Società | Missbrauch

Opfer sollen entschädigt werden

Das Gutachten der Diözese zum Missbrauch in der Kirche hat hohe Wellen geschlagen. Nun meldet sich auch Robert Hochgruber, Initiator des Kirchenvolksbegehrens, zu Wort.
Robert Hochgruber
Foto: Privat
  • Der streitbare Theologe, Religionslehrer im Ruhestand und Initiator des Kirchenvolksbegehrens in Südtirol fordert nach der Veröffentlichung des Gutachtens zum sexuellem Missbrauch Konsequenzen. Es sei nicht nur eine konsequente Umsetzung der Empfehlungen des Münchner Gutachtens erforderlich, sondern auch die Miteinbeziehung der Orden in die Aufabreitung sowie Anerkennungszahlungen an die Opfer. 

    Die Vorstellung des Gutachtens vonseiten der renommierten Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl am vergangenen Montag (20. Januar) hat lokal und national für großes Aufsehen gesorgt. Zum ersten Mal in der Geschichte der katholischen Kirche Italiens wurde ein unabhängiger Bericht zu sexuellem Missbrauch in Auftrag gegeben und auch der Öffentlichkeit vorgestellt. Laut Hochgruber stellt dies einen notwendigen und wertvollen Schritt dar. Bischof Ivo Muser habe damit ein wichtiges Zeichen gesetzt, und eine konsequente Umsetzung der darin vorgelegten Empfehlungen sei nun dringend erforderlich.

     

  • Betroffenenrat

    Die erste Empfehlung der Rechtsanwaltskanzlei Westfahl, Spilker und Wastl zur Verbesserung des Umgangs mit Fällen sexuellen Missbrauch (Gutachten Seite 593 ff) ist die Errichtung eines unabhängigen Betroffenenrates. Dies wird ausführlich begründet. „Auf diese ‚Stärkung der Belange der Betroffenen‘ geht die Presseaussendung der Diözese vom 24.1.2025 ebenso wie Bischof Muser bedauerlicherweise mit keinem Wort ein. Nur Gottfried Ugolini erwähnt in seiner Stellungnahme die Möglichkeit der Bildung eines Betroffenenrates“, kritisiert der Theologe und fordert die Umsertzung dieser Empfehlung, da ansonsten die Bemühungen nicht glaubwürdig seien. „Ein solcher Rat trage dazu bei, dass sich Betroffene nicht erneut als fremdbestimmt erfahren, ihre Interessen gebündelt werden und dass ihr Erfahrungswissen im Aufarbeitungsprozess einbezogen werde. Es sollten allerdings nicht nur kirchenfreundliche Personen im Betroffenenrat sitzen, stellt die Anwaltskanzlei fest. In vielen Diözesen Deutschlands gibt es bereits Betroffenen(bei)räte.“

     

  • Eugen Runggaldier, Bischof Ivo Muser und Gottfried Ugolini: Pressekonferenz der Diözese Bozen-Brixen zum Gutachten der renommierten Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl. Foto: Seehauserfoto
  • Entschädigungen

    Die zweite Empfehlung des Gutachtens betrifft Anerkennungsleistungen (Seite 595 ff). Das Gutachten führt aus, dass sexueller Missbrauch sich neben persönlichem physischem und psychischem Leiden auch auf die Erwerbsbiografie in vielen Fällen negativ auswirkt. Dies kann zu prekären Lebensverhältnissen führen. „Die Missbrauchstaten seien nicht nur Einzelfälle ‚schwarzer Schafe‘, es gäbe auch systemische, im Verantwortungsbereich der Institution Kirche liegende Ursachen, die die Taten ermöglicht bzw. erleichtert haben“, so Hochgruber, der sich auf die Textpassage auf Seite 595 stützt, wonach grundlegende Gerechtigkeitserfordernisse nahe legten, dass eine in dieser Form involvierte Institution neben den in den Richtlinien der Ombudsstelle bereits vorgesehenen Therapieleistungen auch einen substanziellen Beitrag zur Linderung individuellen finanziellen Leids und damit einhergehender Not und entsprechende „Anerkennungszahlungen“ leistet, auch wenn „Anerkennung“ nicht nur eine Frage des Geldes sei. 

     

    „Die Missbrauchstaten seien nicht nur Einzelfälle ‚schwarzer Schafe‘, es gäbe auch systemische, im Verantwortungsbereich der Institution Kirche liegende Ursachen, die die Taten ermöglicht bzw. erleichtert haben.“

     

    Ein unabhängiges Gremium solle die Höhe der finanziellen Anerkennungsleistungen festlegen. Auch wenn die Übergriffe unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit liegen, sollten nicht rechtliche Maßstäbe wie bei einem Schadensersatz im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gelten, noch sollten psychologische Gutachten angefordert werden, wird festgestellt. „Damit empfiehlt das Gutachten sehr deutlich, dass die Diözesanleitung Anerkennungszahlungen leisten sollte“, erklärt Hochgruber und betont: „Es reicht meiner Meinung nach nicht aus, wenn Bischof Ivo Muser die Betroffenen und Mitbetroffenen um Vergebung bittet. Anerkennungsleistungen sind erforderlich, um Gerechtigkeit für die Betroffenen und Glaubwürdigkeit für die Kirchenleitung herzustellen. In Österreich durch die Klanic-Kommission sowie in Deutschen Diözesen hat es Anerkennungsleistungen gegeben. Erinnern möchte ich daran, dass im Rahmen einer Beichte nach der Bitte um Vergebung Reue gezeigt werden und wenn möglich eine Wiedergutmachung erfolgen muss. Das sollte auch für die Kirche als Institution gelten, wobei Wiedergutmachung sowieso nicht möglich ist, wohl aber eine Anerkennung des Leidens durch finanzielle Zahlungen.“ Bischof Ivo Muser habe bei der Pressekonferenz am 24.1.2025 erklärt, dass er die Verantwortung für die Fehler, die während seiner Amtszeit oder von ihm gemacht wurden, übernimmt. Diese Aussage sei zwar erfreulich, genüge aber nicht. Er sei der Rechtsnachfolger der vorherigen Bischöfe und somit verpflichtet, für deren begangenes Unrecht einzustehen und die Konsequenzen zu tragen, beispielsweise durch finanzielle Anerkennungsleistungen. 

     

  • Die Orden

    „Eine umfassende Aufarbeitung der kirchlichen Missbrauchsfälle erfordert zudem, dass die Orden in der Diözese einbezogen werden und ebenso ein Gutachten über sexuelle Vergehen an Minderjährigen in ihren Bereichen in Auftrag geben. Bisher ist eine konsequente und unabhängige Aufarbeitung in den Orden nur sehr zögerlich und bruchstückhaft geschehen. Die Orden sind angehalten, ihren Beitrag zu einer konsequenten Aufarbeitung zu leisten“, fordert der Theologe, der abschließend unterstreicht, dass er alle Bemühungen der Ombuds-, Interventions- und Präventionsstelle sowie entsprechende Konzepte als wertvoll und positiv ansehe. „So können Kindern und Jugendliche die Kirche als sicheren und guten Ort erfahren, was ja dem Auftrag der Kirche entspricht. Zugleich möchte ich darauf hinweisen, dass ohne die umfassende und ernsthafte Aufarbeitung der Vergehen in der Vergangenheit die Gegenwart und Zukunft stark belastet bleibt.“

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Salto User
KK Mar, 01/28/2025 - 09:50

... finanzielle Entschädigung ist ein erster Schritt, greift aber viel zu kurz. Eine echte und wirkliche Entschädigung beinhaltet vor allem eine strafrechtliche Verfolgung mit Enthebung des Amtes und sofortiger Beendigung der Tätigkeit - falls die Kirche überhaupt "ein guter und sicherer Ort" für Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden soll.

Mar, 01/28/2025 - 09:50 Collegamento permanente
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Robert Hochgruber Mar, 01/28/2025 - 15:15

Die strafrechtiche Verfolgung ist meiner Meinung nach selbstverständlich, ebenso wie die Enthebung des Amtes. Wir werden sehen, was die Diözesanleitung mit jenen 14 Priestern tut, denen Vergehen dokumentiert nachgewiesen wurden und die derzeit noch im Amt sind. Finanzielle Anerkennungsleistungen sollten auch jene erhalten, die ein Vergehen erleben mussten, das nicht strafrechtlich verfolgt wurde. Das war bei der Klasnic Kommission so.

Mar, 01/28/2025 - 15:15 Collegamento permanente