“Die Mehrheit schämt sich”
Der Landtag ist noch bis Mitte September in Sommerpause. Nichtsdestotrotz sind am gestrigen Dienstag (29. August) die Fraktionssprecher des Landtages zusammen gekommen, um zu entscheiden, wie man das Kapitel Autonomiekonvent abschließen will. Zwei Monate sind seit der letzten Sitzung des Konvent der 33 am 30. Juni vergangen, das Abschlussdokument des Konvent ist während der vergangenen Wochen redigiert und in alle drei Landessprachen übersetzt worden. Ebenso die vier Minderheitenberichte und das Enddokument des Forum der 100.
Bereits vor der Sitzung des Fraktionssprecherkollegiums stand fest: Am 22. September werden alle Dokumente dem Landtag übergeben. Dieser hat die Aufgabe, einen Gesetzentwurf für die Überarbeitung des Autonomiestatus auszuarbeiten, der im besten Fall mit den Trentinern abgestimmt und – in ferner Zukunft – vom Parlament in Rom genehmigt wird. So weit, so gut.
Lange Gesichter, vor allem bei der Opposition, gab es am Dienstag, als feststand: Am 22. September wird es eine “rein technische” Vorstellung der Abschlusspapiere im Landtag geben. Die EURAC, die den Autonomiekonvent wissenschaftlich begleitet hat, soll einen Bericht zum gesamten Prozess präsentieren. Die Landtagsabgeordneten können Fragen stellen, diskutiert soll am jenen Tag aber nicht werden.
Unverständnis bei Andreas Pöder von der Bürgerunion. Er spricht von einer “Respektlosigkeit”: “Ich verstehe nicht, warum die SVP so große Schwierigkeiten damit hat, dass der Landtag – als Gesetzgeber – über die Vorschläge des Konvent debattiert.”
Da das Ganze auch noch an einem Freitag Nachmittag stattfinden soll, ist Riccardo Dello Sbarba ein Verdacht gekommen: “Es scheint als wolle man den Abschluss möglichst unauffällig über die Bühne bringen. Die Mehrheit schämt sich für das Ergebnis des Konvent, das durch die Achse zwischen Luis Durnwalder und den Schützen zusammen gekommen ist. Vor allem die SVP, aber auch der PD sind in riesiger Verlegenheit und wollen, dass der ganze Prozess in Vergessenheit gerät.” Dabei seien es die Mehrheitsparteien gewesen, die den Autonomiekonvent überhaupt erst ins Leben gerufen haben, erinnert der Grüne Landtagsabgeordnete. Dello Sbarba, selbst Mitglied des Konvent der 33, hat gemeinsam mit Laura Polonioli einen Minderheitenbericht zum offiziellen Abschlusspapier verfasst. Ebenso wie Landtagspräsident Roberto Bizzo, von dem der Vorschlag, den Autonomiekonvent mit einer Kurzpräsentation vonseiten der EURAC abzuschließen, gekommen ist. “Ein unwürdiger Abschluss”, poltert Dello Sbarba, “der in krassem Widerspruch zu den Eigenschaften eines partizipativen Prozesses, an dem Hunderte von Menschen aus dem ganzen Land, bei den Open Spaces, diversen Treffen und dann im Forum der 100 und im Konvent der 33 teilgenommen haben”.
Der Grüne erinnert daran, dass der Landtag Anfang Februar einem Beschlussantrag seiner Fraktion mehrheitlich zugestimmt hat, der besagt, dass alle Dokumente des Konvent “in einer Sitzung des Landtages innerhalb dieser Legislaturperiode erläutert und zur Debatte gebracht” werden. “Ich habe in der Fraktionssprechersitzung verlangt, dass dieser Beschluss eingehalten wird. Das wurde von der Mehrheit abgelehnt – was auch ein Hinweis auf das demokratische Verständnis im Landtag ist…”
SVP und PD hingegen verteidigen die Entscheidung. Für eine politische Debatte sei es derzeit noch zu früh, so Roberto Bizzo. Diese solle stattfinden sobald der Gesetzestext, den der Landtag mithilfe der Papiere aus dem Autonomiekonvent erstellen soll, ausgearbeitet ist. “Eine Diskussion im Landtag macht erst Sinn, wenn ein Gesetzesvorschlag vorliegt, hinter dem eine Mehrheit steht”, sagt auch SVP-Fraktionssprecher Dieter Steger.
Wann das sein wird, steht in den Sternen. Hinter dem weiteren Vorgehen in Sachen Überarbeitung des Autonomiestatuts prangt ein großes Fragezeichen. Zeitplan, bis wann ein Vorschlag stehen muss, gibt es keinen. Auch muss noch geklärt werden, ob und wie man sich mit dem Trentiner Landtag abstimmt. Denn am Ende wird nur ein gemeinsam präsentierter Gesetzentwurf in Rom politisches Gewicht haben.
Es wäre interessant zu wissen
Es wäre interessant zu wissen wer konkret persönlich den Konvent wollte – und jetzt entsprechend enttäuscht ist. Als konstruktiver Gedankenaustausch ist er jedenfalls grandios gescheitert. Es ging wohl eher um das Organisieren von Mehrheiten und Pushen von Themen.
Ein strukturierter Dialog unabhängig von ethnisch-politischen Bruchstellen ist scheinbar in diesen Landen nach wie vor nicht möglich.
Liegt es an gering ausgeprägter Diskussionskultur? Diese Aussage des - na klar - Mehrheitsvertreters lässt darauf schliessen: "Eine Diskussion im Landtag macht erst Sinn, wenn es einen Vorschlag gibt hinter dem eine Mehrheit steht."