Schüler stehen am Ende der Nahrungskette

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Obwohl ich mit meiner Schulwahl zufrieden bin, finde ich, dass der konstruktive Umgang mit Kritik dem italienischen Schulsystem guttun würde. Die für mich wichtigsten Problematiken, lassen sich in fünf Punkte gliedern.
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Schüler sagen, was sie denken
Wir reden zwar oft über Schule, lassen aber selten Schülerinnen und Schüler zu Wort kommen. SALTO ändert das mit seiner Mini-Serie Klassenkämpfe. In dieser kurzen Reihe zum Schulanfang kommen Schülerinnen und Schüler in insgesamt vier Beiträgen zu Wort, sprechen über ihre Hoffnungen und Ängste und auch darüber, ob es um das Schulsystem wirklich so schlecht steht, wie viele sagen. Unsere Autorin und Autoren haben allesamt ein Praktikum bei SALTO absolviert.
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Programme - Lehrpläne
Das Hauptproblem besteht meiner Meinung nach im obsoleten Charakter von den in Rom zentralisierten Schulprogrammen. Im Spezifischen beziehe ich mich auf das Fehlen von fundamentalen Bausteinen in der Bildung der zukünftigen Generationen.
Dante, Boccaccio und Petrarca sind wertvolle Elemente der italienischen Sprache und Kultur und können uns in vielerlei Hinsicht einen Einblick in die Historie, Sprache und Philosophie der jeweiligen Epochen bieten. Jedoch finde ich, dass im Generellen ein größerer Schwerpunkt auf Informatik oder Künstliche Intelligenz (KI) gelegt werden sollte, da jene Themen heutzutage von elementarer Bedeutung sind. Es gibt hierzu sogar Stimmen, die verlangen, dass neben Englisch und Spanisch auch die Programmiersprache Java unterrichtet werden sollte.
„Wie soll die Schule den „Musterbürger“ von morgen bilden, wenn fundamentale Aspekte des bürgerlichen Lebens nur sporadisch angeschnitten werden?“
Darüber hinaus fehlt mir in den Programmen ein Blick auf das aktuelle Weltgeschehen, das zu interessanten Diskussionen im Klassenraum führen und kritische Analysen an konkreten Beispielen anregen könnte.
Im Übrigen fehlt mir in der Klasse ein Blick auf das politische und gesellschaftliche Geschehen. Wie soll die Schule den „Musterbürger“ von morgen bilden, wenn fundamentale Aspekte des bürgerlichen Lebens, wie Politik, Gesellschaft, Wirtschaft gar nicht oder nur sporadisch angeschnitten werden?Wieso gibt es beispielsweise in Deutschland Politik als Fach, während wir uns in Italien immer noch mit Bürgerkunde (educazione civica), die oft nur pro forma als einzige Unterrichtsstunde pro Fach im ganzen Schuljahr existiert, herumschlagen? Wieso ist Ethikunterricht nicht in den Lehrprogrammen vorgesehen? Wieso kann die italienische Schule nicht den Schritt wagen, fortschrittlichere Programme zu erstellen? Beispielsweise wäre in der aktuellen Lage ein Fach, das sich mit Klimawandel beschäftigt, äußerst wünschenswert. Dies könnte zu einer breiteren Sensibilisierung in der Gesellschaft und somit zu einem konkreten Fortschritt führen.
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Lehrerinnen und Lehrer
Das Wichtigste an einer Schule aber sind die Lehrerinnen und Lehrer. Ohne sie läuft nichts. Somit hängt, neben der Vermittlung von Wissen, auch die Fähigkeit Neugier und Motivation zu wecken, von den Lehrern ab.
„Können wir wirklich von einem Menschen verlangen, für 40 Jahre die nötige Begeisterung an den Tag zu legen, die es für diese überaus schwierige Aufgabe braucht?“
Hier stehen wir jedoch vor einem Dilemma: Können wir wirklich von einem Menschen verlangen, für 40 Jahre seines Arbeitslebens den nötigen Elan und die nötige Begeisterung an den Tag zu legen, die es für diese überaus schwierige Aufgabe braucht? Ich glaube nicht. Vor allem nicht, wenn Lehrer unterbezahlt werden und im Allgemeinen dem Beruf des Lehrers nicht genügend Beachtung geschenkt wird.
Ich würde mir für die Zukunft unserer Schule wünschen, dass Lehrer im Schulwesen mehr Autonomie erhalten, um sich frei entfalten zu können, ohne von vorgegebenen Programmen erdrückt zu werden. Zusätzlich wäre es wünschenswert, der Lehrerschaft eine Rotationsmöglichkeit zu bieten, um in neuen Aufgaben und Herausforderungen Motivation schöpfen zu können.
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Reformen
Schule und Politik sollten nichts mit einander zu tun haben. Zu oft wurde in den letzten Jahren an der Schule rumgebastelt. Reformen nach Reformen – kurz gesagt: Gebracht haben sie wenig. Vielleicht sollten die Bildungsminister der jeweiligen Regierungen in Rom darauf hingewiesen werden, dass die Entwicklung der Schule von enormer Wichtigkeit und kein Spielplatz für persönliche Werbekampagnen ist.
Ein konkretes Beispiel? Der aktuelle Biildungsminister Giuseppe Valditara propagierte erst vor Kurzem ein knallhartes Handyverbot an Schulen. Für Grund- und Mittelschulen mag das funktionieren, bei Oberschulen hätte man allerdings auf andere Bildungsmaßnahmen setzen sollen, um beispielsweise den Jugendlichen beizubringen, wie man neue Technologien verantwortungsbewusst benutzt.
„Nicht jeder Politiker sollte seinen Senf dazugeben.“
Mit der Bildung der zukünftigen Generationen sollte man nicht spielen und Schule sollte nicht zu Propaganda-Zwecken genutzt werden. Es braucht eine gewisse Kontinuität in der Entwicklung der Schule und des Schulsystems. Nicht jeder Politiker sollte seinen Senf dazugeben.
Mich irritieren außerdem die unzähligen Maturareformen die in den letzten Jahren durchgeführt wurden. Die Maturaprüfungen der verschiedenen Jahrgänge sind schwer untereinander zu vergleichen, die Maturaprüfung während der Coronapandemie glich einer Farce.
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Unterrichtsformen
Der Frontalunterricht dominiert immer noch in vielen Klassenzimmern und nur durch die seltenen Unterrichtseinheiten einiger mutiger Lehrer kommen modernere Unterrichtsmethoden zum Einsatz. Außerdem zielt die Schule immer noch auf das altbekannte Auswendiglernen ab. Das mag nützlich sein, um gewisse kognitive Fähigkeiten auszubauen und unseren „Mädchen und Burschen“ „Sitzfleisch“ und „Disziplin“ einzubläuen. Im Zeitalter von Google, ChatGPT und Co. scheint mir das Verfahren aber eher antiquiert.
„Das mag nützlich sein, um unseren 'Mädchen und Burschen' 'Sitzfleisch' und 'Disziplin' einzubläuen.“
Ich erinnere mich an den Augenblick zurück, als eine gute Freundin, die aus einem Austauschjahr in Deutschland zurückgekehrt war, voller Elan vom Unterricht in Deutschland erzählte und ihre Enttäuschung über den abgeflachten Unterricht in Italien ausdrückte. -
Leistungsdruck
Als letzten Punkt würde ich gerne über den Druck sprechen, dem wir Schüler ausgesetzt sind.
Das aktuelle Bewertungssystem führt zu Stress und Unzufriedenheit. Überdies befinden sich Schüler durch ihre untergeordnete Position in der Schulhierarchie am Ende der „Nahrungskette". Somit sind wir oft den organisatorischen Desastern der Lehrer ausgesetzt, die gerne mal noch hier und da einen Test in den prallvollen Kalender quetschen.
Es braucht eine bessere Kommunikation zwischen den Lehrern und eine offenere Planung der Prüfungen und Tests.
Wie kann es denn sein, dass Lehrer ein ganzes Semester Zeit haben um Noten zu sammeln, sich jedoch extrem viele Tests in den Zeiträumen vor den Winter- und Sommerferien ansammeln? -
Gut auf das Leben vorbereitet? Naja, geht so!
Bereitet uns die Schule auf unsere Zukunft gut vor? Naja, geht so. Wenn es darum geht ein paar Verse der „Promessi Sposi“ aufzusagen, dann sind wir sicherlich weltweit unschlagbar. Spaß beiseite, ich glaube, dass wir gute Grundkompetenzen in verschiedenen Bereichen erhalten und relativ gut auf unsere Zukunft vorbereitet werden. Jedoch finde ich, dass die Oberschule standardmäßig nur vier Jahre lang dauern sollte, um am internationalen Parkett konkurrenzfähig zu bleiben. Ferner wäre eine bessere Grundausbildung im digitalen und informatischen Bereich wünschenswert, denn der zählt am Arbeitsmarkt.
„Weniger Polemik von Seiten jener, die seit 20 oder mehr Jahren keine Schule mehr betreten haben.“
Ich wünsche mir für die zukünftigen Generationen eine offenere und modernere Schule, die nicht der Volatilität der Politik ausgesetzt ist, sondern im Willen eine zeitgerechte Schule aufzubauen, wächst. Stimulierender Unterricht, modernisierte Programme, bessere Organisation, Investitionen in das Schulsystem, weniger nutzlose Reformen und vor allem weniger Polemik von Seiten jener, die seit 20 oder mehr Jahren keine Schule mehr betreten haben. -
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"Es gibt aber sehr viele weitere Lebens-Wege," die für das friedliche Auskommen + den Fortbestand, "in einer hoffentlich nicht durch die KLIMA-KRISE zerstörten Welt, für die Gesellschaft sehr wichtig sind ...!"