Briefwahl: Start für ein Pilotprojekt
Bei den Landtagswahlen 2018 haben von 35.000 Briefwahlberechtigten in Südtirol nur 10.442 (29,8%) diese Chance genutzt. Für dieses Recht muss man immer noch im Ausland ansässig sein oder einen Daueraufenthalt haben. Im Trentino beteiligten sich gar nur 2,22% der im Ausland ansässigen und zur Briefwahl berechtigten Wählerinnen an den Landtagswahlen, auch weil die Briefwahl schlecht geregelt ist. Nun hat die Corona-Pandemie dieser Frage neue Aktualität verschafft. Wählen per Brief wäre nämlich nicht nur kostengünstiger und einfacher, sondern könnte bei einer Epidemie problemlos abgewickelt werden, ohne Wahlen oder Volksabstimmungen verschieben zu müssen.
Genau dieser Fall ist nämlich im Trentino eingetreten, denn zwischen dem 1.2.2021 und dem 31.5.2021 wären die Trentiner zu den Urnen gerufen worden, um in einer Landesvolksabstimmung über die Einführung einer „Bioregion Trentino“ abzustimmen. Aufgrund der Pandemie und ohne die Entwicklung überhaupt genauer abschätzen zu können, ist dieses Referendum verschoben worden. Bei einem Recht auf Briefwahl für alle wäre das nicht nötig gewesen. Der M5S des Trentino hat diese Notwendigkeit erkannt und einen Beschlussantrag im Trentiner Landtag durchgebracht. Damit wird die Trentiner Landesregierung verpflichtet, ein Pilotprojekt für die Anwendung des Briefwahlrechts für alle zu starten.
L.Abg. Alex Marini, der Einbringer des Vorschlags, verweist auf die erfolgreiche Anwendung der Briefwahl in vielen Ländern, etwa in Bayern, Australien, Neuseeland, der Schweiz und in vielen US-Bundesstaaten. In Oregon wird ausschließlich per Brief gewählt und abgestimmt. Diese Form der Wahl ist als einzig zulässige mit einer Volksabstimmung 1998 eingeführt worden und hat sich seitdem bei allen Wahlgängen bewährt. Es handelt sich auch um eine fälschungssichere Art der Stimmabgabe, wie aus den vielen abgewiesenen Klagen von D. Trump gegen die Briefwahl hervorgeht.
Alex Marini hat eine Arbeitsgruppe vorgeschlagen, besetzt mit Vertretern des Trentino, Südtirols und des Innenministeriums, um alle Möglichkeiten der Anwendung der Briefwahl auszuloten und ein einheitliches Verfahren für alle Wahlgänge von den Gemeindewahlen bis zu den staatsweiten Referenden zu entwickeln. Eine soeben von der International Foundation Electoral Systems veröffentlichte Studie belegt, dass eine gut organisierte Briefwahl wirksam und effizient ist und mehr Bürger zur Beteiligung an den Wahlen motiviert. Diese Vorschläge haben auch die Trentiner Landesregierung überzeugt. Nicht nur bei der biologischen Landwirtschaft, auch bei der Briefwahl werden uns die Trentiner eine Nasenlänge voraus sein.