Reiz und Risiko des Verbotenen
Der Reiz des Verbotenen, der Reiz sich über alle Grenzen hinwegzusetzen, der Wirklichkeit zu entfliehen – er ist ein Teil des Erwachsenwerdens. “Das Risiko gehört manchmal einfach dazu”, bestätigt die Jugendstudie 2016. Den “Risikofaktoren” wird darin ein eigenes Kapitel gewidmet: Rauchen, Alkohol, andere Suchtmittel – es sei wichtig, ein waches Auge auf den Konsum von Substanzen zu werfen, die Abhängigkeit hervorrufen können, betont ASTAT-Forscher Stefano Lombardo. Zugleich werde die Thematik jedoch “manchmal mit alarmierenden Tönen dargestellt”, insbesondere wenn es um Jugend geht. “Panik ist keine notwendig”, stimmt die Kinder- und Jugendanwältin Paula Maria Ladstätter anlässlich des Internationalen Tages gegen Drogenmissbrauch, der am heutigen 26. Juni begangen wird, ein, “aber Gespräch und Vorbild”.
Eltern, keine Panik!
“Die erste Zigarette, das erste Bier, der erste Joint: Viele junge Menschen machen Erfahrungen mit Drogen. Das Experimentieren mit berauschenden und illegalen Mitteln ist in der Pubertät Realität”, betont Paula Maria Ladstätter. Doch die Kinder- und Jugendanwältin weiß: Eltern ängstigen sich meist, wenn es um Dorgen geht. “Manche reden mit ihren Kindern nicht darüber, andere erzählen Gruselgeschichten.” Dabei konsumiert der Großteil der Jugendlichen, die mit Drogen experimentieren diese nicht regelmäßig, verfallen nicht in Abhängigkeit. Das geht aus der Jugendstudie hervor.
Angst, Wutausbrüche, Drohungen und Verbote helfen nicht, wenn Jugendliche ertappt werden, mahnt die Kinder- und Jugendanwältin. Ihr Rat an die Eltern: mit dem Nachwuchs im Gespräch bleiben – und von Klein auf realistisches Bewusstsein schaffen. “Eltern sollten aufklären, am besten so früh wie möglich”, sagt Ladstätter: über Risiken und strafrechtliche Konsequenzen von Drogenkonsum, “aber auch ganz vernünftig über die Wirkung”.
“Jugendliche wollen sich von den Eltern lösen, Neues ausprobieren und stoßen dabei auch auf Drogen”, erinnert Ladstätter. In der Regel handelt es sich dabei um Cannabis (Marihuana und Haschisch). “Im Trend liegen aber auch Ecstasy und andere Partydrogen und – zwar nur vereinzelt, aber im Steigen begriffen – Kokain und Heroin”, weiß die Kinder- und Jugendanwältin.
Freiheit und Grenzen
Auch im zu Ende gegangenen Schuljahr war Ladstätter häufig in Schulen eingeladen, um den Umgang mit Drogen zu thematisieren: “Dabei ist zwischen Verkauf und persönlichem Konsum von illegalen Substanzen zu unterscheiden: Verkauf ist eine Straftat, Konsum eine verwaltungsrechtliche Übertretung. Wenn Jugendliche beim Konsum ertappt werden, werden sie mit den Eltern vom Präfekten zum Gespräch eingeladen. Je nach Situation werden eine Psychotherapie oder Sozialstunden verordnet. Junge Erwachsene können auch den Reisepass oder Führerschein verlieren.”
“Wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass eine Gefährdung vorliegt, ist es notwendig, die Beziehungs- und Vertrauensebene nicht zu verletzen. Panische Reaktionen und Verbote sind kontraproduktiv.”
(Paula Maria Ladstätter über den Drogenkonsum bei Jugendlichen)
Mit Nachdruck appelliert die Kinder- und Jugendanwältin an die Eltern: “Viele Mütter und Väter fühlten sich gesellschaftlichem Druck ausgesetzt, sie glauben, dass Übles aus Üblem entsteht und der Drogengenuss ihrer Kinder auf schlechte Erziehung, auf inkompetente oder überlastete Eltern zurückzuführen ist.” Es sei notwendig, sich aus diesen Gedankenmustern zu befreien: “Viel wichtiger ist es, das Verhältnis zum Kind zu überprüfen, mit ihm im Gespräch zu bleiben und herauszufinden, ob es Stress in der Schule, mit Freunden oder daheim hat. Ein sicheres Zuhause lässt aus ersten Drogenversuchen nicht so leicht Abhängigkeit entstehen.”
Grundsätzlich ist eine realistische Information über Möglichkeiten und Risiken des Konsums neben dem gelebten Vorbild am sinnvollsten, will Ladstätter erneut unterstreichen. “Dem Jugendlichen die Freiheit zu geben, sich zu erleben, ist ebenso notwendig wie Grenzen zu setzen”, sagt die Kinder- und Jugendanwältin. “Konflikte und Krisen selbst bewältigen zu lernen, gehört für junge Menschen genauso zur Lebensvoraussetzung wie das Wissen um Zuwendung und Liebe.”