Tiroler ÖVP muss zittern
2013 ist ein Superwahljahr in Österreich: Vor den Nationalratswahlen im Herbst stehen jetzt die Landtagswahlen in Tirol und Salzburg an, Niederösterreich und Kärnten haben bereits gewählt. Auf der Seite der aktuellen österreichischen Wahltermine sticht folgendes Platon-Zitat ins Auge: "Diejenigen, die zu klug sind, um sich in der Politik zu engagieren, werden dadurch bestraft werden, dass sie von Leuten regiert werden, die dümmer sind als sie selbst."
Lieber dumm als bestraft?
Für die Landtagswahlen 2013 haben sich so viele Listen wie noch eingetragen: elf Wahlbündnisse im Vergleich zu den sieben bei den letzten Wahlen 2008. Darunter das Tirol-Team um Frank Stronach, das nach internen Rangeleien doch nur mit einer einzigen Liste kandidiert oder die Tiroler Piratenpartei mit fünf Kandidaten, die ihren Themenkatalog mit dem Ruf nach einem gläsernen Landhaus eröffnen. Der Liste Fritz-Bürgerforum Tirol prophezeien Kenner ein weniger gutes Abschneiden als bei der Landtagswahl 2008, wo sie auf Anhieb 18,5% erreicht hat.„Fritz Dinkhauser wird als Aushängeschild wohl nicht mehr zur Verfügung stehen“, meint der Tiroler Journalist Benedikt Sauer, „er ist gesundheitlich angeschlagen und hat sich symbolisch als Letzter auf die Liste reihen lassen. Außerdem ist dem Bürgerforum der Klubobmann abhanden gekommen, Bernhard Ernst starb im Dezember an einem Herzinfarkt.“
Abspaltungen innerhalb der Volkspartei
Eigentliches Wahlkampfthema war diesmal jedoch die neue Schwäche der ÖVP. Während innerhalb der Südtiroler Volkspartei von Abspaltungen nur theoretisch die Rede ist, werden diese nördlich des Brenners konsequent umgesetzt. So hat die langjährige ÖVP-Politikerin Anna Hosp nun ihre eigene Liste „Vorwärts“ gegründet. „Sie ist ein wichtiger Kopf innerhalb der Partei, war lang Büroleiterin bei den Landeshauptleuten Eberle und van Staa, hat dann als Parteisekretärin und schließlich als Landesrätin Karriere gemacht. Günther Platter wollte sie nicht in seiner Landesregierung, deshalb kann die Hosp-Liste jetzt durchaus als Revanche-Aktion gesehen werden.“ Benedikt Sauer gesteht dem „Vorwärts“ Bündnis gute Chancen zu, denn auch die Innsbrucker Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer sei unterstützend mit dabei.
Italienische Verhältnisse
Bedrängt von den Neugründungen und möglichen Bündnissen, sah sich Landeshauptmann und ÖVP-Chef Günther Platter genötigt, vor dem politischen Chaos zu warnen. So zeigt das frischgedruckte Wahlplakat seiner Partei Silvio Berlusconi in einem Fiat 500er, der gegen die Wand fährt. Bei der italienischen Botschaft in Wien gingen deswegen bereits Beschwerden ein.
Themen
Die Themen des Tiroler Wahlkampfs drehten sich um Wohnpolitik und die relativ hohen Lebenshaltungskosten. „In Tirol arbeiten viele im Tourismus und im Gastgewerbe,“ sagt Benedikt Sauer, „da gibt es keine hohen Löhne.“ Wertvoller Baugrund ist knapp im Gebirgsland Tirol und wenn vorhanden, dann teuer.
Die Verkehrspolitik, eines der wichtigsten Themen im Transitland Tirol haben Fritz Gurgiser und sein Team für sich gepachtet: „Allerdings treten sie im Ton etwas gemäßigter auf wie noch vor Jahren“, sagt Sauer „und widmen sich mehr und mehr den sozial brisanten Themen, wie den neuen „working poor“, jenen Arbeitnehmern die mit ihrem Gehalt kaum über die Runden kommen.
„Es könnte sein,“ so Journalist Sauer, „dass die ÖVP diesmal tatsächlich ihre 2/3-Mehrheit verliert, besonders da sich andere Parteien so gut aufstellen.“ Parteien wie die in Tirol traditionell starken Grünen, die diesmal zwei Frauen, Ingrid Felipe und Christine Baur nach vorne schicken und ein zweites Mandat erobern wollen.
Stiefkind
"Nordtiroler Landtag"? Das wird die Osttiroler nicht freuen.
Interessanter Artikel. Sagen
Interessanter Artikel. Sagen wir es einmal so. Für Viele sind die zugeben recht guten Erfolge der ÖVP langweilig geworden und ich denke mal die anderen Listen(und da denke ich vor allem an die Grünen und Stronach) könnten recht gut abschneiden. Das richtige Plakat stammt eindeutig von der ÖVP; denn wer Polemiken erntet und etwas zu provozieren vermag hat alles richtig gemacht. Persönlich finde ich es aber nicht gut wenn man mit Negativbeispielen Wahlkampf betreibt; ganz gleich wie man zu Berlusconi stehen mag. Die Gefahr daß die ÖVP die Mehrheit verlieren könnte ist real; aber nicht weißgott wie größer als das letzte Mal. Bei FPÖ und Dinkhauser ist die Luft draußen; und ob Andere diese Lücke schließen können? Ich weis es nicht. In Südtirol ist das Interesse an den Nordtiroler Wahlen versus Null. In meinem Arbeitsumfeld ernte ich nur Fragezeichen; dort weis man nicht einmal daß die dort stattfinden; und auch nicht wer in Innsbruck gerade als Landeshauptmann residiert. Ironischerweise weis man vom politischen Österreich als Gesamtstaat mehr als von den Nordtiroler Lokalbrüdern. Da bleibt für die Politik noch viel Arbeit.
In risposta a Interessanter Artikel. Sagen di Martin Geier
Da hatte ich vor kurzem
mit einer Freundin darüber diskutiert. Sie "fühlt" da etwas, nach Tirol hinaus, eine (undefinierbare) "Verbindung", im Gegensatz zu mir. Bei mir ist da, objektiv: Nichts. Obwohl ich in einem Ur-Südtiroler Umfeld aufgewachsen bin. Und ich gehöre natürlich auch zu der von dir beschriebenen Gruppe "Fragezeichen". Diese Wahl interessiert mich nicht mehr und nicht weniger als jede andere Wahl im mehr oder minder "Umfeld" auch. Muss ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben? Bin ich jetzt keine gute Südtirolerin (mehr)?
In risposta a Interessanter Artikel. Sagen di Martin Geier
langweilig
@ martin g.
es ist ein wenig komplexer als langeweile.
in stichworten geht es wohl eher um
- agrargemeinschaften (im prinzip beinahe das hauptproblem hinter der ganzen geschichte) und platters "koalition" mit den bauern
- der umgang mit hosp damals und im weitesten sinne auch mit eberle (beide außerfern)
- der innsbruck-konflikt (der bereits unter van staa begonnen hat) und unter platter eskaliert ist (stichwort oppitz-plörer)
mit dinkhauser wirst du recht haben. die haben sich selbst zerfleischt. wenn stronach tatsächlich viele stimmen bekommt (was durchaus möglich ist), versteh ich allerdings die welt nicht mehr.
In risposta a langweilig di Harald Knoflach
Nun gut...
Nun gut. Nehme einmal an daß Deine politische Preferenz die Tiroler Grünen sind. Die können wirklich was reißen. Aber ich denke mal auch Stronach könnte etwas erreichen. Wo sollen die heimatlosen Proteststimmen(Dinkhauser und FPÖ im Sinkflug) auch hingehen? Denke einmal kaum daß die zu den Grünen wandern werden; eher bleiben sie zuhause. Die Hauptfrage ist allerdings wie die ÖVP abschneiden wird. Mir ging es in meinem Kommentar eher aufzuzeigen wie gering das Interesse(sowohl der Medien als auch der Bürger) an den Tiroler Wahlen in Südtirol ist. Frau Rier hat recht. Da braucht sich kein Südtiroler 'schuldig' zu fühlen. Es ist im wesentlichen ein Versäumnis der Politik die die Euregio eher als Feigenblatt nutzt als deren reale Möglichkeiten auszuschöpfen.
In risposta a Nun gut... di Martin Geier
wählerströme
nach dem chaos mit den drei listen, auf denen quasi nur opportunisten sind (von denen ich sogar den einen oder anderen persönlich kenne), würde mich ein erfolg von stronach extrem erschrecken. obwohl er tatsächlich möglich ist.
ich denke, dass viele zu "vorwärts tirol" und nicht zu stronach abwandern (ich hoff's zumindest). deren angebot ist viel seriöser und mit hosp, oppitz-plörer und lindenberger haben sie einen mix, der viele anspricht (von sozis - lindenberger war ja mal spö - bis zu konservativen und liberalen). zudem sind die drei politiker, die sich (noch) keine großen böcke geleistet haben.
die grünen sind in tirol immer ein gutes und notwendiges korrektiv. wenngleich sie personell im moment nicht wirklich gut sind.
zum zweiten teil deines postings erntest du meine zustimmung.
Wie kann uns das nicht interessieren ?
Also ich kann nicht verstehen, wie uns, die wir so gegen Rom, gegen Europa und sonst noch etwas wettern, wie uns die Wahlen in Nord/Osttirol nicht kümmern sollten? Fühlen wir uns überhaupt noch irgendwo hingezogen und sind wir aus Prinzip für Abgrenzung gegen alles? Diese Wahlen sind auf jeden Fall wichtiger für unsere Südtiroler Entwicklung, als so eine belanglose SVP Vorwahlen-Farce. Ich hatte die Tage gezählt, bis sich diese Wahl bei Salto ein Thema wird. Immerhin am Vortag endlich!
Außerdem finde ich es interessant, wie eine Volkspartei über so viele Jahre absolute Mehrheiten bekommen kann, ohne dass die Minderheitsuntergangsstimmung dafür herhalten muss. Auch die Abspaltungsmechanismen der Tiroler ÖVP, das Phänomen der Populismusparteien bis hin zu dem Trend zum Multiparteiensystem, das letztendlich doch mehr Bürger an der Politik beteiligen lässt, all das sollte uns doch eine Lehre sein, ob positiv oder nicht, dahingestellt.
Es wird ein spannender Tag, morgen.
Artikel...
Ein recht interessanter Artikel mit dem Politologen Ferdinand Karlhofer:
http://www.tageszeitung.it/2013/04/28/packt-es-platter/
Für Österreich kommen aber die interessanten Nationalratswahlen erst im Herbst. Das Land steht wegen des meines Wissens in der Verfassung garantierten Bankgeheimnisses stark unter Druck. Da man in der EU seit der Zypernkrise erkannt hat welche Gefahren von Steueroasen(Österreich hat wegen des Bankgeheimnisses einen solchen zweifelhaften Ruf) ausgehen können, versucht man nun diesen Sumpf langsam trockenzulegen. Hoher Druck wird dabei besonders von Frankreich ausgeübt. Österreich Bankgeheimnis bröckelt; das für Ausländer ist praktisch bald weg. Das wird in Zukunft bsw. dem italienischen Fiskus ermöglichen genauer hinzusehen; was einige Südtiroler nicht besonders freuen dürfte. Das wird mA eines der Themen der Nationalratswahlen sein. Im ganzen Themenkreis Österreich und die EU ist das Bankgeheimnis der größte Brocken; und gleich wie die Neutralität ein höchst emotionales Thema. Über dem Ganzen schwebt wie in D die Frage wie sich die EU und insbesondere die €Zone weiterentwickeln werden.
In risposta a Artikel... di Martin Geier
du übertreibst
ad bankgeheimnis: dieser käse ist bald gegessen und wird sicher nicht "der größte brocken" bei der nationalratswahl. das thema ist auch lange nicht so emotional wie die neutralität. die entanonymisierung des sparbuches wurde von den österreichern locker hingenommen. ähnlich wird es nun mit der änderung des bankgeheimnisses auf eu-niveau sein. vom bundeskanzler abwärts schämen sie mehr menschen für fekter als ihr die stange halten.
http://www.orf.at/stories/2179194/
In risposta a du übertreibst di Harald Knoflach
mag sein; aber...
Mag sein; aber es ist nur deshalb so weil es die Österreichischen Staatsbürger nicht betrifft und sich die EU bereits mit einem bereits vor Jahren erreichten Teilerfolg begnügt. Das Verhältnis EU-Österreich wird aber eines der Hauptthemen sein; der Rest könnte davon abhängen wie die Verhandlungen zwischen EU und Österreich weiter verlaufen werden.
In risposta a mag sein; aber... di Martin Geier
kein sonderfall
ich bin überzeugt, dass die abneigung, gegen reiche steuerbetrüger größer ist, als die sentimentale affinität zum bankgeheimnis. wie gesagt, die "heilige kuh" sparbuchanonymität wurde ganz locker geopfert. das bankgeheimnis tangiert die österreicher kaum und ist nicht teil der "österreichischen seele". selbst wenn auch das geheimnis für inländer fallen würde - was es aller voraussicht nach eh nicht tut.
"Das Verhältnis EU-Österreich wird aber eines der Hauptthemen sein" - das ist jetzt nun wahrlich nicht prophetisch. sag mir bitte ein europäisches land, in dem das im moment nicht der fall ist.
Live Ticker
In der Tiroler Tageszeitung:
http://www.tt.com/Tirol/6492076-2/live-ticker-zur-landtagswahl-2013-sta…
Offizielle Wählerinformationen:
http://www.tirol.gv.at/themen/tirol-und-europa/tirol/landtagswahl-2013/
Ergebnisse:
http://wahlen.tirol.gv.at/landtagswahl_2013/index.html