Cultura | Bibliophile Fragen

„Uneingeschränkt nie mehr!“

Anne Marie Pircher hat gestern in Meran ihren Gedichtband "Aria" erstmals präsentiert. Außerdem hat sie sich den "immer gleichen Fragen" von SALTO gestellt.
Anne Marie Pircher
Foto: Manuela Tessaro
  • SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?

    Anne Marie Pircher: Bücher gab es im Haus meiner Kindheit so gut wie keine. Ich erinnere mich aber, dass ich mit 12 Jahren Jugend ohne Gott gelesen habe, das meine ältere Schwester aus dem Gymnasium mit nach Hause brachte. Das war der knallharte Einstieg in die Literatur. Da bin ich, glaube ich, zum ersten Mal aufgewacht.

    Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?

    Ich merke mir kaum letzte Sätze eines Buches. Eine Ausnahme bildet Herta Müllers Atemschaukel. Wie da im letzten Absatz mit einer Zuckerdose, einer Keksschachtel, dem Aschenbecher oder dem abgerissenen Mantelknopf getanzt wird. Schließlich mit der staubigen Rosine: „Da habe ich mit ihr getanzt. Dann habe ich sie gegessen. Dann war eine Art Ferne in mir.“ Das vergesse ich nie.
     

    Die wichtigen Stimmen im Land bedürfen keiner Empfehlung mehr. 

  • Buchvorstellung in Meran: Marcello Fera sorgte für die musikalische Umrahmung bei der gestrigen Erstpräsentation des Gedichtbandes "Aria" (Edition Laurin). Ebenfalls in der Edition Laurin sind Pirchers Bücher "Zu den Linien", "Über Erde", und "Iris & Pupille" erschienen. Foto: Privat

    Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?

    Da habe ich jetzt lange Regal und Kopf durchwühlt. Nix gefunden. Wahrscheinlich weitergereicht und vergessen.

    Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?

    Ich warte noch immer auf die Außerirdischen (siehe meinen Roman Iris & Pupille). Sollten sie eines Tages wirklich auftauchen, werde ich ihnen neben der geheimnisvollen Banalität der Lokalkrimis auch alles andere behutsam erklären. An der Strategie feile ich noch.

    Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?

    Uneingeschränkt nie mehr! Diese Zeiten sind vorbei. Aber ich höre und lese gerne die unterschiedlichsten Positionen zu Büchern. Lerne dabei sehr viel, auch über den Mensch selbst, der die Empfehlung ausspricht. Fürs letzte Urteil vertraue ich meinem eigenen Sprach- und Literaturgefühl, mit dem ich mich an an neues Buch herantaste.

  • Neuerscheinung: Ein Ort zum Atmen. Das sind Gedichte. In einer ruhelosen und verwundbaren Welt entfaltet das lyrische Ich einen Widerstand gegen die Zeit. Foto: Edition Laurin

    Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?

    Den Fehlschlag nehme ich mit nach Hause und stelle ihn ins Bücherregal am Sandplatz in Meran. Vielleicht ist er für jemand anderen ein Volltreffer. Auf der einsamen Insel ist die Wahrscheinlichkeit dafür eher gering.

    Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?

    Habe noch kein einziges Buch auf dem E-Book-Reader gelesen und hoffe, dass das Papier für den Rest meines Lebens noch reicht. Wenn nicht, dann werde ich auch das lernen. 

    Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen? 

    Ich bin beim Lesen langsam unterwegs, auch keine Vielleserin. Daher bin ich mit der Südtiroler Literatur noch nicht ganz durch. Die wichtigen Stimmen im Land bedürfen keiner Empfehlung mehr.