Economia | Biolandbau

Die Umstellungswelle rollt

In Südtirol gibt es eine stetig wachsende Zahl von Bauern, die auf Bio umstellen: 59 Betriebe waren es in den letzten 12 Monaten, das sind 10% Zuwachs.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Arthur Hopfgartner vom Schneiderhof in Luttach ist ein junger Bauer. Mit Ende 20 führt er seinen Hof seit gerade mal knapp drei Jahren. Lange hat er überlegt, ob er auf Biolandwirtschaft umstellen soll. Im Sommer 2016 hat er es dann gewagt. Die Rahmenbedingungen sind günstig: Zum einen kann er als Tallagen-Bauer seine rund ein Dutzend Fleckvieh-Kühe einfach auf die Weide führen. Zum anderen gibt es im Ahrntal, dem äußersten Nordosten Südtirols, bereits einige Bioland-Betriebe. Von Luttach bis Prettau im Talschluss, kennt man sich gut untereinander, unterstützt und berät sich. Auch der Obmann von Bioland Südtirol, Michael Oberhollenzer, hat hier seinen Hof.

Christian Kofler, Umstellungsberater für Milch- und Viehwirtschaft, weiß aus Erfahrung: „Ob und wieviel umgestellt wird, hängt vor allem auch von der Vermarktungssituation ab. Wenn ich eine Sennerei in der Nähe habe, die meine Bio-Milch abnimmt, fällt mir das Umstellen leichter.“ Die Ahrntaler Bauern liefern an den Milchhof Sterzing, der die Milch zu Bio-Milch, Bio-Joghurt und Bio-Butter verarbeitet. Unter den rund 600 Mitgliedern sind 79 Bio-Lieferanten: 38 aus Südtirol und 41 aus Nordtirol. Diese  Bauern haben die Bio-Verarbeitung  angeregt und ins Laufen gebracht.

Eine von ihnen wird auch Dorothea Bacher vom 1.600 Meter hoch liegenden Hirberhof in Rein in Taufers sein. Die frisch gebackene Bioland-Bäuerin hat ihren Vertrag erst nach dem dritten Besuch von Berater Christian Kofler unterschrieben. Denn im Vergleich zum Obstbau hat die Entscheidung für Bio für Viehbetriebe komplexere Auswirkungen. Schließlich muss ein Milchbauer seinen Stall erst mehr oder weniger aufwändig umbauen. Zwar ist bei Großvieheinheiten unter 30 Stück auch die Anbindehaltung noch erlaubt, aber keineswegs ideal. Also wird Dorothea Bacher einen Laufstall bauen. Dafür muss sie die Fläche und das Dach des alten Stalles erweitern – eine Stallbauförderung und eine Bioprämie von je fünf Prozent stehen ihr dafür zu. Die vorgeschriebene Weidehaltung kann bei extremen Steillagen wie bei Bäuerin Dorothea problematisch sein. Auch befürchten manche Bauern, dass sie bei einer ausgedehnten Weideperiode nicht mehr genug Futter für den Winter einfahren können: „Ein Stock Heu im Stall gibt halt doch Sicherheit“, erklärt die Bäuerin. Doch bei allen Bedenken hat Bio gesiegt. Besonders die Leistungen des Bioland-Verbandes, die Information und Beratung, haben sie überzeugt.

24 Betriebe verschiedenster Größe haben im Bereich Vieh- und Milchwirtschaft in den vergangenen zwölf Monaten von konventioneller Landwirtschaft auf Bioland umgestellt. Dabei sind acht Milchviehbetriebe, sechs Mutterkuhhalter, fünf Schaf- und Ziegenhalter, allerdings auch in Mischform mit anderen Tieren, vier Grünland- und Almbewirtschafter sowie ein Hof mit Legehennen. In den Bereichen Obst- und Weinbau, Gemüse und Imkerei waren es sogar 35 Betriebe, die sich entschlossen haben, ihren Anbau nach Bioland-Richtlinien weiterzuführen. Insgesamt hat Bioland Südtirol jetzt 585 Mitglieder (Stand August 2016)

Im Westen wenig neue Viehbetriebe…

In anderen Regionen des Landes, wie beispielsweise im Vinschgau, konnte Bioland nicht so viele Viehbetriebe gewinnen: Hier regiert die Bergmilch-Genossenschaft, ungefähr 2.700 Mitglieder stark und auf EU-Bio eingestellt. „Von acht Betrieben, die ich seit Jänner 2016 im Vinschgau besucht und beraten habe, hat im Vinschgau nur ein einziger auf Bioland umgestellt,“ erzählt Berater Christian Kofler. Somit ist der Anteil jener Betriebe, die umstellen, im Osten Südtirols für Bioland deutlich zufriedenstellender als im Westen.

… aber viele Obstbauern

Im Obstbau hingegen ist es genau umgekehrt. Da waren im Vinschgau die meisten Umsteller zu beobachten. „Von Meran bis hinauf über Schlanders in den Obervinschgau (500 bis 1.000 Meter Meereshöhe) sind im vergangenem Jahr über 100 Hektar Bioland-Anlagen dazugekommen“, sagt Valeria Trafoier von der Genossenschaft „Verband der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse (VI.P) Vinschgau“. Dorthin liefern die meisten der 1.750 Vinschger Obstbauern. „Ein Teil dieser Genossenschaft ist die Bio-Vinschgau mit 150 Bio-Betrieben, darunter derzeit 20 Umstellern“, bilanziert der Geschäftsführer Gerhard Eberhöfer das Aufkommen seiner Bio-Landwirte.

Dort vermarktet auch der junge Bioland-Bauer Michael Niederfriniger aus Schlanders seine Äpfel: „Unsere Gala, Pinova und Golden Delicious liefern wir an die Obstgenossenschaft Geos hier im Ort, aber weiterverkauft werden sie von der Bio Vinschgau.“ Im August 2015 hat er seine viereinhalb Hektar umgestellt. „Vorher wäre es nicht gut gegangen, da unsere vier Parzellen so zerstückelt waren, nun haben wir einen Teil verkauft und eine einzige große Obstwiese erworben.“ Der 30-Jährige ist froh über die Umstellung: „Besonders das Abmischen der Spritzmittel war mir zuwider, ich wollte einfach deswegen keine Sorgen mehr haben.“ Sein Vater ist mittlerweile auch von Bio überzeugt, auch wenn er selbst nie umgestellt hätte. Da hat es wohl den Generationenwechsel gebraucht.

Viele gute Gründe für die Umstellung

Dass gerade der Vinschgau so „umstellungsfreudig“ ist, liegt sicherlich zum einen an den klimatisch guten Verhältnissen für den Apfelanbau. „Wir haben eine geringere Niederschlagsmenge als beispielsweise das Unterland im Süden Südtirols“, erläutert Geschäftsführer Gerhard Eberhöfer, „und ein trockenes Wetter ist für den Bio-Anbau nun einmal idealer.“ Außerdem funktioniere das Netzwerk der Bio-Bauern im Vinschgau hervorragend, die gegenseitige Unterstützung und Beratung hat Tradition. Auch landesweit habe sich ein wachsendes Bio-Netzwerk in einem größeren Bewusstsein für den Öko-Anbau niedergeschlagen, meint Eberhöfer: „Im Versuchszentrum Laimburg, beim Beratungsring Obst- und Weinbau oder beim Südtiroler Bauernbund sind durchaus fachlich kompetente Betriebsberater unterwegs. Gemeinsam mit Bioland bilden sie ein Beratungsnetzwerk, wie wir es vor 30 Jahren nicht einmal geträumt haben.“ Damals musste ein bio-affiner Landwirt viel mehr selbst experimentieren.

Mehr Bio, mehr Marketing

Ein weiterer starker Faktor ist die Wertschöpfungskette im Bio-Obstanbau: Mit der VI.P.-Strategie sei es gelungen, den Bio-Anbau ebenso professionell zu führen und etwa marketingmäßig zu unterstützen wie den konventionellen Anbau. „Das gibt den Bauern Sicherheit und es sind auch politisch gesehen wichtige Signale“, meint Geschäftsführer Eberhöfer. Der Bio-Obstbau profitiere seit Jahren von positiven Rahmenbedingungen und sei nicht so sehr den Schwankungen des großen EU-Marktes ausgesetzt. „Natürlich spielt das ökologische Bewusstsein eine wichtige Rolle, das ist Voraussetzung für die Umstellung. Dass es sich wirtschaftlich rentiert, auf bio umzusteigen, ist sicher kein Nachteil“, meint Eberhöfer; es sei eine Mischung aus mehreren Faktoren.

Der Obst- und Weinbau-Berater von Bioland, Dietmar Battisti hat viele umstellungsinteressierte Bauern kennengelernt, die bereits gut vorbereitet und informiert waren: „Sicherlich ist der Preis ein starker Grund für die Umstellung, wenn man bedenkt, dass in den vergangenen acht von zehn Jahren der Bio-Anbau besser abgeschnitten hat als der integrierte Obstanbau. Jedoch war ich überrascht von der Vielzahl gut informierter Bauern, die bereits Erfahrungen mit biologischen Mitteln hatten und nun einfach die Unterstützung durch unseren Verband suchten.“ Die bekommen sie gerne, die Umstellungsberatung gehört zu den Kernkompetenzen des Bioland Verbandes.

Bild
Profile picture for user Klemens Kössler
Klemens Kössler Mer, 09/28/2016 - 07:42

Bereits jetzt kommen über 40% der Bioäpfel Europas aus Südtirol, bleibt zu hoffen dass auch sie Verbraucher konsequent Bio kaufen denn dort tut sich ein großer Spalt auf. Meist wird Bio gefordert aber Billig gekauft. Bio ist im Handel mit höheren Preisen unterwegs als andere Produkte aber die Kostendeckung wird immer noch mangelhaft erreicht, Bio wird nie ein Billigprodukt weil die Produktion ganz einfach teurer ist. Wer Bio fordert muss Bio kaufen ansonsten stehen die Bauern wieder allein da.

Mer, 09/28/2016 - 07:42 Collegamento permanente