Ambiente | Studie

Klima größtes Risiko für Artenvielfalt

Bislang galt die Landnutzung als größter Treiber für den Verlust der Biodiversität. Wie die Uni Innsbruck mitteilt, könnte die Erderwärmung nun zum Hauptgrund werden.
Wald in Hawaii
Foto: Brian Garrity/Unsplash
  • „Den bislang umfassendsten Blick in die Vergangenheit und Zukunft der globalen Biodiversität wirft eine aktuelle Studie im Fachmagazin Science: Intensive Landnutzung verringerte die biologische Vielfalt um bis zu rund 10 Prozent im Laufe des 20. Jahrhunderts“, teilt die Universität Innsbruck in einer Mitteilung an die Medien mit. Bis 2050 könnte die Klimakrise neben der Landnutzung zum Hauptfaktor für weitere Einbußen in der Biodiversität werden. Lauren Talluto vom Institut für Ökologie der Uni Innsbruck ist Teil des internationalen Autor*innen-Teams.

    Die globale biologische Vielfalt hat im 20. Jahrhundert allein durch veränderte Landnutzung um zwei bis 11 Prozent abgenommen, so das Ergebnis der in Science veröffentlichten Studie. Die umfassenden Modellberechnungen des internationalen Forscher*innen-Teams zeigen zudem vor allem eines: Der Klimawandel könnte bis 2050 zum Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden. 

    „Die Ergebnisse machen einmal mehr sehr deutlich, dass dringend ein global koordiniertes Handeln nötig ist, um die Folgen der Klimakrise einzudämmen."

    „Bislang galt die Landnutzung durch die Inanspruchnahme von Böden und Landflächen durch den Menschen als Hauptursache. Erstmals konnte nun in dieser Studie eine globale Perspektive auf die komplexe Entwicklung der Biodiversität geworfen werden. Das ist ein großer Fortschritt für unser Forschungsgebiet und bringt die Auswirkungen der Klimakrise als zentralen Faktor für die Zukunft ins Spiel“, betont Lauren Talluto von der Forschungsgruppe Fließgewässer-Ökosystem-Ökologie am Institut für Ökologie der Uni Innsbruck. 

  • Globale Trends

    Artenvielfalt: Die Natur versorgt mit ihrer Artenvielfalft Menschen mit sogenannten Ökosystemleistungen, etwa die Bereitstellung von fruchtbarem Boden. Foto: Margaret Polinder/Unsplash

    Die Arbeit, geleitet vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), sei die bisher umfangreichste Modellierungsstudie ihrer Art. Das Forscher*innen-Team hat 13 Modelle verglichen, die die Auswirkungen von Landnutzungs- und Klimawandel auf vier verschiedene Messgrößen der Biodiversität sowie auf neun verschiedene Ökosystemleistungen berechnen.

    Laut Weltbiodiversitätsrat IPBES ist der Landnutzungswandel, zum Beispiel die Umwandlung von Wald in Weide, der wichtigste Faktor für die Veränderung der biologischen Vielfalt. Zu messen, wie sehr sich die biologische Vielfalt verändert hat, stellt die Wissenschaft aber immer noch vor große Herausforderungen. Das Forscher*innen-Team modellierte daher die Auswirkungen des Landnutzungswandels auf die biologische Vielfalt im 20. Jahrhundert. „Indem wir alle Erdregionen in unser Modell einbezogen haben, konnten wir viele blinde Flecken füllen. Wir konnten auch die Kritik an anderen Berechnungsansätzen angehen, die fragmentierte und möglicherweise nicht repräsentative Daten nutzen“, sagt Erstautor Henrique Pereira, Forschungsgruppenleiter bei iDiv und an der MLU.

  • Ausblick in die Zukunft

    Mit fünf verschiedenen Modellen berechnete das Team ebenfalls im Rahmen der vorliegenden Studie die Auswirkungen des Landnutzungswandels auf Ökosystemleistungen. Für das vergangene 20. Jahrhundert stellten die Forscher*innen fest, dass versorgende Leistungen, wie Nahrungsmittel- und Holzproduktion, sich vervielfacht haben, während regulierende Leistungen – etwa Bestäubung durch Insekten oder die Bindung klimarelevanten Kohlenstoffs – leicht zurückgegangen sind. 

    Teil der Studie war aber auch ein Blick in die Zukunft bis 2050 und dafür fügten die Autor*innen den Klimawandel als weiteren Faktor in ihre Modelle ein. Diesen Berechnungen zufolge werden die Folgen der klimatischen Veränderungen sowohl die biologische Vielfalt als auch die Ökosystemleistungen zusätzlich beeinträchtigen. 

    Während der Landnutzungswandel weiterhin eine wichtige Rolle spielt, könnte der Klimawandel bis Mitte des 21. Jahrhunderts zum Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden. Das Team bewertete drei aktuell gängige Klima-Szenarien, die von nachhaltiger Entwicklung bis zu sehr hohen Emissionen reichen und resümierte, dass Landnutzungs- und Klimawandel zusammen in allen Weltregionen zu einem Rückgang führen werden, auch wenn sich im Detail naturgemäß unterschiedliche Ausprägungen in den verschiedenen Weltregionen, Modellen und Szenarien zeigen. 

    „Die Ergebnisse machen einmal mehr sehr deutlich, dass dringend ein global koordiniertes Handeln nötig ist, um die Folgen der Klimakrise einzudämmen, und der Erhalt der Biodiversität allein im Hinblick auf die überlebenswichtigen Ökosystemleistungen von höchster Priorität sein sollte", betont Lauren Talluto.