Politica | Interview

“Klares Bekenntnis zur Autonomie”

Il Landeshauptmann Arno Kompatscher sul controverso percorso della Convenzione, il nodo dell’autodeterminazione, il ruolo di Durnwalder e il futuro dell’Alto Adige.
Arno Kompatscher
Foto: LPA/mb

salto.bz: Herr Landeshauptmann, Ihre erklärte Erwartung an den Autonomiekonvent war: “Es geht nicht nur darum, verloren gegangene Kompetenzen wiederzuerlangen, sondern auch um ein gemeinsames Sich-Stellen neuen gesellschaftlichen Herausforderungen; darum, eine Südtiroler Vorstellung eines – europäischen – Weges in die Zukunft auszuarbeiten. Wenn wir das gemeinsam tun, macht uns das stärker.” Nach dem Abschluss des Konvent jubilieren Freiheitliche, Süd-Tiroler Freiheit und der Südtiroler Schützenbund. Auf italienischer Seite herrscht Katerstimmung. Was ist falsch gelaufen?
Arno Kompatscher: Wir sollten nicht den Fehler machen, die Ergebnisse des Konvents daran zu bewerten, was einzelne politische Parteien und Gruppierungen jetzt gerne daraus machen würden. Auch die Medien sollten sich nicht damit begnügen, die Kommentare der verschiedenen politischen Exponenten zu übernehmen oder diese selbst noch einmal zu kommentieren. Gegenstand der Analyse sollten vielmehr die Sitzungsprotokolle des Konvents und vor allem die als Mehr- bzw. Minderheitenberichte bezeichneten Schlussdokumente sein. Dann würden auch Sie zu einem völlig anderen Ergebnis kommen.

Non è affatto una novità che in Alto Adige/Südtirol esistano alcune questioni riguardo le quali c’è una diversità di vedute a seconda dell'appartenenza a un gruppo linguistico o a un altro.

Nämlich?
Dass die jetzt so vielbeschworene angebliche Spaltung vor allem an dem von einem Teil der Konventmitglieder geforderten Verweis auf die UN-Charta, einschließlich des dort verwendeten Begriffs “Selbstbestimmungsrecht” festmacht wird, was fast schon absurd ist. Es ist nämlich rein rechtlich gesehen komplett irrelevant, ob dieser Verweis auf die UN-Charta in einer allfälligen Präambel zum Autonomiestatut steht oder nicht, da das Selbstbestimmungsrecht der Völker laut Charta allen Völkern zusteht und genau dies vom italienischen Parlament auch genau so schon ratifiziert worden ist, also von der Republik Italien anerkannt und geteilt wird. Es ist also ein Streit um des Kaisers Bart, ob man diesen Artikel zitiert oder nicht. Die Heftigkeit der politischen Debatte ist wieder einmal darauf zurückzuführen, dass viele immer noch nicht wissen (oder so tun, als ob sie es nicht wüssten), dass das Selbstbestimmungsrecht laut UN-Charta nichts mit einem vermeintlichen “Recht auf Sezession” zu tun hat. Laut geltender Völkerrechtslehre gibt es ein solches “Recht auf Sezession” gar nicht, sondern eine Sezession ist – wenn sie in irgendeiner Form tatsächlich stattfindet – ein reines Faktum. Der einzige Verweis in der Präambel, der rechtlich wirklich bedeutend wäre und einen Fortschritt zum aktuellen Statut darstellen würde, wäre eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Pariser Vertrag; und siehe da: diesem Verweis haben laut Sitzungsniederschrift alle Konventmitglieder zugestimmt.

Ma allora cos’è andato storto se ora nell’opinione pubblica si è creata l’impressione di una “spaccatura”?
Se si leggono le cosiddette relazioni di maggioranza e minoranza e i verbali si può constatare che di fatto manca solo un documento finale che riassumesse i punti che hanno avuto un consenso di doppia maggioranza – cioè  i punti condivisi sia dalla maggioranza dei membri della Convenzione, sia dalla maggioranza dei membri dei singoli gruppi linguistici. Se ci fosse un tale documento diventerebbe chiaro che questo ampio consenso c’è stato per la stragrande parte dei temi.

Es gab nur einige wenige strittige Punkte, bei denen sich die unterschiedlichen Sichtweisen tatsächlichen den Sprachgruppen zuordnen lassen.

Il silenzio della politica, e della Svp in particolare, fuori dal circuito del Konvent a cosa è stato dovuto? Si è voluto forse, direbbero i maligni, provare l’imprescindibilità della politica, sfatando così il mito secondo il quale la società sarebbe “più avanti” della politica stessa?
No, il silenzio era semplicemente dovuto al fatto che si voleva rispettare l'autonomia del Konvent nello svolgimento del suo lavoro. Dopo la consegna della documentazione finale alla Presidenza del Consiglio sarà compito di quest'ultimo tirare le somme e preparare un documento per poterlo discutere con Trento.

“Se mi portate un documento non condiviso anche dalla maggioranza degli italiani, per me avrà meno valore della carta su cui è scritto”, avrebbe fatto presente ai suoi in più occasioni. Un monito rimasto evidentemente inevaso, come la mettiamo?
Ripeto, manca solo una redazione finale che metta in chiaro i tantissimi punti che hanno trovato un'ampia condivisione da parte di tutti i gruppi linguistici. Non è affatto una novità che in Alto Adige/Südtirol esistano alcune questioni riguardo le quali c’è una diversità di vedute a seconda dell'appartenenza a un gruppo linguistico o a un altro. Direi che, quasi inaspettatamente, queste erano molte di meno di quanto pronosticato.

Im Landesgesetz, mit dem der Autonomiekonvent eingesetzt wurde, ist ausdrücklich das Konsensprinzip festgehalten. Viele Punkte im offiziellen Enddokument der 33 wurden allerdings von der Mehrheit, und zwar einer ethnischen Mehrheit bestimmt. Weshalb war es, Ihrer Meinung nach, nicht möglich, zu sämtlichen Punkten einen wahren Konsens zu finden? War es Sturheit, Lustlosigkeit, aufeinander zuzugehen?
Wie schon gesagt, man hätte aus meiner Sicht noch ein redaktionelles Schlussdokument mit einer Auflistung aller Punkte, für die es eine breite doppelte Mehrheit gab, machen sollen. Das wäre das “Konsensdokument” gewesen, auf dessen Fehlen auch Prof. Toniatti hingewiesen hat. Durch eine solche “Auflistung der gefundenen Konsense” wäre auch klar ersichtlich geworden, dass der Konvent nichts anderes als ein klares Bekenntnis zur Autonomie und für den Ausbau und die Weiterentwicklung derselben abgegeben hat. Dass es neben diesem Grundkonsens einige wenige Themen gibt, bei denen es stark unterschiedliche Ansichten gibt, so dass derzeit kein Konsens gefunden werden kann, bedeutet, dass es zu diesen Themen noch Diskussionsbedarf gibt, bzw. es in Südtirol noch Vertrauensbildung und ein Aufeinanderzugehen braucht, um für gewisse Reizthemen gemeinsame Lösungsansätze zu entwickeln. Aber seien wir doch ehrlich, auch das war uns schon vorher klar. Dass der Konvent jetzt für gar alle Fragen eine Lösung finden sollte, die allen gut geht, wäre doch etwas zu viel verlangt gewesen.

Troppe persone e troppi esponenti politici di tutti i gruppi linguistici continuano a confondere i concetti di “autodeterminazione” e “secessione” che vanno invece nettamente distinti.

Welche Rolle hat Altlandeshauptmann Luis Durnwalder gespielt? Anfangs nicht glücklich über seine Berufung in den Konvent durch die SVP, hat er sich tatkräftig eingebracht und – mit Unterstützung der patriotischen Kreise – sehr viele seiner Anliegen durchsetzen können, ohne dafür einen Konsens zu finden. Empfinden Sie, der Sie bei der Auftaktveranstaltung zum Autonomiekonvent gesagt haben: “Unsere Autonomie ist nicht die Autonomie der Politik oder einer Partei, sondern die Autonomie der Menschen, die in diesem Land leben” das Vorgehen Ihres Vorgängers als Affront Ihnen gegenüber?
Ich denke, dass Altlandeshauptmann Durnwalder sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht hat. Dass er sich mit diesem für ihn neuartigen Format einer Konsensfindung durch Diskussion im Plenum schwer tun würde, war irgendwie auch zu erwarten. Er war es als Landeshauptmann gewohnt, direkt mit Rom zu verhandeln, wo es oft zielführend ist, zunächst Maximalforderungen aufzustellen, um dann so viel wie möglich herauszuholen. In einem Dialog das Verbindende herauszuarbeiten und vor das Trennende zu stellen (ohne dessen Vorhandensein zu leugnen) ist eine andere Geschichte.

Quando l’ex presidente Durnwalder afferma che gli ‘italiani’ non capiscono il significato della parola “autodeterminazione” e la sua applicazione cosa intende dire, a suo parere? Non potrà essere solo un problema di semantica, non trova?
Troppe persone e troppi esponenti politici di tutti i gruppi linguistici continuano a confondere i concetti di “autodeterminazione” e “secessione” che vanno invece nettamente distinti. La proposta era di menzionare nel preambolo anche il diritto dei popoli all'autodeterminazione citando espressamente la Carta delle Nazioni Unite. Bisogna sapere che la Carta delle Nazioni Unite, ratificata - e con ciò fatta propria in tutti i suoi contenuti – ovviamente anche dall'Italia, riconosce questo “diritto all'autodeterminazione” (non meglio definito) a tutti i popoli, ma non riconosce un “diritto alla secessione”. Anzi, la dottrina del diritto internazionale esclude addirittura l'esistenza di un tale diritto alla secessione. La secessione, quando avviene – per via della guerra o per altri motivi – è un mero fatto. L'autonomia, invece, può essere vista come una possibile forma dell'autodeterminazione (interna) in un determinato contesto storico/giuridico.

Nicht zuletzt bei den Feierlichkeiten anlässlich 25 Jahre Streitbeilegung in Meran wurde Südtirol als “Brücke zwischen dem deutsch-österreichischen und dem italienischen Kulturraum”, als “kleines Europa in Europa” gefeiert. Im Land selbst scheinen die Brücken zwischen den zwei großen Sprachgruppen auf wackligem Fundament zu stehen. Oder täuscht der Eindruck?
Wir haben in Südtirol wahnsinnig viel erreicht, sind von der Konflikt- zur Modellregion geworden. Es gibt weder Unterdrückung noch ethnisch motivierte Gewalttaten, im Großen und Ganzen herrschen Wohlstand und sozialer Frieden und vielen gelingt es den Mehrwert, der sich daraus ergibt, in einem mehrsprachigen Land zu leben, auch für sich persönlich zu nutzen. Aber Sie haben in einem Punkt Recht: Immer wieder wird versucht, aus den tatsächlich noch bestehenden oder vermeintlichen Konflikthemen politisches Kapital zu schlagen. Besonders unmittelbar vor Wahlen wird bewusst provoziert und man fühlt sich auch selbst beim geringsten Anlass gerne provoziert. Wir sollten inzwischen aber klug und selbstbewusst genug sein, dieses Spiel nicht länger mitzumachen.

La sensazione, in questo processo di revisione dello Statuto di autonomia, è che si sia rimasti avvitati a un passato “perpetuo”, ammiccando a idealismi conservatori e poco a proiezioni futuribili. Che messaggio si lascia, a questo punto, alle nuove generazioni?
Credo invece che proprio riguardo alla visione di un Sudtirolo come piccola Europa in Europa, riguardo la funzione-ponte del nostro territorio e anche in merito al ruolo della nostra Provincia all'interno dell'Euregio e di quest'ultima nel contesto europeo, si possano trovare spunti davvero interessanti se si leggono i verbali e i documenti del Konvent.

Dass der Konvent jetzt für gar alle Fragen eine Lösung finden sollte, die allen gut geht, wäre doch etwas zu viel verlangt gewesen.

Trento e Bolzano, rispettivamente con la Consulta e il Konvent, hanno di fatto viaggiato su due binari paralleli evitando un confronto che sarebbe stato verosimilmente proficuo. Non crede si sia dimostrata una certa superficialità – oltre che poca lungimiranza – nel voler percorrere strade separate dal momento che alla fine dovrà essere presentato un documento comune da portare a Roma? Non c’è stata la volontà politica per favorire questo incontro nonostante, peraltro, la mozione approvata dal consiglio regionale nell’aprile 2016 avesse impegnato l'ufficio di presidenza regionale a garantire il dialogo e il coordinamento dei lavori tra le due province?
Era assolutamente necessario confrontarsi prima in casa nostra, perché il tema della convivenza dei tre gruppi linguistici e tutte le questioni collegate non riguarda i Trentini e deve essere discusso lì dove questi gruppi convivono e dagli stessi, tra di loro.

Wie haben Sie die Arbeit des Autonomiekonvent in den vergangenen eineinhalb Jahren und speziell jene im Konvent der 33 mitverfolgt? Wie erwarten Sie sich, dass die Diskussion auf dem politischen Parkett, sprich in Landtag und Regionalrat weitergeht?
Der Konvent wurde mittels Landesgesetz (und nicht per Regierungsbeschluss) eingesetzt und ist beim Landtag als Beratungsorgan desselben angesiedelt. Dementsprechend habe ich die Arbeiten mit Interesse verfolgt, mich aber – abgesehen von der Teilnahme an den Sitzungen der Parteileitung der SVP, wo über einzelne Punkte berichtet wurde – nicht direkt eingemischt. Ich hoffe, dass es im Landtag eine sachliche Debatte darüber geben kann, was als Grundkonsens über die weiteren Zielsetzungen in der Autonomiepolitik angesehen werden kann. Einen solchen gemeinsamen Nenner sprachgruppen- und parteiübergreifend definieren zu können, wäre schon eine gute Basis für die Zukunft.