Ambiente | SALTO change

Die Alpen erwärmen sich schnell

Der Alpenraum ist vom Klimawandel stärker betroffen als die meisten anderen Regionen Europas. Wird dort auch mehr für den Klimaschutz getan? Ein Überblick im Gastbeitrag.
klima_gletscher_ortler
Foto: Seehauserfoto
  • Der Alpenraum ist vom Klimawandel stärker betroffen als die meisten anderen Regionen Europas, weil der Temperaturanstieg in größeren Höhen rascher und stärker ausfällt. Die Durchschnittstemperatur ist in den Alpenregionen in letzten Jahrzehnten bereits um 1,9 Grad Celsius gestiegen. Im sensiblen Alpenraum sind die Temperaturen in den letzten 100 Jahren sogar doppelt so stark gestiegen wie im weltweiten Durchschnitt. 

    Auch künftig sind mehr Extremwetterereignisse zu erwarten, nassere Winter und trockenere Sommer. Die Folgen des Klimawandels zeigen sich im Gletscherschwund, im Auftauen des Permafrosts, in Hangrutschungen und Muren, bis hin zu riesigen Gletscherabbrüchen wie kürzlich im Lötschental in der Schweiz. Immer mehr Bundesländer, Regionen und Kantone der Alpenländer sind sich der Gefahren und ihrer Verantwortung für Klimaschutz und Klimawandelanpassung bewusst und haben Klimapläne und Klimaschutzgesetze in Kraft gesetzt. Hier einige Beispiele.

  • Bayern: gesetzlich verordnete Klimaneutralität bis 2040

    Bayern hat gesetzlich verankert, dass das Bundesland bis 2040 die Klimaneutralität zu erreichen hat. Mit dem Dreiklang Klimaschutzgesetz, Klimaschutzprogramm und einer entsprechenden finanziellen Ausstattung dokumentiert das Bundesland seinen Willen zu nachhaltigem Klimaschutz. Dabei hat Bayern den Startvorteil, dass schon 2022 nur mehr 6,6 Tonnen CO₂-Emissionen pro Einwohner ausgestoßen werden, womit es unter dem bundesweiten Durchschnitt von 8,9 Tonnen CO₂ pro Kopf liegt. 

    Das bayerische Klimaschutzgesetz bleibt, in seiner Fassung vom 1. Januar 2023 jedoch in der Regulierungstiefe und Gesamtqualität deutlich hinter den weit anspruchsvolleren und detailgenaueren Landesklimagesetzen von Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin zurück.

  • Liechtenstein

    Der Landtag des Fürstentums Liechtenstein hat im März 2023 die „Klimastrategie Liechtenstein 2050“ beschlossen, mit der das Land bis 2050 klimaneutral werden will. Bis 2030 sollen die CO₂-Emissionen gegenüber 1990 um 55 % sinken, wobei 40 % im Inland und 15 % im Ausland reduziert werden sollen. Damit erkennt der Kleinstaat an, dass es sich bei der CO₂-Reduktion auch stark auf die importbedingten indirekten CO₂-Emissionen ankommt, die der Bevölkerung über den Import von Gütern und Dienstleistungen zuzurechnen sind. 

    Oberste Priorität hat dabei der Sektor Energie, der 80 % der Treibhausgasemissionen Liechtensteins ausmacht. Die Klimastrategie definiert außerdem Maßnahmen für einen nachhaltigen Konsum und Finanzplatz. Der Verlust von Artenvielfalt muss gestoppt werden, weil er sowohl für den Klimaschutz als auch für die Anpassung an die Klimawandelfolgen essenziell ist.

  • SALTO change im November: Klimaschutz

    Im November geht es bei SALTO change um das Thema „Klimaschutz – global, regional, lokal“. Anlass dazu sind neben COP30 in Belém die Bemühungen einer Plattform der Südtiroler Zivilgesellschaft um ein Landes-Klimaschutzgesetz. Die Plattform plant, den Entwurf am 14. November der Öffentlichkeit zu präsentieren. 

  • Die Bundesländer Österreichs

    Alle Bundesländer waren bei der Erstellung der „Österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel“ aktiv mit eingebunden, die erstmals 2012 verabschiedet und 2017 novelliert worden ist. 

    Die Themen Klimawandel, Klimaschutz und Klimawandelanpassung stehen bereits seit Jahren auf den Agenden der Landesverwaltungen. Die Bundesländer verfolgen bei der Erstellung von Politiken zur Anpassung an den Klimawandel unterschiedliche Ansätze. Derzeit liegen in den Ländern Steiermark (2015), Vorarlberg (2015) und Salzburg (2017) eigene Strategien zur Anpassung an den Klimawandel vor. In Oberösterreich diente die Anpassungsstrategie von 2013 als Basis für eine Integrierte Klima- und Energiestrategie, die 2023 beschlossen wurde. 

     

    Der Wiener Klimafahrplan hat die Dekarbonisierung bis 2040 zum Ziel.

     

    Tirol hat eine neue Nachhaltigkeits- und Klimastrategie 2021 (integrierte Anpassungs- und Klimaschutzstrategie) veröffentlicht und Anfang 2025 sein zweites dreijähriges Maßnahmenprogramm (2025-2027) aufgelegt. Das Klima- und Energieprogramm 2030 Niederösterreichs von 2021 umfasst Maßnahmen zum Klimaschutz, zum Ausbau erneuerbarer Energieträger und zur Anpassung an den Klimawandel. 

    Kärnten hat Maßnahmen zur Anpassung im Rahmen der „Klimaagenda Kärnten“ in seine bestehende Klimaschutz-Strategie integriert. In Wien ist die Anpassung an den Klimawandel in die übergeordneten Strategien ( wie etwa die Smart City Rahmenstrategie) integriert. Der Wiener Klimafahrplan (2022) hat die Dekarbonisierung bis 2040 zum Ziel und betrachtet Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel als gleichwertig. Als erstes Bundesland hat Wien am 27. März 2025 ein eigenes Landesklimagesetz verabschiedet. Im Burgenland sind Anpassungsmaßnahmen direkt in die anderen sektoralen Programme und Strategien integriert.

  • Für Eure Anregungen, Vorschläge und für Eure Kritik sind wir dankbar: Schreibt ganz einfach an: [email protected]

  • Frankreich - Rhone-Alpes: Klimaplan seit 2013

    Die zum Teil in den französischen Alpen gelegene Region Rhone-Alpes, mit 6,3 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Region Frankreichs, weist knapp 10 % des gesamten Energieverbrauchs Frankreichs auf. In dieser Region gibt es vier Atomkraftwerke und zahlkreiche Wasserkraftwerke, die 30 % der französischen Stromproduktion aus Wasserkraft erbringen. Die Stromerzeugung aus Photovoltaik und aus Biogas ist hingegen noch bescheiden, während die Biomasse Holz eine wichtige Rolle in der Gebäudeenergieversorgung spielt.

    Die Region Rhone-Alpes hat bereits seit 2004 einen umfassenden Ansatz für die Klimawandelanpassung und den Klimaschutz entwickelt. Schon 2013 hat die Region einen Klimaplan verabschiedet, der die CO₂-Minderungsziele festschreibt und ein Klimaschutzgebot für alle öffentlichen Körperschaften einführt. Im April 2013 hat die Region den Klima-Luft-Energie-Plan SRCAE verabschiedet, der die gesamtstaatliche Klimaschutzstrategie auf die regionale Ebene herunterbricht. Bis 2050 sollen die CO₂-Emissionen aus der Region um 80 % gegenüber 1990 gesenkt werden. 

    Der Klimaplan von Rhone-Alpes ist zwar nicht gesetzlich bindend, doch sind alle öffentlichen und privaten Stakeholder gefordert, sich an der Umsetzung zu beteiligen. Man will hier auch stark in den dezentralen Ausbau der Netze, die so genannten smart grids, in die erneuerbaren Energieträger abseits des Atomstroms und in die Stromspeichertechnologien investieren. Zu diesem Zweck ist ein eigener Investitionsfonds für erneuerbare Energie gegründet worden.

  • Klimaplan Südtirol: er gibt das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 vor. Foto: Seehauserfoto
  • Klimaschutz-Pionier Schweiz

    Hier gibt es im Bergland drei Kantone, die man als Pioniere des Klimaschutzes betrachten kann: Graubünden, Wallis und Freiburg. 


    Der Kanton Graubünden

    Der „Aktionsplan Green Deal für Graubünden” (AGD) von 2021, initiiert schon 2019, zeichnet den Weg zur Klimaneutralität und zum Schutz vor den Risiken eines veränderten Klimas. Damit will der Kanton den Klimaschutz und die Klimawandelanpassung systematisch und langfristig fördern mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden. Der Grundlagenbericht zum AGD umfasst 27 Maßnahmen, die bei den großen Brocken des Klimaschutzes ansetzen, also Gebäudeheizung, Verkehr, Konsum, Tourismus, Industrie und Landwirtschaft. Einige Maßnahmen sollen die Unternehmen und Bevölkerung bei der Anpassung ans veränderte Klima und beim aktiven Klimaschutz unterstützen. Eine dritte Gruppe von Maßnahmen fördert den Umstieg auf erneuerbare Energie, um den höheren Strombedarf für die volle Elektrifizierung von Gebäudewärme und Verkehr zu gewährleisten. 

    In einer zweiten Etappe soll 2025 ein kantonales Klimagesetz folgen, das die Ziele und Maßnahmen gesetzlich verankert. Im Rahmen der zweiten Etappe des AGD wurden die 16 weiteren Massnahmen aus dem Grundlagenbericht geprüft und technisch präzisiert. Mit dem Klimafondsgesetz werden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, um diese weiteren Massnahmen umsetzen und finanzieren zu können. Die Finanzierung wird über einen neu zu schaffenden Bündner Klimafonds sichergestellt. Der Grosse Rat wird voraussichtlich im Jahr 2025 über die Etappe II des AGD entscheiden. Dementsprechend erfolgt die Umsetzung der Etappe II frühestens ab Anfang 2026. Schließlich gilt es, weitere Betroffene in die Umsetzung der AGD-Ziele einzubinden, vor allem die Bevölkerung, die Gemeinden und die gewerbliche Wirtschaft.


    Der Kanton Freiburg

    Das seit 1. Oktober 2023 geltende Klimagesetz des Kantons Freiburg soll den Klimaschutz auf kantonaler Ebene stärken. Es legt die Klimaziele fest und ermöglicht der Kantonsregierung, die notwendigen Ressourcen einzusetzen. Bis 2030 müssen im Kanton die Treibhausgase halbiert werden, bis 2050 soll die Netto-Null erreicht werden. Auch soll die Resilienz des Kantonsgebietes gegenüber dem Klimawandel gestärkt werden. Der Klimaschutz muss künftig bei allen Tätigkeiten der Kantonsregierung berücksichtigt werden. 

    Auch die Gemeinden werden in die Pflicht genommen, bei Projekten in Planungen den Klimaschutz immer mitzudenken. Der Kanton will für die eigene Verwaltung Netto-Null-Emissionen schon bis 2040 erreichen. Strategie und Maßnahmen werden im kantonalen Klimaplan verankert. Alle fünf Jahre wird eine kantonale CO₂-Bilanz erstellt. Für den Klimaschutz werden eigene Behörden eingerichtet sowie neue Finanzmittel bereitgestellt. Interessant: die Subventionen des Kantons werden künftig auch auf die Wirkungen des geförderten Projekts hinsichtlich des Klimaschutzes geprüft.

     
    Der Kanton Wallis

    Der Kanton Wallis möchte bei der Umsetzung des Klimaschutzes in der Schweiz Vorbild sein und schon bis 2035 direkte Netto-Null-Emissionen erreichen. Bis dann sollen auch die indirekten CO₂-Emissionen, also die nicht territorial erfassten Emissionen, um 30% sinken. Bis 2040 soll im Wallis jedes zweite Fahrzeug elektrisch fahren. Das kantonale „Klimagesetz“ vom 14.12.2023 hat diese und weitere zentrale Ziele festgeschrieben. 

    Mit der “Agenda 2030” hat sich das Wallis einen ehrgeizigen Klimaplan und einen Hitzemaßnahmenplan gegeben. Dieser enthält 80 Maßnahmen und 200 Aktionen zur Reduktion der CO₂-Emissionen. Der Energieverbrauch der Haushalte soll um 30% sinken, die Sanierungsquote der Gebäude steigen. Weiter soll die Landwirtschaft ihren CO₂-Ausstoß bis 2040 um 75 % senken. Zwecks Finanzierung dieser Maßnahmen wird ein Klimareservefonds geschaffen. Allerdings hat die Wählerschaft des Wallis Ende 2024 dieses Klimaschutzgesetz in einem Referendum verworfen, was den Kanton zwingt, andere Wege zu einem aktiven Klimaschutz einzuschlagen.

  • Südtirol

    In Südtirol hat die Landesregierung im Juni 2019 ihre Nachhaltigkeitsstrategie auf den Weg gebracht. Nach einer Phase der Bürgerbeteiligung folgte darauf im Juli 2023 der „Klimaplan Südtirol 2040”, der das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 vorgibt. 

    In 157 Maßnahmen in allen Kernbereichen des Klimaschutzes soll die Autonome Provinz in 15 Jahren die territorial verursachten CO₂-Emissionen auf netto null zurückfahren, wobei allerdings wie in den meisten Regionen die relativ hohen importbedingten indirekten CO₂-Emissionen außer Betracht bleiben. 

    Im Frühjahr 2024 wurde eine ausgiebige Phase der Einbeziehung der Bürgerschaft in Form eines Bürgerrats und der Interessenverbände in Form eines “Stakeholder Forums” abgehalten, deren Ergebnisse der Landesregierung und Landtag offiziell überreicht worden sind. Diese über 600 Vorschläge sollen zum Teil in eine neu gefasste Version des Klimaplans 2040 bis Jahresende 2025 einfließen.

    Südtirol könnte in diesem Bestreben von der günstigen Ausgangslage profitieren, dass schon heute dank der hohen Stromerzeugung aus Wasserkraft zwei Drittel der Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen stammt. 

     

    Südtirol bei der CO₂-Reduktion trotz Klimaplan nicht auf Kurs.

     

    Nachteilig wirken sich hingegen andere strukturelle Faktoren aus wie der überdimensionierte Tourismussektor, der zu hohe Viehbesatz in der Landwirtschaft und die emissionsintensivste Transitachse der Alpen, die Brennerautobahn. 

    Allerdings ist Südtirol bei der CO₂-Reduktion trotz Klimaplan nicht auf Kurs, weshalb drei Umweltverbände mit weiteren 44 Verbänden verstärkte Maßnahmen für den Klimaschutz fordern und am 14. November 2025 einen Vorschlag für ein Landesklimagesetz vorgelegt haben.