Economia | SAD

Die Millionenstrafe

Die Antitrust-Behörde hat die SAD AG zu einer Geldstrafe von 1.147.275 Euro verurteilt. Gatterer & Co haben mutwillig und bewusst die Ausschreibung des Landes behindert.
Ingemar Gatterer
Foto: Salto.bz
Ganze 67 Seiten lang ist das Dokument der „Autorità garante della concorrenza e del mercato“ (AGCM). Es ist nicht nur das Protokoll der entscheidenden Sitzung der staatlichen Wettbewerbsbehörde vom 10. April 2019, sondern auch das Abschlussdokument eines offiziellen Ermittlungsverfahrens, das vor 15 Monaten gegen die SAD AG eröffnet wurde.
Auf der vorletzten Seite des Dokuments findet sich ein Beschluss, der von der Präsidentin der AGCM Gabriella Muscolo und vom Generalsekretär Filippo Arena unterzeichnet ist.
Der Beschluss ist mehr als nur ein verspätetes faules Osterei für das Südtiroler Nahverkehrsunternehmen und seinem Hauptaktionär Ingomar Gatterer.
In dem Beschluss heiß es:
 
„che la società SAD - Trasporto Locale S.p.A. ha posto in essere un abuso di posizione dominante contrario all’articolo 102 del TFUE, consistente nel ritardo e rifiuto di fornire informazioni necessarie ai fini della realizzazione della procedura competitiva per il nuovo affidamento die servizi di trasporto pubblico extraurbano di passeggeri su gomma;
che, in ragione della gravità e durata delle infrazioni alla società SAD — Trasporto Locale S.p.A. venga applicata una sanzione amministrativa pecuniaria complessiva pari a 1.147.275 milioni di euro.
 
 
Es ist eine saftige Strafe für die SAD AG, die nach dem Beschluss innerhalb von 90 Tagen bezahlt werden muss.
 

Die Anzeige

 
Der Beschluss ist auch das Urteil im Verfahren „Nr. A516 - Gara Trasporto Pubblico Locale nella Provincia Autonoma di Bolzano“. Seit Jänner 2018  ermittelte die oberste staatliche Wettbewerbsbehörde nach einer Eingabe des Landes gegen das Südtiroler Nahverkehrsunternehmen.
Ausgangspunkt für die Ermittlungen der staatlichen Wettbewerbsbehörde war eine typische Gatterer-Aktion. Im Sommer und Herbst 2017 ersucht das Land die SAD AG, den zuständigen Ämtern verschiedene Dokumente und Informationen zur Verfügung zu stellen, die das Land für die Vorbereitung der für 2018 geplanten europäischen Ausschreibung der Südtiroler Nahverkehrsdienste braucht.
Trotz mehrmaliger Aufforderung und Nachfrage weigert sich die SAD aber die Dokumente und Informationen zu liefern. „Es handelt sich um Betriebsgeheimnisse“, erklärte die Unternehmensführung dem Land lapidar.
 
 
Die Landesverwaltung erstattete daraufhin am 14. November 2017 Anzeige bei der AGCM wegen „Behinderung und mutwilliger Verschleppung einer öffentlichen Ausschreibung“. Weil die Vorhaltungen des Landes nicht unbegründet erscheinen, eröffnet die Antitrust-Behörde am 17. Jänner 2018 ein Verfahren gegen die SAD.
Am 25. Jänner 2018 statten Beamte der Finanzwache dem Unternehmenssitz der SAD AG einen überraschenden Besuch ab. Auf Anordnung der AGCM wird beim Südtiroler Nahverkehrsriesen eine Inspektion durchgeführt. Die Antitrust-Behörde verlangt die Aushändigung aller Unterlagen zur geplanten Ausschreibung des Südtiroler Personennahverkehrs.
Berichterstatter im Verfahren ist Michele Ainis, Verfassungsrechtler, Professor für öffentliches Recht und einer breiten Öffentlichkeit als Kolumnist von „La Stampa“, „Sole 24 Ore“, „Corriere della Sera“ und „Espresso“ bekannt. Ainis ist seit zweieinhalb Jahren einer von drei Schiedsrichtern in der staatlichen italienischen Antitrust-Behörde.
 

Die Ermittlung

 
Im Laufe des Verfahrens kommt es zu mehreren Anhörungen beider Parteien in Rom. Sowohl das Land wie auch die SAD AG, die sich dabei von der internationalen Rechtskanzlei „fieldfisher“ vertreten lässt, hinterlegen im Lauf des Jahres 2018 über ein Dutzend Schriftsätze, Dokumente und Beweisstücke.
Die Hauptargumentation des Landes: Die SAD AG habe durch fadenscheinige Argumente die Herausgabe wichtiger Daten verweigert. Selbst während des Ermittlungsverfahrens sei dieses Verhalten fortgesetzt worden.
Die Gegenargumentation von Ingomar Gatterer & Co: zum einen seien die Daten Betriebsgeheimnisse, zum anderen wäre die Landesverwaltung bereits im Besitz der angeforderten Daten und Dokumente gewesen.
Die AGCM zeichnet anhand aller Dokumente und des Schriftverkehrs zwischen Land und SAD AG in ihren Ermittlungsverfahren jeden Schritt detailliert nach. Im Bericht wird auch die gesamte Geschichte um die Ausschreibung, die Auskunft des Amtes im Hinblick auf die Teilnahme der LIBUS, die Veröffentlich des internen Mail-Verkehrs durch Josef Gatterer und schließlich die Annullierung der Ausschreibung im Selbstschutzweg durch die Landesregierung minutiös dargestellt.
Im Abschlussbericht seziert die staatliche Wettbewerbsbehörde die gesamte Angelegenheit in insgesamt 250 Punkten. Die AGCM-Ermittler kommen dabei zu einem überaus klaren Resümee: Das Verhalten der SAD AG sei in mehreren Punkten widerrechtlich und wettbewerbsverzerrend gewesen.
 
 
Die staatliche Kartellbehörde gibt der Südtiroler Landesverwaltung in allen Punkten Recht. Die Schlussfolgerungen im Bericht sind ein vernichtenden Zeugnis für Ingemar Gatterer & Co.
Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die Rechtfertigungen der SAD für dieses Verhalten absolut fadenscheinig und unhaltbar sind. Die Behörde geht von einer „bewussten Ver- und Behinderungsstrategie“ der SAD gegenüber der Landesverwaltung aus;
Keiner der Handlungen sei entschuldbar, und die SAD AG habe in mehreren Punkten ein eindeutig wettbewerbsverzerrendes Verhalten („condotta anticoncorrenziale“) an den Tag gelegt.
Deshalb kommen die staatlichen Wettbewerbshüter auch zu einem klaren Urteil.
Neben der saftigen Geldstrafe steht im Beschluss der Kartellbehörde auch eine Aufforderung, die ein klarer Wink mit dem Zaunpfahl ist:
 
„che la società SAD —- Trasporto Locale S.p.A. si astenga in futuro dal porre in essere comportamenti analoghi a quelli oggetto dell’infrazione accertata“.
 
Die SAD AG hat jetzt 60 Tage Zeit gegen die finanzielle Watschn aus Rom beim Verwaltungsgericht Latium Rekurs einzulegen.
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Richter Peter Ven, 04/26/2019 - 08:02

Die Causa Gatterer und SAD gehört aufgeklärt. Auch die Landesverwaltung muss Klarheit und Transparenz schaffen. Die aktuelle Situation ist ein enormer Schaden für den öffentlichen Verkehr in Südtirol, da seine Entwicklung gebremst und manipuliert wird.

Ven, 04/26/2019 - 08:02 Collegamento permanente