Agrarbericht: Klimaschutz kein Thema
-
Doch vorab noch ein Wort zum Speck. Das Land ist aufgerüttelt von der Nachricht, dass die Zahl der Schweine in Südtirol schon wieder abgenommen hat. Jetzt warten hier nur mehr 4.000 Schweine darauf, in Südtiroler Markenspeck umgewandelt zu werden. Für die Rekordproduktion von 2,81 Mio. Hammen (Südtiroler Speck g.g.A.) in 2024 sind mindestens 1,4 Mio. Schweine verwurstet worden, was 0,28% der in Südtirol herangezogenen Schweine entspricht. Wie der Sprecher des Speckkonsortiums verlauten ließ, liegt der Grund für den Schweineschwund an der Zunahme der Touristenzahlen. Die Bauern ersetzen anscheinend die Schweine durch Touristen. Wo bleibt da die alte Tradition der alpinen Fleischkonservierung? Man sollte ernsthaft daran denken, diesen Trend umzudrehen und einen neuen Fördertopf aufsetzen.
Beim Viehbestand sieht es dagegen laut Agrar- und Forstbericht 2024 schon besser aus: die Zahl der Rinder hält 2024 bei 123.264. Doch nimmt die Zahl der Milchviehhalter langsam, aber stetig ab auf 3.967 Höfe in 2024. Das sehen die Agrarpolitiker und die Milchwirtschaft mit Sorge, doch andererseits sorgt die Viehwirtschaft auch für den größten Teil der klimaschädlichen Treibhausgase aus der Landwirtschaft. Was sieht diesbezüglich der Klimaplan 2040 als Ziel vor? Zuallererst: „Die langsame Reduktion der Viehbestände, seit 20 Jahren rund 1% im Jahr. Dies ist nicht gewollt, aber eine realistische Schätzung des Trends“ (Klimaplan, S.52). Die Landwirtschaft ist mit 490.000 t CO2e für 18,8% der CO2-Emissionen verantwortlich, der Großteil davon Methan und Lachgas aus der Viehhaltung (vgl. Georg Niedrist, Landwirtschaft und Klimaschutz in Südtirol, in: Klimaland Südtirol? POLITiS arcaedizioni 2022, S. 188-189).
Beim heutigen Stand von rund 123.000 GVE ist beim heutigen Rückgangstrend eine Halbierung in rund 50 Jahren zu erwarten. 2075 wäre die Milchwirtschaft dann aber nicht etwa klimaneutral, sondern erst unabhängig vom Futtermittelzukauf. Erst dann könnte der verbleibende Viehbestand nur mehr mit dem lokal vorhandenen Grundfutter versorgt werden. Die an die externe Futtermittelproduktion gebundenen Emissionen und die direkte CH4 und N2O-Emissionen des heute übermäßigen Milchviehbestand würden entfallen. Erst dann wäre die Südtiroler Milch vollumfänglich „Bergmilch“ oder Heumilch, wie sie heute schon beworben wird. Andererseits will Südtirol schon 2040 klimaneutral werden, nicht 2075. Ohne den Beitrag der Landwirtschaft geht sich das rechnerisch nicht aus.
Im Klimaplan 2040 wird jedoch bei den Maßnahmen der Landwirtschaft der Milchviehbestand als Hauptemittent gar nicht benannt. Er spielt auch für den Agrar- und Forstbericht 2024 keine Rolle, genauso wenig für den LR Walcher, in dessen Einleitung das Wort „Klimaschutz“ gar nicht vorkommt. Im forstwirtschaftlichen Teil des Berichts werden zwar die von der Trockenheit und vom Borkenkäfer angerichteten Schäden am Wald thematisiert, doch der Zusammenhang mit dem Klimawandel nicht hergestellt. Und schon gar nicht der Umstand erwähnt, dass auch Südtirol mit seinen Emissionen zum Klimawandel beiträgt.
Allerdings will Südtirol, laut Klimaplanzielen, den Öko-Landbau stärken. Bis 2030 soll die biologisch bewirtschaftete Fläche auf 25% der gesamten Agrarfläche erweitert werden. Heute liegt sie laut Agrarbericht 2024 bei rund 10%, Almen ausgenommen. Doch Bauern sind bekanntlich einfallsreich: viele Almen werden derzeit zu Bio-Agrarfläche umdeklariert. Die biologisch bewirtschaftete Fläche hat aus diesem Grund wie von Zauberhand um 300% zugenommen. Ob jetzt auch die Ausbringung von Gülle auf Almen damit vom Tisch ist? Der Bioanteil liegt aber beim Kernobstbau bei nur 13,7%, im Weinbau bei 10% und bei den Wiesen bei 8,6%. Das heißt, in diesen produktiven Sparten ist man weit entfernt von der EU-Vorgabe, bis 2030 25% der gesamten Agrarfläche biologisch zu bewirtschaften. Wie man in Südtirol bis 2030 die Biofläche im Obst- und Weinbau auf 25% der jeweiligen Fläche bringen will oder ob man sich nur durch den „Trick“ der Neueinstufung der Almen der EU-Vorgabe anpasst, geht aus dem Agrarbericht 2024 nicht hervor. Rein statistisch mag die Zunahme der Biofläche schon stimmen, doch zum einen bleibt sie in Landwirtschaftsflächen mit dem höchsten Pflanzenschutzmitteleinsatz (Obstbau) und mit der höchsten Düngemittelausbringung (Acker- und Grünland) nicht erfüllt; zum andern ändert sich dadurch am nicht klimaverträglichen Viehbestand nichts.
Man gewinnt den Eindruck, dass sich weder die Bauernschaft noch das Landwirtschaftsressort für aktiven Klimaschutz zuständig fühlen. Obwohl Südtirols Land- und Forstwirtschaft durchaus auch unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben, schiebt man die Verantwortung dafür auf andere: die EU, vielleicht die Agroindustrie anderswo, die Konsumenten, andere CO2-Emittenten aller Art. So gerät der Klimaplan Südtirol 2040 zu einer Liste frommer Wünsche, die man erfüllen kann, aber auch nicht.