Cultura | Linguistik

Sprache in Bewegung

In einer Welt, die sich ständig verändert, ist die Sprache ein flexibler Begleiter, der unsere Erfahrungen und Perspektiven widerspiegelt.
Buchstaben, Sprache, Wörter
Foto: Pixabay
  • Die Beziehung zwischen Sprache und Denken ist ein altes Thema, das Forscher seit Langem beschäftigt. Einige Wissenschaftler behaupteten, dass unsere Sprache unser Denken prägt - die sogenannte linguistische Relativität. Doch andere Forscher widersprachen: „Moment mal, das ist nicht so einfach." Eines ist jedoch klar: Sprache ist wie eine Brille, durch die wir die Welt sehen. Sie schafft eine bestimmte Perspektive auf die Wirklichkeit und formt unsere Gedanken, Gefühle und Beziehungen. Worte sind Spiegel der Wirklichkeit und zugleich Beschleuniger der Gesellschaft. Sprache ist ein mächtiges Werkzeug, das unsere Welt prägt - und ständig neu justiert werden muss.

  • Ulrich Bröckling und Kathrin Kunkel-Razum: Die Coronapandemie hat in kurzer Zeit viele neue Wörter hervorgebracht. Foto: Landesbibliothek Tessmann

    Sowohl Sprachwissenschaftler als auch Soziologen beschäftigen sich intensiv mit diesem Thema. 2004 gaben Ulrich Bröckling, Susanne Krasmann und Thomas Lemke ein „Glossar der Gegenwart“ heraus. Zwanzig Jahre später zogen sie im „Glossar der Gegenwart 2.0“ Bilanz darüber, was sich verändert hat. Es geht darin um Begriffe, die uns leiten oder wovon wir uns leiten lassen. Wie es im Glossar heißt: „Disruption tritt an die Stelle von Normalität, das Planetare löst Globalisierung ab und Resilienz ersetzt Prävention."

    Zwanzig Jahre sind vergangen, seit das erste Glossar veröffentlicht wurde, und die Welt hat sich dramatisch verändert. Ulrich Bröckling bringt es auf den Punkt: „Unübersehbar ist die Gegenwart von heute nicht mehr die von 2004. Von dieser trennen uns – unter anderem – die inzwischen dramatisch spürbaren Auswirkungen des Klimawandels, das Erstarken des autoritären Nationalismus und Rechtspopulismus, die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine.“ Auch technologisch hat sich viel getan: Das Smartphone wurde erfunden, soziale Medien revolutionierten die Kommunikation und künstliche Intelligenz machte enorme Fortschritte. 

     

    Neue Wörter wie „Klimakleber", „Balkonkraftwerk" und „Quetschi" haben Einzug in unsere Sprache gehalten und spiegeln die Veränderungen in unserer Gesellschaft wider.


    Diese Veränderungen haben die Gesellschaft polarisiert und die Tonlage hat sich verdüstert. Ein Blick in die Glossare von 2004 und 2024 zeigt: Begriffe wie „Kreativität" und „Intelligenz" haben ausgedient, stattdessen ist „künstliche Intelligenz" aufgetaucht. Aber was bedeutet das eigentlich? „Der Traum von der Perfektion des Menschen hat bisher allerdings immer nur Monströses hervorgebracht. Ich bezweifle, dass KI daran etwas ändern wird,“ so Bröckling. Neue Wörter wie „Klimakleber", „Balkonkraftwerk" und „Quetschi" haben Einzug in unsere Sprache gehalten und spiegeln die Veränderungen in unserer Gesellschaft wider. Krieg, Corona, künstliche Intelligenz, Klimawandel - welches Ereignis hat uns die meisten neuen Wörter beschert? Kathrin Kunkel-Razum, vom Duden, sagt: „Das ist sehr schwer zu sagen, denn hier ist ja vieles im Fluss." Doch eines ist sicher: Die Coronapandemie hat in kurzer Zeit viele neue Wörter hervorgebracht.

    Für den Duden war es eine Herausforderung, diese Wörter aufzunehmen. „Wir mussten ausnahmsweise wirklich mal mit Prognosen arbeiten, welche Wörter länger bleiben und welche schnell wieder verschwinden würden.“

  • Am Freitag fand in der Sprachstelle des Südtiroler Kulturinstitutes ein Vortrag und eine Diskussion zu diesem Thema statt.

    Die Leiterin der Sprachstelle, Monika Obrist, moderierte die Veranstaltung und betonte: „Die Sprache ist ein Spiegel unserer Zeit und verändert sich ständig mit ihr." Bei der Diskussion wurde unter anderem über Begriffspaare diskutiert, die bei den Glossaren von 2004 und 2024 gegeneinander ausgetauscht wurden oder neu dazugekommen sind, wie zum Beispiel „Gender“ und „Diversität“, „Vulnerabilität“ oder „postfaktisch“. Weitere Veranstaltungen der Sprachstelle unter: www.kulturinstitut.org/de/sprachstelle/