Die Autonomie in unseren Händen
Am Samstag um 9.30 Uhr war es so weit: Flankiert von Landtagsabgeordneten der Mehrheit und der Opposition gaben Landtagspräsident Thomas Widmann, sein Vize Roberto Bizzo und Landeshauptmann Arno Kompatscher den Startschuss für den Autonomiekonvent. “Bislang waren wir nicht öffentlichkeitswirksam unterwegs”, gestand Widmann. Er entschuldigte sich dafür, dass bis vor kurzem kaum Informationen über den Konvent vonseiten des Landtagspräsidiums, das für die Organisation verantwortlich ist, nach außen gedrungen sei (engagierte Bürger hatten indes sehr wohl Auskunft eingeholt und auch weitergegeben). “Doch ab jetzt soll alles anders werden”, versicherte der Landtagspräsident.
Und so gab es für die 70 im Landtag anwesenden ZuhörerInnen eine Flut an Erläuterungen, was der Konvent überhaupt ist und wozu er am 23. April 2015 vom Landtag eingesetzt wurde; wie er über die Bühne gehen wird und welche Möglichkeiten zur Beteiligung es gibt; wie man sich auf dem Laufenden halten kann und was schlussendlich mit den Ergebnissen geschieht. Ebenso lieferte Elisabeth Alber von der EURAC, die den Autonomiekonvent wissenschaftlich begleiten wird, Hintergrundinformationen, wie der Konvent theoretisch einzuordnen sei: “Der Autonomiekonvent bettet sich in das Instrumentarium der partizipativen Demokratie ein. Diese wird neben der repräsentativen und direkten Demokratie immer bedeutender und kann als Lösungsansatz gegen Legitimitätsverlust der repräsentativen Demokratie und der politischen Entfremdung dienen.” Merkmale des partizipativen Prozesses seien: “Er ist kontextgebunden, einmalig, ergebnisoffen, lösungsorientiert, beratender Natur und mündet nicht in einem finalen Abstimmungsakt”, so Alber.
So soll es beginnen...
Detaillierte Auskunft über den Fahrplan des Autonomiekonvent – auch als Südtirol- oder Landes-Konvent bezeichnet – lieferte Vize-Landtagspräsident Bizzo. So werden, beginnend mit 23. Jänner, landesweit insgesamt neun “Open-Space”-Veranstaltungen (hier die Termine) stattfinden. Auf diesen sollen alle BürgerInnen die Möglichkeit haben, sich über Themen, Ideen und konkrete Vorschläge zur Überarbeitung des Autonomiestatus auszutauschen. Anmeldung zu den Open Spaces, die – bis auf die Abschlussveranstaltung am Sonntag, 5. März, und der Zukunftsworkshop für Jugendliche am 27. Februar ab 14 Uhr, jeweils in der EURAC – an einem Samstag Vormittag stattfinden, ist keine erforderlich.
Gleichzeitig kann man sich auf der nun freigeschalteten dreisprachigen Internetseite des Konvents für das Forum der 100 registrieren. Zugangsberechtigt ist, wer in Südtirol ansässig ist und das 16. Lebensjahr vollendet hat. Die Frist für die Bewerbung läuft bis 6. März. Im Anschluss werden aus allen registrierten TeilnehmerInnen mithilfe eines wissenschaftlichen Programms jene 100 Personen ermittelt, die schließlich im Forum sitzen werden und mit dem Konvent der 33 im Austausch stehen. Dieses Gremium wiederum wird sich damit beschäftigen, schriftliche Vorschläge für die Reform des Autonomiestatuts auszuarbeiten. Zusammengesetzt ist die 33-köpfige Gruppe, über deren Mitglieder zum Großteil der Landtag entscheidet, folgendermaßen:
- 4 Mitglieder aus einem Neunervorschlag durch den Rat der Gemeinden
- 2 Mitglieder aus einem Sechservorschlag durch die repräsentativsten Unternehmerverbände
- 2 Mitglieder aus einem Sechservorschlag durch die repräsentativsten Gewerkschaften
- 5 Mitglieder, RechtsexpertInnen ausgewählt laut Kriterien, die das Präsidium festlegt, und laut Vorlage eines Fachcurriculums
- 8 Mitglieder, Vertreter der Bürgergesellschaft, gewählt vom Forum der 100 aus dessen Mitte
- 12 Mitglieder, auf Vorschlag der politischen Mehrheits- bzw. Minderheitsfraktionen im Landtag
Diese 33 Personen müssen sich verpflichten, für mindestens ein Jahr lang, regelmäßig an zwei Samstagen im Monat in öffentlich zugänglichen Sitzungen zusammenzukommen, um die Arbeiten durchzuführen. Parallel dazu tritt das Forum der 100 zusammen, das für den Konvent eine Berater- und zur restlichen Gesellschaft eine Brückenfunktion hat. Nicht wenig Aufwand also, für jene, die sich am Partizipationsprozess für ein neues Autonomiestatut beteiligen wollen. Für all jene, denen es zeitlich oder aus anderen Gründen nicht möglich sein sollte, mitzuarbeiten, gibt es die Möglichkeit, sich über eine Online-Plattform, Facebook und Twitter mit den Gremien des Konvents auszutauschen und eigene Ideen zu präsentieren. Online werden auch sämtliche Arbeitsunterlagen des Konvents zu finden sein sowie Auskunft über den letzten Stand der Dinge gegeben werden.
...und so weitergehen
Tabu-Themen soll es übrigens keine geben – all das, was den BürgerInnen am Herzen liegt, soll diskutiert und – falls es einen Konsens gibt – auch in die Reformvorschläge für das Statut einfließen. Bis Mitte 2017 soll der Konvent seine Arbeit abgeschlossen haben. Falls nötig, kann die Frist um maximal ein weiteres halbes Jahr verlängert werden. Das Ende der Arbeiten bedeutet allerdings nicht das Ende des Weges. Das Ergebnis beziehungsweise die Ergebnisse des Konvents in Form eines oder mehrere Dokumente bilden die Grundlage zur Revision des Autonomiestatuts und werden an den Südtiroler Landtag weitergeleitet. Dieser diskutiert darüber und wird anschließend über einen konkreten Vorschlag zur Überarbeitung des Status abstimmen.
Parallel zum Autonomiekonvent in Südtirol findet auch einer in Trient statt (“Ein gemeinsamer Konvent war nicht möglich, da es doch einige sehr südtirolspezifische Themen gibt”, so der Landeshauptmann). Da man aber in Rom, dessen Einverständnis es zur Abänderung des Autonomiestatuts braucht, mit einem einzigen Reformvorschlag vortreten will, sollen die beiden Entwürfe – der Südtiroler und der Trentiner – im Regionalrat landen und behandelt werden. “Falls sich herausstellt, dass die Entwürfe kompatibel sind, wird darüber diskutiert, abgestimmt und dann nach Rom gegangen. Falls sie nicht kompatibel sind, gehen die Vorschläge zurück an die Landtage”, erklärt der Landeshauptmann. Habe man sich schließlich auf eine gemeinsame Position geeinigt, mit der man in Rom vorsprechen will, stünden die Zeichen gut, dass diese auch vom Parlament angenommen werde, so Kompatscher.
Gleich wie Thomas Widmann, Roberto Bizzo und darüber hinaus auch zahlreiche Oppositionspolitiker, beschwört der Landeshauptmann die Menschen zur Teilnahme am Beteiligungsprozess rund um den Autonomiekonvent: “Es geht nicht nur darum, verloren gegangene Kompetenzen wiederzuerlangen, sondern auch um ein gemeinsames Sich-Stellen neuen gesellschaftlichen Herausforderungen. Unsere Autonomie ist nicht die Autonomie der Politik oder einer Partei, sondern die Autonomie der Menschen, die in diesem Land leben. Aus diesem Grund ist die Beteiligung besonders wichtig: um eine Südtiroler Vorstellung eines – europäischen – Weges in die Zukunft auszuarbeiten. Wenn wir das gemeinsam tun, macht uns das stärker.”