Wann ist ein Mann ein Monster?
Meine Frau Jill Meagher wurde am 22. September 2012 auf ihrem Nachhauseweg von einem Pub in einem Vorort von Melbourne überfallen, vergewaltigt und erwürgt. Sechs Tage später wurde ihre Leiche 50 Kilometer entfernt vergraben gefunden. Drei Tage nachdem Jills Leiche entdeckt worden war, nahmen 30.000 Menschen an einem Trauermarsch entlang der Hauptstraße unseres Wohnorts teil. Ich sah im Fernsehen, wie all diese Menschen auf das, was Jill angetan worden war, mit Mitgefühl reagierten. Wie sie Anteil nahmen.
Ich hatte mir eingeredet, dass dieser Mann kein Mensch war, sondern das personifizierte Böse. Doch etwas an seiner Fähigkeit, Wörter zu sinnvollen Sätzen zu verbinden, zwang mich nun dazu, meine Sichtweise zu hinterfragen. (...) Ich verließ das Gericht an jenem Tag mit dem Wissen, dass ich mir ein neues Bild vom gesellschaftlichen, institutionellen und kulturellen Kontext machen musste, in dem ein Mann wie er sozialisiert wird und lebt.
Dadurch, dass der Mörder meiner Frau wirklich den Archetyp eines „Monsters“ darstellte, gab er dem weitverbreiteten Mythos Nahrung, wonach Männer, die Frauen vergewaltigen, gewalttätige Fremde sind, die ihren Opfern nachstellen und zuschlagen, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet. Dieser Mythos verzerrt die Wirklichkeit. Er betont die seltenste Form von Vergewaltigung und ignoriert die ganze Bandbreite an nicht einvernehmlichem Sex, der täglich stattfindet. Er dient dazu, den Grund für Vergewaltigungen eher im Verhalten des Opfers zu suchen als beim Täter.
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Männerphantasien
Endlich ein männlicher Artikel zum Thema. Warum beschäftigen sich Männer anscheinend weniger mit diesem Thema und warum - wenn sie es tun (meist als Reaktion auf einen weiblichen Artikel) - oft mit einem auffallenden Unbehagen, das leicht in Aggression umschlägt?
Mir fällt auf wie viele Männer aller Altersklassen es gibt, die überzeugt sind, die Opfer der Frauen zu sein und die Dinge sagen wie "hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine einflussreiche Frau" und "hinter jedem gescheiterten Mann sowieso"... Viele Männer fühlen sich den Frauen grundsätzlich ausgeliefert und unterlegen, meist angefangen von der eigenen Mutter. Manche von ihnen sehen vermutlich nur in der Gewaltausübung eine Möglichkeit der Selbstverwirklichung, andere sympathisieren mit dieser Gewalt oder relativieren sie (meist durch Witze) viele stecken schlicht den Kopf in den Sand.
Ich denke, nur eine Minderheit der Männer haben sich aktiv mit dem Problem der Gewalt an Frauen auseinandergesetzt, denn letzteres würde für viele bedeuten, sich einer Art Psychoanalyse zu unterziehen... aber wie anders können wir begreifen was es auf sich hat mit dem " tief sitzenden Sexismus und den fest verwurzelten Männlichkeitsvorstellungen, die unsere Gesellschaft durchdringen"?
Dabei wurde die Thematik bereits 1977 im zweibändigen Werk "Männerphantasien" von Klaus Theweleit (Verlag Roter Stern) bereits ausgiebig analysiert (habe gerade recherchiert und gesehen, das es noch erhältlich ist). Sehr empfehlenswert.
Incipit: "Hoffentlich fällt die Macht eines Tages allen Menschen auf den Wecker" (Vlado Kristl)
Lust-Trieb-Macht-Gewalt/Männerfantasien
Die Stellungnahme dieses Mannes macht mich betroffen, andererseits bewundere ich seinen Weitblick und die Stärke zu dieser unerträglichen Situation Stellung zu nehmen aus verschiedenem Blickwinkel. Persönlich empfinde ich die Stellung der Frau auch in unserer zivilisierten modernen westlichen Gesellschaft noch schwach und erinnere Frank an die patriarchalische Position des Mannes noch vor 50 Jahren in unserem Land hier. Die finanzielle Abhängigkeit der Frau von ihrem Mann, machte dessen Machtposition ein leichtes Spiel. Diese Zeit ist also nicht lange hinter uns, dass mancher Mann nun mit der geänderten Rolle der Frau nicht zurechtkommt, ist Tatsache ..persönlich erlebte ich mehrere sexistische Gewaltübergriffe, beginnend ab meinem 13. Lebensjahr..meist Männer die wahrscheinlich kein gesundes Sexualleben hatten. Dass wir Frauen von Natur aus schwächer sind als der Mann, ist ein Grund. Der weibliche Part in uns ist sensibel, emotional stärker entwickelt, die verbale Kommunikationsfähigkeit meiner Meinung nach meist besser.
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Erdbevölkerung
Bill Bryson hat es so gesagt: "Stellt man sich die 4,5 Milliarden Jahre Erdgeschichte zusammengedrängt auf einen einzigen Tag vor, beginnt das Leben um 4 Uhr morgens (Einzeller), die Dinosaurier erscheinen um 23 Uhr und verschwinden 21 Minuten vor Mitternacht, um den Säugetieren zu weichen. Der Mensch taucht eine Minute und 17 Sekunden vor Mitternacht auf. Unsere schriftlich belegte Geschichte ist also in diesem Maßstab nur einige Sekunden lang". Unsere Entwicklung vom Urvieh zum humanistisch gesinnten Menschen, bis hin zum Gedanken der Gleichheit zwischen den Geschlechtern entsprechen also Millisekunden. Die Mehrheit der Weltbevölkerung spielt übrigens noch nicht einmal mit diesem Gedanken, angesichts der heutigen Geschehnisse in Ländern wie Syrien oder der Zentralafrikanischen Republik, wo eine Vergewaltigung nichts und ein Mord sehr wenig gilt.
Dies fiel mir nur ein zu deiner richtigen Feststellung der Position des Südtiroler Manns vor 50 Jahren. Wir sind einerseits sehr ungeduldig mit unserer (relativ schnellen) Entwicklung, andererseits sind wir weltweit sehr unterschiedlich unterwegs und keineswegs linear. Viele Gesellschaften haben sich auch zurückentwickelt, was mich zur Annahme veranlasst, dass die wirtschaftlichen Bedingungen die gesellschaftlichen - und somit auch den Gebrauch von Gewalt - mehr bedingen als alles andere.
Dennoch steckt eine gewisse Gewalt gegenüber Frauen auch in den reichsten und intellektuell entwickeltsten Gesellschaften tief in der Psyche vieler Männer. Es muss etwas mit der Beziehung Mutter-Kind und Erziehung zu tun haben...
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Kann man Gewalt nur mit Bosheit erklären
Wenn man diese Beiträge liest, könnte man denken, dass Gewalt nur Frauen trifft. Ich glaube aber, dass nach wie vor mehr Männer Opfer von Gewalt sind als Frauen, dass auch die Mordopfer in der Mehrzahl Männer sind. Auch unter anderen Lebewesen in der Natur ist Gewalt an der Tagesordnung und sie ist meistens männlich. Ich glaube männliche Gewalt - oder Gewalt allgemein - muss man weiter sehen. Sie nur mit Bosheit und Monster-tum zu erklären, ist zu einfach. In der Tiefenpsychologie hat man - zumindest in der Vergangenheit - behautet, dass jeder Mensch ein potentieller Mörder sei - wohl auch der weibliche Mensch.
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@Sepp Bacher
Die Analyse stimmt nur teilweise.
Betrachtet man die jährliche Statistik der Tötungsdelikte in Italien (dasselbe gilt aber auch in den meisten anderen europäischen Ländern) erkennt man, dass die Zahl männlicher Opfer höher ist als jene der weiblichen.
Der Teufel steckt im Detail. Ausgehend von der Maxime Gewaltverbrechen zu verhindern, kommt man nicht um eine genaue Analyse der jeweiligen Motive der TäterInnen herum. Das Erschreckende dabei ist, dass diese Motive sehr unterschiedlich sind, je nach Geschlecht des Opfers.
Frauen werden meistens Opfer von Menschen (meist männlichen Geschlechts) aus ihrem nahen Umfeld. Bei jährlich ungefähr 120 getöteten Frauen in Italien sind in nahezu 100 Fällen Familienangehörige, ehemalige Geliebte bzw. Partner sowie Ex- Ehemänner die Täter.
Bei den Tötungsdelikten (aber nicht nur) gegen Männern gibt es dieses Phänomen interessanterweise nicht. Hierin liegt das Problem. Die Frage ob der divergierenden Tatmotive, je nach Geschlecht des Opfers, muss gestellt werden. Wenn man von Gewalt gegen Frauen spricht man daher unweigerlich von Gewalt von Männern gegen Frauen sprechen und deren Ursachen. Das hat mit gesellschaftlichen Umfeld zu tun, sowie mit Rollenbildern. Zu sagen, dass jeder Mensch, ob Frau, ob Mann, eine gewisse Tendenz zum Bösen in sich trägt - was ich keineswegs verneine - ist zu einfach.
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@ Sepp
um zu vermeiden, dass auch dieser blog ein Chaos wird, sollten Sie nicht blind die Kommentare kommentieren, sondern zuerst den Leitartikel lesen, dessen Grundbehauptung ja gerade die ist, dass das Bild des "Monsters" nicht in der Lage ist, das Phänomen der Gewalt zu erklären. Das braucht man also nicht zu wiederholen.
Außerdem kommen wir zu keinem Ergebnis, wenn wir vom Thema abschweifen. Hier geht es um die Gewalt an Frauen, nicht um Gewalt schlechthin. Es ist auch wenig zielführend zu sagen, dass Männer zahlenmäßig mehr Gewalt erfahren, denn jeder weiß, dass sich Männer eher bekriegen als Frauen und praktisch alle Soldaten oder Milizen aus Männern bestehen. Umgekehrt bekriegen sich Frauen praktisch nie - zumindest physisch.
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Ist die Kriminalisierung von Gewalt der einzige Weg?
@ Stefan Kerschbaumer
Ja deinem Beitrag kann ich ohne weiteres zustimmen. Gut dass du auch konkrete Zahlen kennst, ich konnte die leider nicht finden.
@Frank Blumtritt
Du hast recht, ich hatte nur das gelesen, was auf diesem Portal steht. Und ich habe aus einer Assoziation zu den gelesenen Meinungen reagiert.
Beim Thema bleiben: Ich lese immer nur von Gewalt von Männern an Frauen und Kindern. Ich würde das Thema auch einmal gerne allgemein diskutiert sehen, wo auch vorkommt, dass auch Männer Opfer von Gewalt (auch von männlicher) sind und nicht nur im Krieg.
In diesen Zusammenhang stört mich bei Meldungen, wenn Zivilpersonen bzw. Frauen und Kinder als Opfer besonders erwähnt werden, als wäre es um die toten Männer bzw. Soldaten nicht schade.
Vor 20 Jahre z. B. hat man auch noch von der Beziehung zwischen Opfern und Tätern diskutiert. Von Konfliktlösungs-Strategien, die auch die Frau lernen muss. Es wahr auch Selbstverteidigung für Frauen ein Thema.
Ich glaube nicht, dass man Familienprobleme in erster Linie durch Anzeigen und von Gerichten lösen kann.
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@sepp
Die Aufmerksamkeit gegenüber Frauen und Kindern ist mehr als gerechtfertigt: Zu allen Zeiten war die Zivilbevölkerung das größte Opfer von Kriegen und sie haben keine Wahl, sie können nicht einmal desertieren. Frauen und Kinder sind die Zukunft, das wahre Kapital jeder Gesellschaft. Ihr Opfer beeinflusst die Gesellschaft noch Jahrzehnte nach Kriegsende (weshalb sie ja gerade oft gezielt geopfert werden, um den Feind so nachhaltig auszulöschen!). Daher die gerechtfertigte Aufmerksamkeit ihnen gegenüber.
Dazu kommt noch, dass die Kriege zwischen Soldaten von Nationalstaaten immer seltener werden. Profisoldaten arbeiten heute auf Distanz (Extremes Beispiel: Drohnen) und machen mehr Zivilopfer als in früheren Kriegen. Heute bekämpfen sich immer mehr Milizen, immer häufiger sogar Kindersoldaten. Somit hat sich das Kriegsgeschehen immer mehr in die Wohnorte verlegt. Eine klassische Front an der Grenze gibt es kaum mehr...
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@Sepp Bacher
Ich bin mir nicht sicher ob ich deinen Kommentar richtig verstanden habe.
"Ist die Kriminalisierung von Gewalt der einzige Weg?" - Ist Gewalt nicht per se kriminell? Man kann nicht kriminalisieren was schon per se kriminell ist. Unser Strafgesetzbuch sieht Strafen für Formen von physischer und psychischer Gewalt vor. Ist somit nicht jeder, der Gewalt ausübt, kriminell?
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Leider weiß ich nicht wie die Diskussion um Gewalt vor 20 Jahren geführt wurden, denn vor 20 Jahren war ich gerade dabei das ABC zu erlernen. Somit kann ich darüber nichts sagen. Jedoch kann ich etwas dazu sagen, wie die Diskussion heute geführt wird. Dabei spreche ich nicht von Dingen wie "Stoppt die Gewalt" à la Dolomiten und Company. Ich spreche von den fundierten, oft auch wissenschaftlichen Diskussionen.
Auch heute wird von der Beziehung zwischen Opfer und Täter gesprochen (siehe mein obiger Kommentar). Aber neben der Betrachtung des einzelnen Falles (bei der die effektiven Umstände der Tat untersucht werden, nicht zuletzt um die Schuldfrage zu lösen), findet auch eine Untersuchung des gesellschaftlichen Kontextes statt. Dies geschieht aus der Erkenntnis heraus, dass unsere Umwelt (sprich die Gesellschaft in der wir aufwachsen, inklusive der geschlechtlichen Rollenbilder, die wir von klein auf erlernen; die Religion; u.v.a.) unser Denken und unser Handeln mehr bestimmt als uns allen lieb ist. Der daraus entstehende Diskurs kann heute vielleicht detaillierter sein und bewirkt, dass bestimmte Denk- und Handelsmuster in Frage gestellt werden. Für viele mag dieser Prozess nicht schmerzfrei sein, stellt er doch ihr eigenes Selbstverständnis (als Mann oder als Frau) in Frage.
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Eine Frage zum Schluss: Selbsverteidigungskurse für Frauen gut und recht, aber ist der beste Opferschutz nicht der, dass man dem potenziellen Täter/ die potenzielle Täterin davon abbringt überhaupt zum Täter/ zur Täterin zu werden? Bzw. wie sollen Schutzbefohlene (sprich Kinder u.a.) lernen sich selbst zu verteidigen?
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@stephan
was @sepp mit "Kriminalisierung von Macht" gemeint hat, weiß ich nicht. Ethisch gesehen ist das ein Paradoxum.
Allerdings stimmt es nicht, dass Gewalt automatisch kriminell ist, denn sie hat viele Schattierungen, die der Gesetzgeber unmöglich alle berücksichtigen könnte. Wenn zB Frauen berechtigte Angst haben müssen, bestimmte Orte alleine aufzusuchen, dann ist das auch eine Art Gewalt. Bestimmte Anzüglichkeiten in der Öffentlichkeit sind ebenfalls sehr schwer beweisbar und die Gegenwehr der Frauen bewirkt oft weitere Gewalt ihnen gegenüber. Aber vor allem kann das Gesetz nur das ahnden, was eingeklagt wird (abgesehen von offensichtlichen Delikten, die von Amts wegen verfolgt werden) und eben das ist der schwache Punkt. Für viele Frauen in der Welt ist es gefährlich die Aggressoren anzuklagen, da sie dann meist erneut zum Opfer werden. Die Angst, etwas einzuklagen und dann nicht recht zu bekommen, ist ebenfalls eine von Frauen gefürchtete Form von Gewalt. Auch wenn ein Prozess Jahre dauert (wie in Italien) und frau in der Zwischenzeit dem Hass der Beklagten ausgesetzt ist, ist das eine Form von Gewalt.
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Wo beginnt und wo endet Gewalt?
@Frank Blumtritt
Ich wollte sagen, jeder Soldat ist auch ein Mensch mit Gefühlen, mit einer Geschichte, mit Beziehungen, mit einer ganz besonderen Wertigkeit. Deshalb ist auch jeder tote Soldat ein Toter zu viel und löst ebenso bei vielen Personen Schmerz aus - unabhängig, ob er nun aus freien Stücken oder aus Pflicht dieses Militärdienst leistet.
@Stefan
Du hast Recht, in Zusammenhang mit Mord und grober Gewalt ist die Infragestellung der Kriminalisierung von Gewalt wirklich fehl am Platz. Da habe ich meine Gedanken nicht sauber getrennt. Ich musste auch erst die genaue Definition von "kriminell" nachschlagen und feststellen, dass du auf voller Linie Recht hast. Das Gesetz verbietet effektiv auch die kleinste Form von körperlicher Gewalt. Und dort hat mein Gedanken angesetzt, dass ich denke, man kann doch nicht jede Kleinigkeit die diesbezüglich in einer Beziehung passieren kann, zur Anzeige und vor den Richter bringen. Es muss doch auch andere Wege geben? Ich selber habe eine Watschn vom Vater als viel weniger schlimm empfunden, als z. B. bestimmte verbale Abwertungen. Und Ähnliches erzählen auch andere Bekannte. Nun sagst du, auch psychische Gewalt ist vom Gesetz verboten. Aber wie und wo willst du diese festmachen, einerseits? Und andererseits, da müssten bestimmte Partner und Kinder ja täglich zur Polizei. Außerdem ist mE psychische Gewalt und Manipulation auch eine Spezialität von Frauen und Müttern. Und darunter leiden nach meiner Erfahrung auch viele Menschen.
Ich glauben, dass im privatem Umfeld auch der Partnerin/Mutter hie und wieder die Hand auskommt. Es wird aber wohl kaum einen Mann geben, der deswegen zur Polizei geht. Ich glaube, dass man in dieser Angelegenheit von einem Extrem ins andere gefallen ist und dass man wieder einen Mittelweg finden muss.
Du schreibst: "Unser Strafgesetzbuch sieht Strafen für Formen von physischer und psychischer Gewalt vor. Ist somit nicht jeder, der Gewalt ausübt, kriminell?" Ich frage dich: Sind wir dann fast alle kriminell? Denn psychische Gewalt ist wohl unendlich dehnbar?
Zu deinem Schlusssatz möchte ich sagen: Der potentielle Täter (also wir alle) wird erst unter bestimmten Bedingungen und Voraussetzungen zum wirklichen Täter. Und die Vorbeugung ist auch, dass beide Partner die Verantwortung für ein entspanntes Klima übernehmen.
@Frank Blumtritt
Die Formulierung "Kriminalisierung von Macht" stammt nicht von mir.
In bestimmter Hinsicht ergänzst du noch meine Ausführungen von oben. Aber wenn man wirklich alle Gewalt - die als solche definiert werden kann - einklagen will, dann braucht es für jedes Dorf einen Richter. Zum Glück passiert das nicht - und ich hoffe, dass der Denkfehler, dass man durch Anzeigen und Richter solche aller-menschliche Probleme lösen kann, nicht länger die Meinung beherrscht!
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@ Frank
Wahrscheinlich war mein Kommentar nicht so eindeutig, wie ich das gedacht hatte. Das Wort "kriminell" ist für gleichbedeutend mit "etwas strafrechtlich Relevantes". Das Strafrecht geht immer von der individuellen Tat und der individuellen Schuld aus. Wenn ich also schreibe "Ist somit nicht jeder, der Gewalt ausübt, kriminell?", dann meine ich damit, dass jedes Individuum, das eine strafrechtlich relevante Tat vollführt, im vollen Bewusstsein und in Abwesenheit von höherer Gewalt oder Notwehr, so handelt dieses Individuum kriminell. Dies gilt (mittlerweile) auch für viele Formen der psychischen Gewalt (z.B. beim Straftatbestand der Nötigung).
Ich gehe mit dir dennoch d'accord in der Annahme, dass psychische Gewalt, selbst wenn sie von einem Individuum ausgeht, viele Schattierungen besitzt, die das Strafrecht nicht immer abzudecken weiß. Hierbei ist das "Stalking" beispielgebend. Der Gesetzgeber hatte bereits Schwierigkeiten eine genaue Definition zu finden. Als er diese gefunden hat, war sie nicht allumfassend.
Ich bin der Meinung, dass eine Straftat kriminell ist, schon bevor der Strafrichter sein Urteil spricht. Schließlich begrenzt sich der Richter auf die Feststellung und strafrechtliche Würdigung einer bereits geschehenen Tat zum Zwecke der Strafzumessung. Die Probleme, die du zum Ende des Kommentars beschriebst, sind daher Probleme der Strafverfolgung. Ich gebe dir vollkommen recht, dass diese (in Italien) ineffizient und zu langsam ist. Das gilt auch für die Strafzumessung (zu hohe Grenze für die Aussetzung zur Bewährung einer Freiheitsstrafe) aber auch dem Strafvollzug (zu viele Bonusse und daher zu frühe Entlassung der Verurteilten, begleitet durch die Abwesenheit effizienter Resozialisierungsmaßnahmen, wie Berufsausbildung, usw., während der Haft). Dies alles wird erschwert durch ein gravierendes Desinteresse des Staates um die Belange des Opfers (psychologische Betreuung, Opferschutz - v.a. bei Gewalttaten innerhalb der Familie - , Hilfe bei Schadensersatzklagen, usw.).
Du schreibst noch von einer anderen Form der psychischen Gewalt und zwar von der Form von Gewalt, die die Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit von Menschen (v.a. von Frauen) einschränkt, indem diese sich gezwungen fühlen gewisse (gefährlichen) Orte zu meiden ohne, dass es einen Täter/ eine Täterin gibt. In dieser Hinsicht von kriminell zu sprechen ist fehl am Platz. Es fehlt ein Täter/ eine Täterin und somit auch eine Tat, die kriminell sein könnte. Diese Art von Gewalt ist von gesellschaftliche, nicht strafrechtlicher Relevanz.
PS: Sorry um den langen Text. Wenn ich einmal Fahrt aufnehme, bin ich fast nicht mehr zu stoppen. :-)
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@ Sepp
Ich muss dir widersprechen.
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Es muss doch auch andere Wege geben? Diese Frage ist in der Tat richtig, sie ist aber am falschen Ort gestellt. Es gilt nicht die Frage ob es andere Wege zur Anzeige von Gewalt gibt, sondern ob es andere Wege zur Gewalt gibt. Gewalt löst keinen Konflikt. Sie ist nur ein Instrument des Stärkeren.
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Ich selber habe eine Watschn vom Vater als viel weniger schlimm empfunden, als z. B. bestimmte verbale Abwertungen. Diese beiden Formen der Konfliktbewältigung sind nicht die einzigen. Es gibt nicht nur Watschn oder "verbale Abwertung" (sprich Beleidigung), sondern auch den Dialog und den Streit (also eine etwas deftigere Form des Dialogs)
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Der potentielle Täter (also wir alle) wird erst unter bestimmten Bedingungen und Voraussetzungen zum wirklichen Täter. In der Tat sind Umweltfaktoren mitbestimmend für die Anwendung von Gewalt. Es liegt aber in der Eigenverantwortung eines jeden von uns zu lernen mit den verschiedensten Umständen umzugehen. Am Ende des Tages sind nur wir selbst dafür verantwortlich, was wir getan haben und müssen für die Konsequenzen geradestehen. Zurecht sind es nicht die "Bedingungen und Voraussetzungen", die bestraft werden, sondern der Autor/die Autorin der Tat.
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Ich glaube, dass man in dieser Angelegenheit von einem Extrem ins andere gefallen ist und dass man wieder einen Mittelweg finden muss. Ich denke, du setzt voraus, dass Gewalt (in jedweder Form, auch in der Familie) etwas Normales sei. Genau das ist sie nicht. Gewalt ist nicht normal und darf es auch nicht sein. Wir sollten darüber diskutieren, wie Gewalt verhindert werden kann, anstatt darüber, ob (vermeintlich nicht so schlimme) Gewalt in der Familie zur Anzeige gebracht werden sollte oder nicht.
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Außerdem ist mE psychische Gewalt und Manipulation auch eine Spezialität von Frauen und Müttern. Und darunter leiden nach meiner Erfahrung auch viele Menschen. Diese Behauptung ist sexistisch.
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PS: Wir leben in einer individualisierten Gesellschaft, in der die Freiheit des Einzelnen einen hohen Stellenwert hat. Nun ist genau Gewalt, in all seinen Facetten, genau jener Faktor, der die Freiheit von jedem von uns massiv beschränkt aus Angst vor den Folgen der Gewalt.
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Probleme durch Polizei und Justiz regeln??!
Stefan, du träumst also von einer Gesellschaft, in der auch die kleinsten Probleme durch Anzeigen, Polizei und Justiz geregelt und geahndet werden. Du glaubst, dass durch genügend Strafen Straftaten wie Gewalt-vergehen in Zukunft nicht mehr vorkommen werden. Als angehender Jurist (vermute ich mal) wirst du dann in dieser Gesellschaft einen sicheren, gut bezahlten Arbeitsplatz und eine bestimmende Rolle haben. Sicher ein schöner Traum!
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Reproduktionskapital
Wenn man auf eine krude Reproduktionslogik zurückgreift stimmt das sicher. Interessant ist das auch wenn man das Wort Kapital von seinen etymologischen Wurzeln her betrachtet. So bedeutetete Kapital die Anzahl des Viehbestands durch die gezählen Köpfe.
Es wäre interressant zu erörtern in wie weit durch so eine Aussage der einzelene Mann als Individuum abgewertet wird. So besteht in dieser Diskussion allgemein die Gefahr dass man gewalt als männlich verortet und weibliche Gewalt ausschließt. Dies ist ein phänomen das ich öfters in meinem Bekanntenkreis feststellen konnte. So werden Männer und Kinder auch durch Frauen mishandelt. Wenn eine Frau gewalt ausübt wird das anders bewertet als wenn ein Mann dies macht. So hat einmal eine Frau in einer Runde gesagt sie habe heute ihren Mann georfeigt. Dies fiehl geradzu unter dem Tisch. Hätte der Ehemann dies bei seiner Frau getan stelle ich mir zumindest eine andere Reaktion vor.
Ich stimme mit der Grundthese des Artikels überein, dass Gewalt keine biologische Anomalie ist. Ich habe das spätestens nach der Lektüre von Bestie Mensch von Thomas Müller begriffen, doch dieser Artikel bestärkt auch die Sterotype vom gewaltätigen aktiven demonischen Täter der potentiell in allen Schlummer und stellt auf der anderen Seite das unschulige passive Opfer.
Dieses Bild wird so stark verteidigt, dass dafür auch potentielle Gewalt von Frauen gegen Kindern tabuisiert wird:
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/gefeuerte-gleichstellungsbea…
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@ Sepp
Ich träume von einer Gesellschaft, in der Gewalt als das gesehen ist, was es ist: die schlechteste aller Formen der Konfliktlösung. Dementsprechend sollten wir nicht darüber diskutieren, ob alle Gewalttaten - und ich sage es noch einmal: es gibt nicht vermeintlich "weniger/nicht schlimme" Gewalttaten; Gewalt ist für das Individuum, das Gewalt verspürt immer schlimm - gerichtlich verfolgt werden sollen oder nicht (eigentlich sollte dies ein Allgemeinplatz sein). Wir sollten darüber diskutieren, wie wir unsere Gesellschaft gestalten, damit Konflikte gewaltfrei vonstatten gehen.
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@ Oliver
>>Von dieser Warte aus betrachtet, ist Rechtssprechung alleine sicher nicht die Lösung, (...) Ich werde nicht müde, in diesem Zusammenhang die Bedeutung der menschlichen Psychologie zu unterstreichen.>Ausgehend von der Maxime Gewaltverbrechen zu verhindern, kommt man nicht um eine genaue Analyse der jeweiligen Motive der TäterInnen herum. Das Erschreckende dabei ist, dass diese Motive sehr unterschiedlich sind, je nach Geschlecht des Opfers.
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Reflektierte Erfahrung kontra Wissenschaft
@Stefan
"...dass die Motive für Gewaltverbrechen u. a. mit dem Geschlecht des Opfers korrelieren." - Man weiß, dass auch in Paar-Beziehungen zwischen zwei Männern oder zwischen zwei Frauen körperliche und psychische Gewalt vorkommt, analog zu den heterosexuellen Beziehungen. Gewalt ist also nicht (nur) vom Geschlecht abhängig sondern von persönlichen Faktoren aber noch viel mehr von der Dynamik und Rolle in einer Beziehung ab, sowie von deren Kommunikation und Konfliktbewältigungsstrategien. Ebenso wissen wir, dass Männer auch Männer misshandeln und töten bzw. dass Männer auch Opfer sein können - auch von Frauen.
Du machst es dir einfach, wenn du mir Vorurteile unterstellst. Man kann auch im Laufe der Berufs- und Lebenserfahrungen (z. B. durch Beratung und Supervision reflektiert) zu Meinungen und - wenn du willst - auch zu begründeten Urteilen kommen.
Eigenartige Vorstellung, dass dir jemand mit seiner Meinung gleich eine wissenschaftliche Analyse und Begründung mitliefern muss! Bist du Wissenschafts-gläubig? Glaubst du wirklich, dass Wissenschaft neutral und nur "wissenschaftlich" ist? Nach meiner Erfahrung gibt es fast zu jeder Meinung und Behauptung auch eine passende Studie.
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Meine Herren....
Meine Herren, vielleicht sollten wir bei der Sache bleiben...
Natürlich üben auch Frauen Gewalt aus, sowie psychische, als auch physische. Physische Gewalt ist ja immer nur eine Eskalation mangelnder Argumentation (der Krieg ist Diplomatie mit anderen Mitteln, heißt der Spruch, oder so ähnlich...).
Tatsache ist aber, dass dieses Mittel der physischen Gewalt von Männern enorm öfter angewandt wird als von Frauen und dass es die Männer sind, die vergewaltigen und nicht die Frauen. Die Frage ist: warum? Das ist unser Thema bitte!
Niemand will hier Frauen von ihrer Verantwortung befreien oder sie a priori von jeglicher Gewaltanwendung freisprechen und auch Kinder üben Gewalt aus, wenn sie gelernt haben, dass dies der Weg zum Erfolg ist.
Mich hätte Eure geschätzte Meinung zu meinem "Versuch einer Analyse" interessiert, vor allem zum dritten Punkt (Sexualität), weil mir dieser besonders komplex und für die Grundproblematik wichtig erscheint...
zu deinen Gedanken
zu 1) Sich selbst beeinflussen ist das schwerste überhaupt (aber auch irgendwie der Sinn des Lebens schlechthin). Die Anderen beeinflussen wir immer - so oder so. Das ist die Verantwortung aller Menschen: dass es nie egal ist was wir tun - die "Verantwortung der Männer" fällt wieder in das Gender-Schema. Niemand hat mehr oder weniger Verantwortung, denke ich.
zu 2) Den Zusammenhang zwischen der (individuellen) Gewalt einzelner Männer an einzelnen Frauen und dem Milgram-Experiment kann ich nicht nachvollziehen. Letzteres beschäftigt sich mit der Beeinflussung des Handelns eines oder mehrerer Menschen durch Autorität. Die Gewalt an einer Frau durch einen x-beliebigen Mann kann man damit nicht erklären.
zu 3) Da sind deine Gedanken besonders "grob"... ;-) es ist nämlich keinesfalls so, dass gewalttätige Eltern gewalttätige Kinder hervorbringen. Das wäre dann doch etwas zu einfach...
@Oliver
Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass die Lösung des Problems nur vom Inneren der einzelnen Menschen heraus gelöst werden kann und dass diese Persönlichkeitsänderungen immer Andere beeinflussen.
Andererseits scheint auch klar, dass die Befriedigung der ökonomischen Grundbedürfnisse Voraussetzung für jegliche tiefere Reflexion ist. Daher machen Bevölkerungen im Kriegszustand immer soziale Rückschritte.
Versuch einer Analyse
Wie können wir aber das Phänomen der Gewalt an Frauen durch Männer in den Griff bekommen? Mir fallen spontan drei Arten von Gewalt gegen Frauen ein:
1) Gewalt durch Ausbeutung, Versklavung, Zwang zu Prostitution: Frauen sind hierbei ein Mittel (wie jedes andere) für kriminelle Bereicherung, wenn staatliche Kontrollen versagen, oder im Krieg. In letzterem Falle wird die Vergewaltigung oder Verschleppung von Frauen als Kriegswaffe verwendet (so heute zB in Syrien)
2) Psychologische Gewalt (Frauenwitze, Anspielungen...): eine Reaktion auf gesellschaftliche Rollenkonflikte, privat oder bei der Arbeit. Hier spielen Machtängste eine Rolle. Das Rollenverständnis entsteht durch Erziehung und sozialen Druck. Viele tanzen hier unreflektiert mit der Meute.
3) Sexualität: hier liegen die tiefsten Gründe für die Gewalt. Archaische Triebe der sexuellen Gewalt sind eine Realität, wobei diese bei beiden Geschlechtern vorhanden sind. Die gesamte Porno-Industrie lebt davon. Die sexuelle Befriedigung durch Bonding ist bei beiden Geschlechtern beliebt, wird aber leider nicht immer konsensuell durchgeführt. Die individuelle Sexualität hat sicher tiefe psychische Gründe und wird dann gefährlich, wenn sie nie reflektiert und als solche akzeptiert wurde. Zur Gewaltvermeidung geht es darum, Sexualität positiv leben zu können und ihr nicht zu unterliegen.