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Kickl, der illiberale Medienzensor
Foto: Die Presse
Auf der Tat ertappt. Zu blöd. Da hat ein Informant es doch wirklich gewagt, ein internes E-Mail direkt den „Feinden“ zuzuspielen, den Tageszeitungen „Kurier“ und „Der Standard“. Der Innenminister, immer als der strategische Kopf der Freiheitlichen gerühmt, ging daraufhin erst einmal auf Tauchstation. Weil er so baff war? Oder so erbost? Wahrscheinlich beides. Als die U-Boot-Taktik wegen der allgemeinen öffentlichen Empörung nicht mehr durchzuhalten war, tauchte Herbert Kickl wieder auf. Er sei das nicht gewesen, hätte von alldem nichts gewusst, Schuld sei sein Sprecher Christoph Pölzl. Wieder zu blöd. Diesen Pölzl hatte Kickl nämlich erst vor drei Monaten zu sich geholt und damals gemeint: „Sowohl in seiner Zeit in der Landespolizeidirektion als auch in seiner Zeit als mein persönlicher Pressesprecher konnte ich mich von der fachlichen Kompetenz und dem Einsatz von Christoph Pölzl überzeugen.“ Besonders verdient gemacht hatte sich Pölzl demnach als Verantwortlicher für die Berichterstattung über die Polizei im Bereich „Polizei-TV“, besonders beim Privat-TV und bei Videoproduktionen. Und damit kommen wir zum Skandal-Mail.
Brave und böse Medien – Zuckerbrot und Peitsche
Das 4-seitige Schreiben erging an die Kommunikationschefs aller Landespolizeidirektionen. Darin heißt es wörtlich:
"Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (zum Beispiel STANDARD, 'Falter') sowie neuerdings auch seitens des 'Kuriers' eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI beziehungsweise die Polizei betrieben (..) Ansonsten erlaube ich mir vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken und ihnen nicht noch Zuckerln wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen ..."
Die sogar namentlich genannten kritischen und unliebsamen Medien sollen also weder aktiv, aber auch nicht auf Nachfrage Informationen erhalten, ob es sich um einzelne Kriminal- und Polizeifälle handelt, oder auch um allgemeine Daten, Erfahrungswerte etc. Das „nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß“ bedeutet nämlich, dass sich die Polizei acht Wochen Zeit lassen kann, um auf eine Anfrage zu reagieren. Was sie dann an Infos freigibt, ist mittlerweile von den „guten“ Medien natürlich längst veröffentlicht.
Was außerdem als „Zuckerln“ verstandene Exklusivbegleitungen für die „braven“ Medien empfohlen wird, ist nichts anderes als das Recht von Journalisten, über die Alltagsarbeit der Polizei oder über besonders heikle Einsätze sowohl aktuell als in Reportagen zu berichten. Solche Reportagen seien nur mehr dann zu genehmigen, wenn eine „neutrale oder positive Berichterstattung“ garantiert seien. Was sich das Kickl-Ministerium und sein in Sachen „Polizei-TV“ kompetente Sprecher Pölzl wünschen, zeigen die Aussagen zu der neuen, ab Jahresende geplanten Reality-Serie „Live PD“ im privaten Sender ATV. PD steht für Polizeidirektion, BMI für Bundesinnenministerium, Zitat:
„Jede Folge wird (vom Ressort, Anm.) abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Zusätzlich zu den polizeilichen Einsätzen kommt ein Studiogast des BMI oder der Polizei vor. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“
Ausländer im Fokus
Ganz besonderes Augenmerk sollen bei der Pressearbeit laut „Anregung“ Sexualdelikte verdienen: "(..)vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, besondere Modi Operandi (zum Beispiel Antanzen) aufweisen, mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen erfolgen oder wenn zwischen Täter und Opfer keine Verbindung besteht, auch proaktiv auszusenden".
Und deutlich hervorgestrichen sollen Delikte von Flüchtlingen und Migranten werden:
„Künftig darf ich darum ersuchen, die Staatsbürgerschaft eines mutmaßlichen Täters in euren Aussendungen zu benennen (...) Außerdem gegebenenfalls bei einem Fremden dessen Aufenthaltsstatus bzw. ob es sich um einen Asylwerber handelt (...) ich ersuche auch, diese Sprachregelung in Interviews umzusetzen.“
Scharfe Kritik und Forderung nach Rücktritt Kickls
Dass nicht nur die Medien und Journalisten, sondern sämtliche Organisationen, die sich für Presse- und Meinungsfreiheit sowie Menschenrechte einsetzen heftig protestieren, verwundert nicht. Ebenso wenig die Forderung der Oppositionsparteien, Herbert Kickl müsse zurücktreten. Dass der zur Zeit an der UNO-Vollversammlung in New York teilnehmende Bundespräsident Alexander Van der Bellen vor einer Einschränkung der Pressefreiheit mit klaren Worten mahnt, war zu erwarten, hat aber trotzdem Gewicht. Alexander Van der Bellen: "Die Freiheit der Meinungsäußerung, die Medien- und Pressefreiheit sind Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie und unseres Rechtsstaates in Österreich. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist inakzeptabel"
Dem wollte der – ebenfalls in New York weilende – Kanzler Sebastian Kurz nicht nachstehen.
"Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel. Die Ausgrenzung oder der Boykott von ausgewählten Medien darf in Österreich nicht stattfinden. Das gilt für die Kommunikationsverantwortlichen aller Ministerien und öffentlichen Einrichtungen.“
Fake News, Message-Control und Lügenpresse
Am heutigen Mittwoch wird Herbert Kickl seinen Kritikern im Parlament Rede und Antwort stehen müssen. Er wird beschwichtigen und hat sich als Letzter ebenso vom E-Mail seines Sprechers distanziert, wenn auch nur von den darin enthaltenen „Formulierungen“. Weiterreichende konkrete Folgen sind nicht zu erwarten. Kanzler Kurz wird intern sicher seinen gehörigen Unmut über so viel laienhafte Stümperei des Innenministeriums deponiert haben. Schließlich ist Kurz mit seiner auf Linie gebrachten, türkisen Basti-Partei das beste Beispiel dafür, wie man modern, effizient und bei formaler Wahrung der Spielregeln täglich Message-Control betreibt.
Message-Control, der Begriff ist bei Medienleuten und Politikern seit einiger Zeit in Mode, vor allem in Österreich. Früher hieß es Propaganda. Gegeben hat es den Versuch, die eigenen Ideen, Positionen, Leistungen hervorzustreichen und zu preisen immer schon. Neu ist in unserer von Informationsflut und Schnelllebigkeit geprägten Welt die aus dem Wirtschaftsmarketing so wirkungsreich übernommene Taktik, Informationen gezielt nach den Bedürfnissen der Konsumenten zu gestalten oder zumindest dementsprechend zu verpacken. Nach außen und unters Volk gebracht dürfen nur mehr glänzende Erfolgsmeldungen oder Versprechungen. Alles was nach Komplexität, Verschiedenheit oder gar Widersprüchlichem riecht, muss unterbunden werden. Das gilt für Aussagen von Ministern oder Vertretern der eigenen Partei ebenso wie für die Medien – es muss Gleichklang herrschen. Kein Wunder also, dass Medien, die nach wie vor ihrer Aufgabe gerecht werden und die Regierenden hinterfragen, kritisieren, kontrollieren und Missstände aufdecken, als Störungsfaktoren betrachtet werden. Also muss man versuchen, sie „in den Griff zu kriegen“ oder sie zu umgehen.
Donald Trump hat den traditionellen, seriösen Medien seit langem den offenen Kampf angesagt. Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass er – entweder vor johlenden Anhängern und mit Fingerzeig auf die anwesenden Reporter oder in einem Tweet - die „Mainstream-Medien“ als Feinde des Volkes und Amerikas anprangert. Zugleich umgeht er sie, indem er sich direkt „ans Volk“ richtet – mit Dutzenden Twitter-Nachrichten pro Tag.
Matteo Salvini und Luigi di Maio bevorzugen Facebook. Wann immer sie die kritischen Medien umgehen wollen, schalten sie ihr Handy auf live-stream und richten sich ungefiltert direkt an ihre Anhänger – immer mit der Gewissheit, dass jedes Wort davon in Sekundenschnelle nicht nur weiterverbreitet, sondern von allen Medien übernommen wird.
Und weil Kontrollieren oder Umgehen nicht ausreicht, werden die kritischen Medien, die zum Glück noch immer von der Mehrheit der Menschen ernst genommen werden, müssen die Berichte, Analysen und Enthüllungen dieser Medien heruntergemacht, verunglimpft, als unwahr gebrandmarkt werden. Fake News, Lügenpresse, Systempresse lauten dann die Schlagworte.
Jüngstes Beispiel einer solchen Diskreditierung war der Versuch des deutschen Geheimdienstchefs Hans-Georg Maaßen abzustreiten, dass es in Chemnitz vielfache Aggressionen gegen Ausländer gegeben hat. Die politisch motivierte Desinformation von höchster Stelle wurde abgeschmettert, aber die Affäre hätte beinahe die Berliner Regierung zu Fall gebracht. Jetzt ist durch einen aufmerksamen und mutigen „Whistleblower“ auch ein gravierender Angriff auf die Pressefreiheit in Österreich abgewehrt worden. Nur zwei Beispiele für die bis in die höchsten Sicherheitsapparate des Staates vorgedrungenen Betreiber einer autoritären Entwicklung.
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In dem von Christoph Pölzl
In dem von Christoph Pölzl verfassten Schreiben fehlt meiner Meinung nach eine Warnung vor dem ORF, der ja mit Abstand die größte Fertigkeit als Wahrheitsverdreher besitzt. Das hätte man der Polizei unbedingt mitteilen müssen. Nicht jeder Polizeibeamte hat die Fähigkeit, und viele wohl auch nicht die Zeit, sich durch intensives Medienstudium selbst ein Bild zu machen, welchen Medien man vertrauen kann und welchen nicht. Der diesbezügliche Behelf des Innenministeriums ist daher wohl nützlich, aber leider unvollständig.
In risposta a In dem von Christoph Pölzl di Hartmuth Staffler
„Journalismus ist etwas zu
„Journalismus ist etwas zu veröffentlichen, was andere nicht wollen, daß es veröffentlicht wird. Alles andere ist Propaganda.“
George Orwell
In risposta a „Journalismus ist etwas zu di Ludwig Thoma
Es gibt ja einige, die nicht
Es gibt ja einige, die nicht wollen, dass in Medienartikeln die Herkunft von Straftätern veröffentlicht wird. Du gehörst doch meines Wissens auch dazu, Ludwig. Oder täusche ich mich?
In risposta a Es gibt ja einige, die nicht di Robert Tam...
Ach ja, die Rechten werden
Ach ja, die Rechten werden kritisiert, dann kommt der Tamanini....