Sommer 1977 geboren und lebte – der Vater ist Pastor – mit der Familie in Semlac. Die Mehrheit dort spricht Rumänisch. Im Dorf, das an mehreren Grenzen liegt, leben auch Minderheiten: Deutsche, Ungarn und Roma. Mitte der 1980er-Jahre ziehen die Wolffs nach Deutschland. Iris studiert Germanistik und Religionswissenschaften, widmet sich der geliebten Kunst, macht Ausstellungen und arbeitet über mehrere Jahre für das bekannte Deutsche Literaturarchiv in Marbach. Im Jahr 2012 legt sie mit Halber Stein ihren Debütroman vor. Er führt in eine Gegend, wo die alteingesessene deutsche Minderheit noch überlieferte Ausdrücke wie „Hetschepetsch“ für Hagebutte verwendet – wie übrigens auch in Teilen Südtirols (etwa entlang der ähnlich tönenden Etsch).
     

    Am Ende wurde glücklicherweise nicht ab-, sondern aufmerksam zugehört.

  • Mikro an, Mikro aus: Literarischer Lauschangriff bei Literatur Lana. Foto: SALTO

    Während die in Siebenbürgen geborene, im Banat aufgewachsene und heute in Freiburg lebende Schriftstellerin beispielsweise im benachbarten Bulgarien bekannter ist, als in ihrem Geburtsland Rumänien, wird sie mittlerweile auch in Italien gern gelesen. Übersetzt ins Italienische wurde bisher La sfocatura del mondo bei Rizzoli als Übersetzung von Die Unschärfe der Welt. Auch ihr jüngster Roman Lichtungen wird bald bei einem italienischen Verlag erscheinen und über die vielen Hintergründe eines sich wandelnden Europas erzählen. Erst seit einem Jahr auf dem Buchmarkt, erklomm Lichtungen bereits mehrere Bestsellerlisten und liegt mittlerweile in der 11. Auflage vor.

    Nur mit dem "passenden Ton" wollte es in Lana nicht klappen. Für Iris Wolff war das „launische Mikro“, das sich sehr eigenmächtig manchmal einschaltete, manchmal ausschaltete, nach dem x-ten Anlauf zu viel des Guten. Das Mikro wurde beiseitegestellt. Das akustische Laut-leise-Szenario hatte einen lauschigen Hauch von Securitate, Ceaușescu, Herta Müller und Oskar Pastior. Und so wurde am Ende glücklicherweise nicht ab-, sondern aufmerksam zugehört. Se face că plouă