Lieb Vaterland?
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Ich war noch niemals in New York. Aber bitte mit Sahne. Vielen Dank für die Blumen. Griechischer Wein. Das sind nur einige (bekannte) der fast 1000 Songtitel eines Liedermachers, der vor 90 Jahren in einer Stadt geboren wurde, der es nie wirklich gelungen ist, den braunen Dreck der Großväter auf- und abzuarbeiten. Unter Beweis gestellt hat man dies gestern erneut an der Wahlurne: danke Klagenfurt, danke Kärnten, danke Österreich! Aber wie sich wehren, gegen die rechte Meute und ihre revisionistischen Aussagen? Vielleicht mit Musik, eines Kärntners, am heutigen Gedenktag?
Udo Jürgens konnte sich ebenfalls nicht wehren, als Jörg Haider einmal mit Fotograf beim Konzert auftauchte und auf einen gemeinsamen Schnappschuss drängte, oder als sein Pressesprecher und Spin-Doctor Stefan Petzner sogar seine Diplomarbeit über den großen Sänger in Angriff nahm und nie beendete. Manchmal kommt der Applaus eben von der falschen Seite. -
Wie kann Udo Jürgens politisch eingeordnet werden? „Wir waren alle sehr politisch. Auch Udo. Der hat sich ja in vielen Liedern – die Leute kennen ja nur die Hits – politisch geäußert“, erzählte Manfred Bockelmann gegenüber SALTO, als er im Juni 2023 in Sexten für eine Ausstellung geladen war. Er mache dies auch, aber man müsse dafür „den richtigen und passenden Weg finden.“
Wie Jürgen Udo Bockelmann ist sein Bruder Manfred in Klagenfurt am Wörthersee geboren. Der eine 1934, der andere 1943. Ab und zu unternahmen die Bockelmanns Familienausflüge nach Südtirol, denn hier liegt der Großvater begraben. „Das Ganze spielte sich im Spannungsfeld einer Scheidung ab“, erinnert sich Manfred Bockelmann. Der Großvater, ein bekannter und angesehener Bankier und Diplomat, hatte sich nämlich mit seiner neuen Partnerin Margarete „in Meran altersbedingt zurückgezogen“, wo er am 7. Februar 1945 verstarb. „Als mein Vater noch lebte, sind wir auf den Fahrten nach Italien mit der Familie immer wieder mal in Meran vorbeigekommen und haben das Grab des Großvaters besucht“, erinnert sich der Künstler, für den Udo Jürgens 1977 den Song Mein Bruder ist ein Maler geschrieben hatte.
„Die Politik“, beklagte Udo Jürgens einmal in einem Interview mit der Kleinen Zeitung (Österreich), mache ihm „die Liebe zur Heimat Kärnten und Österreich schwer.“ Auf Haider angesprochen meinte er: „Er war mit Sicherheit der Vater dieser faschistischen Tendenzen.“ Auch Manfred Bockelmann machte seine Erfahrungen mit dem Kärntner Freiheitlichen, als dieser immer wieder die Nähe zu seiner Kunst und Person suchte. Bockelmann entgegnete mit Haltung: „Wenn der Haider in meine Ausstellung kommt, dann verlasse ich sofort den Raum.“ Er selbst zeichne „gegen das Vergessen“, Kohlezeichnungen, die vor Augen führen „wie grausam die Verbrechen der Nationalsozialisten waren.“Ach dieses Kärnten. Es ist übrigens das einzige Bundesland in Österreich, welches nach dem 2. Weltkrieg das einst arm dastehende Südtirol finanziell nicht bezuschusste, wie dies die anderen Bundesländer vormachten. Kärnten verfolgte nämlich in Sachen Minderheitenpolitik eigene Regeln. Da man die eigene Minderheit der Kärntner Slowenen nicht unterstützen wollte, unterstützte die Kärntner Politik unmittelbar nach dem Weltkrieg auch nicht die Südtiroler Minderheitenangelegenheit, gemäß dem Motto: Lieber schäbig als gnädig.
Wie schäbig die Kärntner Politik mit der Minderheit der Slowenen im eigenen Land umgegangen war und ging, belegen zahlreiche Diskussionen und TV-Dokumentationen des Journalisten Claus Gatterer aus den 1970er Jahren. Gatterer wurde dadurch in Kärnten zur Persona non grata. Und nun? Droht schon wieder Gefahr, wieder aus Kärnten? Ja! Herbert Kickl, geboren 1968 in Villach, nur zwei Jahre nach dem Durchbruch von Udo Jürgens mit dem Lied Merci, Chérie beim Grand Prix Eurovision de la Chanson in Luxemburg. Binnen weniger Jahre stieg Kickl innerhalb der seit jeher intellektuell schwer angeschlagenen Partei rasch auf: zum Großmaul und Sprücheklopfer, zum Verdreher und Verleumder. Ist er nun schon bald (Volks-)Kanzler? Und wie steht er wirklich zu Südtirol?
In Kickls Geburtsstadt hat man übrigens einen kleinen Platz an der Kreuzung Widmanngasse/Lederergasse nach Udo Jürgens benannt, auch wenn die formelle Anerkennung Jahrzehnte gedauert hatte und erst 2019 über die Bühne ging.
„Lieb Vaterland, wofür soll ich dir danken?“, hat Udo Jürgens einmal gesungen. Das fragen sich seit gestern viele, in und um Österreich. Dennoch: Happy Birthday Udo!
Das Lied gefällt mir. Ebenso…
Das Lied gefällt mir. Ebenso "Tausend Jahre sind ein Tag".
"Und wann macht ihr die Waffen scharf?
Wenn ich das mal fragen darf
Zuletzt überaus treffend:…
Zuletzt überaus treffend: Der Tanz auf dem Vulkan.