Wenn die Gondeln Filme tragen
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Im Kampf um das bedeutendste Filmfestival der Welt scheint Cannes weiterhin nicht zu schlagen, auch wenn es Jahr für Jahr dieselben erwartbaren Vorbehalte und Beschwerden über das Programm gibt. Venedig steht klar auf Platz Zwei in Sachen Relevanz, während sich die Berlinale mit dem dritten Platz zufriedengeben muss. Unter der Leitung von Alberto Barbera wird am Lido vom 28. August bis zum 7. September 2024 wieder das Kino aus aller Welt gezeigt. Besonders das US-amerikanische hat seit einigen Jahren einen festen Platz im Programm, und öfters auch unter den Preisträgern. Allein in den letzten zehn Jahren waren fünf amerikanische Produktionen Sieger des Goldenen Löwen. Oftmals gilt das Festival deshalb auch als Vorprogramm zu den Oscars, Filme wie Poor Things, The Shape of Water oder Joker räumten ein halbes Jahr später nochmal ordentlich ab. Und Joker bringt uns direkt zum diesjährigen Programm, denn in dem läuft die Fortsetzung des 2019 erschienenen ersten Teils. Wieder wird Joaquin Phoenix in der Titelrolle zu sehen sein, dieses Mal an seiner Seite: Lady Gaga als Harley Quinn, unter der Regie von Todd Phillips. Der Italiener Luca Guadagnino hat bereits seinen nächsten Film fertig, nämlich Queer mit Daniel Craig in der Hauptrolle. Challengers, der letzte Film des Regisseurs, hätte bereits 2023 in Venedig laufen sollen, es kam aber anders. Guadagnino hat den Löwen noch nicht, ist aber aktuell ein großes Aushängeschild des italienischen Kinos, wenngleich die meisten seiner Filme durch amerikanische Produktionen entstehen. Vielleicht bekommt er den Preis dieses Jahr.
Ein weiterer bekannter Name des europäischen Kinos ist Pedro Almodóvar, der mit Tilda Swinton The Room Next Door gedreht hat, seinen ersten Spielfilm in englischer Sprache. Der Australier Justin Kurzel konnte in der Vergangenheit vor allem mit bildgewaltigen, wenngleich auch eher durchwachsenen Werken aufwarten – The Order heißt sein neuer Film, ein Thriller, der von einer Terroristengruppe erzählt. Biographisch geht es bei Pablo Larraín zu, im Grunde so wie auch in seinen Filmen Jackie und Spencer, bloß erzählt er in Maria nicht von First Ladys, sondern von der Opernsängerin Maria Callas, gespielt von Angelina Jolie. Insgesamt finden sich 21 Filme im Wettbewerb.
Außer Konkurrenz werden neue Filme von Alice Rohrwacher (Lazzaro Felice) und Harmony Korine (Spring Breakers) gezeigt. Tim Burton kehrt mit der Fortsetzung seines Kult-Films Beetlejuice zurück, und eröffnet damit das Festival. Aus Japan kommen neue Filme von Takeshi Kitano (Battle Royale) und Kiyjoshi Kurosawa (Cure). Kevin Costner beehrt das Publikum in Venedig mit gleich zwei Filmen, nämlich den ersten beiden Episoden seines auf vier Filme angelegten Großwerks Horizon: An American Saga, ein Western-Epos.
Serien von Alfonso Cuarón und Thomas Vinterberg werden ebenso gezeigt wie ein neuer Kurzfilm von Nicolas Winding Refn. Mit dem Programm Orizzonti, in dem vor allem experimentellere Werke gezeigt werden, den Kurzfilmen und den restaurierten Klassikern ist Venedig wieder voller (möglicherweise) interessanter Beiträge, die Besucher*innen bei der Stange halten werden.
Jurypräsidentin der Wettbewerbs-Jury ist in diesem Jahr Isabelle Hubert. Die Französin leitet die Jury, in der unter anderem der Italiener Giuseppe Tornatore, die Deutsche Julia von Heinz, die Polin Agnieszka Holland oder der US-Amerikaner James Gray sitzen. Gray und Huppert sollen sich bereits 2009, als sie gemeinsam in der Jury von Cannes saßen, in die Haare geraten sein.
Ein Preis steht bereits fest: Die Ehren-Löwen erhalten Alien-Hauptdarstellerin Sigourney Weaver und der Regisseur Peter Weir (Truman Show). Ab dem 28. August darf dann am Lido wieder geschaut, gestaunt, sich aufgeregt werden. Hoffentlich wird es ein sicherheitstechnisch ruhiges, doch cineastisch turbulentes Jahr in Venedig.
Weitere Infos zum Festival gibt es auf der offiziellen Website.