Politik | Junges Wohnen

"Hotel Mama, weil’s anders nicht geht"

Hohe Mietpreise und fehlende Wohnungen geben jungen Menschen in Südtirol wenig Chancen. Ein Gespräch mit der Vorsitzenden des Südtiroler Jugendrings, Tanja Rainer.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Prati Gries Ipes
Foto: Ipes
  • Endlich fertig mit der Ausbildung. Schule abgeschlossen, vielleicht eine Lehre absolviert, vielleicht einen universitären Abschluss. Nun der Einstieg in die Arbeitswelt. Die erste eigene Wohnung gemietet, das erste Mal nicht mehr auf fremden Beinen. So sieht das Leben vieler junger Personen in Südtirol aus, oder? Leider nein. Hohe Mietpreise und fehlende Mietwohnungen hindern es jungen Menschen, selbstständig zu werden – mit schwerwiegenden Folgen für Jung und Alt in Südtirol. Das Problem ist bekannt – auch dem Südtiroler Jugendring (SJR). Diese hat dafür bereits vor mehreren Jahren eine Projektgruppe gegründet, welche sich mit dem Thema „Junges Wohnen“ auseinandersetzt. Ein Gespräch mit der Vorsitzenden des Südtiroler Jugendring, Tanja Rainer, über die Folgen eines solchen Wohnungsmangels und was sie sich von der neuen Landesregierung dazu erwartet.

  • Foto: SJR Tanja Rainer
  • SALTO: Welcher Situation müssen sich junge Menschen bei der Wohnungssuche in Südtirol stellen?

    Tanja Rainer: Die Wohnsituation für junge Menschen in Südtirol ist fast schon katastrophal. Eine jüngere Studie des Arbeitsmarktes hat gezeigt, dass viele Jugendliche Südtirol verlassen, weil die Lebensanforderungen zu hoch und nicht stemmbar mit den Durchschnittsgehältern sind. Eigentlich wäre das Wohnen ein Grundrecht. Junge Menschen sollten irgendwann diesen Weg in die Selbstständigkeit einschlagen dürfen. Stattdessen müssen sie oft bis zum 30. oder 40. Lebensjahr im Hotel Mama gastieren, da Mietpreise und Co. ihnen die Selbstständigkeit verwehren. 

    „Irgendwann will ein junger Mensch einfach selbstständig werden, auch wenn er noch so gut mit seinen Eltern auskommt“ – Tanja Rainer

    Wie viel sollte eine Miete für eine Durchschnittswohnung Ihrer Meinung nach kosten? 

    Man sollte maximal 30% des monatlichen Einkommens für die Miete ausgeben müssen, das sage ich als Volkswirtin. Jedoch sind solche Mietanteile in Südtirol unrealistisch. Junge Menschen haben oft ein niedrigeres Gehalt und müssten dann, um in Südtirol zu bleiben, 60-70% ihres Einkommens für die Wohnungsmiete ausgeben - von Eigentum reden wir gar nicht erst. Solche Preise nehmen ihnen die Gelegenheit, Geld anzusparen oder auch mal was auszugeben. Das macht Südtirol für junge Leute sehr unattraktiv. Noch gravierender ist die Situation für Studierende.

    Inwiefern?

    In den Studentenstädten Bozen, Brixen und Bruneck gibt es viel zu wenige Wohnungen für Studierende. Deswegen müssen jedes Jahr viele inskribierte Studenten ihren Studienplatz aufgeben und sich von der Universität abmelden. Es gibt einfach zu wenige Wohnungen, die ihrem Budget entsprechen.  

  • Bozen möchte sich zur Studenten-Stadt entwickeln, die Wohnungen dafür fehlen aber noch.
  • Woran liegt der Mangel an Mietwohnungen? 

    Ein Grund ist mitunter, dass in Südtirol über 70% der Wohnungen Eigentumswohnungen sind. Zurückzuführen ist dieses Phänomen auf den einst geförderten Wohnbau. Ohne Hilfe der Eltern ist ein Eigenheim zurzeit praktisch nicht leistbar, es benötigt also mehr Mietwohnungen. Solche werden jedoch meistens eher touristisch vermietet, zum Beispiel über AirBNB, und kommen für eine längere Miete nicht in Frage.

    Was wird gegen diesen Mangel an billigen Mietwohnungen getan?

    Ein Versuch, gegen diese Situation anzugehen, war etwa die Steuererhöhung für leerstehende Zweitwohnungen. Leider hat diese Maßnahme jedoch nicht den nötigen Erfolg erzielt. Es ist höchst an der Zeit, dass die Politik gemeinsam mit der öffentlichen Hand oder Nonprofit-Organisationen mehr billige Wohnungen auf den Markt bringt. Man nehme sich das Beispiel Wien oder Kitzbühel: Dort finanziert die öffentliche Hand leistbare Wohnungen und bietet diese für den Landesmietdienstsatz an. In dem Moment, in dem mehr Mietwohnungen auf den Markt kommen, sinkt auch der Preis der anderen Wohnungen, da sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bessert. 

    „Wenn jedes Jahr aufs Neue nur 20% der Studierenden aus dem Ausland zurückkommen, gehen uns irgendwann die Jugendlichen in Südtirol aus“ – Tanja Rainer

    Was erwarten Sie sich von der neuen Landesregierung?

    Ich erhoffe mir von der sich jetzt neu bildenden Landesregierung, dass sie eindeutige Maßnahmen setzt, um billigeres Wohnen in Südtirol zu ermöglichen – Möglichkeiten dazu gibt es genug. So stehen zurzeit über 500 Wohnungen im Besitz vom Wohnbau-Institut in Südtirol leer, da sie saniert werden müssen. Oft fehlt den Wohnungen nicht viel, einige müssten zum Beispiel nur neu geweißelt werden. 

    Was hat es mit den Sozialwohnungen vom Wohnbau-Institut auf sich?

    Bei den sogenannten WOBI-Wohnungen gibt es jedes Jahr eine Rangliste, anhand welcher bestimmt wird, wer einziehen darf. Einen Teilerfolg haben wir vor wenigen Monaten erzielt, als bestimmt wurde, künftig mehr dieser Wohnungen an junge Leute bzw. junge Familien unter 35 Jahren zu verteilen. Dennoch ist das nicht genug: Es ist wichtig, dass die leerstehenden WOBI-Wohnungen schneller saniert werden. Oft sind es nur bürokratische Hürden, welche die Sanierungen aufhalten. Ein weiterer Aspekt, bei dem ich mir neue Maßnahmen von der Landesregierung erwarte, sind die Zweitwohnungen. In Südtirol stehen 25% der Zweitwohnungen leer, viele der anderen 75% werden nur touristisch vermietet.

  • Das Wohnbau-Institut bietet per Rangliste Personen und Familien die Gelegenheit, verhältnismäßig billig eine Wohnung zu mieten. Auf dem Bild ein WOBI-Gebäude in Bozen in der Zone Kaiserau. Foto: Ipes
  • Wieso werden Südtiroler Zweitwohnungen nur ungern vermietet? 

    Eine Wohnung zu vermieten, birgt einen Aufwand und muss sich lohnen. Wenn die Sorge vor Mietern, die ihre Beiträge nicht zahlen oder die Wohnung verkümmern lassen, überwiegt, behalten sich viele ihre Zweitwohnungen lieber leer. Auch hier benötigt es einen Eingriff der Regierung, um die Vermieter zu unterstützen. Weiters könnten Besitzer von Zweitwohnungen zum Beispiel mit Steuerabsetzungen zur Vermietung motiviert werden. Das ist zum Beispiel in Österreich der Fall, dort sind gewisse anfallende Kosten für Vermieter, wie zum Beispiel Reparaturen, von der Steuer befreit. Wenn es einer Südtiroler Familie nicht lukrativ erscheint, ihren Zweitwohnsitz zu vermieten, wird sie es nicht tun.

    Wie geht es Ihrer Meinung nach jetzt weiter?

    Wenn es so weiter geht, wie bisher, wird Südtirol immer unattraktiver für junge Familien. Ich erwarte mir ehrlich gesagt viel von der neuen Landesregierung. Das leistbare Wohnen war in den Wahlprogrammen der Parteien oft ein zentraler Kern, jetzt müssen die Maßnahmen folgen – und zwar schneller und nicht wie im bisherigen Tempo.

    „Wenn Südtirols Bevölkerung immer nur älter wird, hat das Land irgendwann keine Zukunft mehr“ – Tanja Rainer

    Was bedeutet es für Südtirol, wenn junge Familien vermehrt wegziehen?

    Junge Menschen sind essenziell für die Entwicklung Südtirols. Alte Menschen gehen in Rente, ihre Stellen müssten mit jungen Menschen nachbesetzt werden. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Südtirol muss jetzt schon Arbeitskräfte importieren, um Stellen zu besetzen. Und auch diese Personen kommen nur, wenn sie eine billige Wohnung in Südtirol finden. Es muss jetzt etwas passieren, der Druck steigt von allen Seiten, nicht mehr nur von der Seite der Jugend – das war noch nie so. So denke ich, dass die neue Landesregierung schnell handeln wird. 

    Südtirol steht also vor einer entscheidenden Phase?

    Südtirol muss sich jetzt die Frage stellen, will es in Richtung Monaco gehen oder will es endlich leistbares, gerechtes und soziales Wohnen schaffen. Das ist für mich die provokante Frage, weil ohne sofortige Maßnahmen werden wir wirklich wie Monaco. Nur noch die Reichen leben bei uns, Junge kommen nie zurück. Wollen wir das wirklich?

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Salto User
Günther Alois … Mi., 03.01.2024 - 06:58

Diese katastrophale Wohnungssituation haben wir einzig und allein der Svp regierenden Partei zuzuschreiben.Bis jetzt war eher" Monaco" gefragt,nicht Südtirol für die Politobergurus! Danke Frau Deeg,dass so viele vermietbaren Sozialwohnungen leer bleiben!!! Habt ihr keine Handwerker gefunden in den letzten 10 Jahren,ihr SCHLÄFER?????

Mi., 03.01.2024 - 06:58 Permalink
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Josef Fulterer Mi., 03.01.2024 - 07:27

Aufräumen beim W O B I !!!
"Mieter die nicht mehr die WOBI-Voraussetzungen haben ..., mit Mieten zu Marktpreisen!"
"Wieder-Vermietung der verlassenen WOBI-Wohnungen nach den notwendigen Reperaturen, statt der W O B I - GENERALSANIERUNG ..."
Schließlich auch "passende STEUER-liche MAßNAHMEN" bei den MIETEINNAHMEN + bei AirBNB + ZWEITWOHNUNGEN + nicht vermieteten Wohnungen.

Mi., 03.01.2024 - 07:27 Permalink
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Am Pere Mi., 03.01.2024 - 09:17

In den 60er-Jahren sind viele Südtiroler nach Deutschland, Österreich oder in die Lombardei gegangen um Arbeit zu finden. In die Schweiz sowieso.
Damit ist alles gesagt, Südtirol ist auf dem Weg in einen jämmerlichen Zustand; und großen Anteil hat die SVP mit ihren Vasallen.

Mi., 03.01.2024 - 09:17 Permalink
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Cicero Mi., 03.01.2024 - 11:31

Bei den ganzen Kränen, die man in Südtiroler Ortschaften sieht, wage ich die provokante Aussage, dass es quantitativ gar nicht mal zu wenige Wohnungen gibt, vielleicht besitzen sie aber die Falschen? Südtirol ist doch schon seit Jahren ein Zweitwohnungs El Dorado für Nicht-Südtiroler aus dem bundesdeutschen oder oberiatlienischen Raum. Hier muss angesetzt werden um solche Fehlentwicklungen zugunsten weniger und auf Kosten vieler zu verhindern.

Mi., 03.01.2024 - 11:31 Permalink
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nobody Mi., 03.01.2024 - 19:33

Die Politik hat darauf keine Antwort, außer einer unsinnigen GIS-Regelung, die nichts bringt, Mieten verteuert und den Mittelstand ein weiteres Mal aussackelt.

Mi., 03.01.2024 - 19:33 Permalink