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Mütter, die auf Smartphones starren

Pfui, pfui, pfui: Eine Mutter mit Smartphone in der Hand kommt ihrer Mutterpflicht nicht nach. Dabei macht Mama da wahrscheinlich gerade etwas für ihr Seelenheil.
Vor einiger Zeit hat ein Südtiroler Journalist in einer Kolumne beschrieben, wie er zum Lebensretter wurde. Genauer, er schilderte, wie er eine junge Mutter davor bewahrte, auf dem Zebrastreifen angefahren zu werden, indem er vor sie sprang und wild gestikulierend die Autofahrer auf sie aufmerksam machte. Die gute Frau, die von alldem hoffentlich nichts mitbekommen hat, überquerte nämlich die Straße ohne ihre Augen vom Display des Smartphones zu lösen, während sie seelenruhig mit der anderen Hand den Kinderwagen schob. Wau, dachte ich mir, das könnte ja glatt ich gewesen sein.
 
Wobei: Da hätte der verehrte Herr Asam nicht von einer „jungen“ Mutter gesprochen, so viel Selbsterkenntnis muss sein, und zweitens hätte ich ihm wohl mit Schmackes den Kinderwagen in die Hacken gerammt, wenn er vor mir so einer Zauber aufgeführt hätte. Nichts für ungut.
 
„Einhändig Kinderwagen schieben ist jetzt groß in Mode, weil die zweite Hand mit dem Handy beschäftigt ist“, stellte der Lebensretter sodann fest. Ich stelle fest:  Es gehört mittlerweile zum guten Ton, Mütter zu bashen, die es wagen, wie jede/r andere auch in der Öffentlichkeit mit ihrem Smartphone beschäftigt zu sein, weil, sie sollen sich ja bittesehr ununterbrochen an ihrem Nachwuchs erfreuen. 
Es gehört mittlerweile zum guten Ton, Mütter zu bashen, die es wagen, wie jede/r andere auch in der Öffentlichkeit mit ihrem Smartphone beschäftigt zu sein, weil, sie sollen sich ja bittesehr ununterbrochen an ihrem Nachwuchs erfreuen. 
In die gleiche Kerbe wie Asam haute etwas später eine Hebamme in einer Gesprächsrunde auf Rai Südtirol, die klagte, egal, wo sie heutzutage hinkomme, immer liege da irgendwo ein Handy rum. Ja, zum Glück ist das so, kann ich nur sagen, denn wer nicht am eigenen Leib, und vor allem am eigenen Geiste, erfahren hat, wie öde und erdrückend es sein kann, den lieben langen Tag (und auch die meist kurze, in Schlafhäppchen zerstückelte Nacht) mit einem Baby zu verbringen, der kann sich nicht vorstellen, dass für viele Mütter das Smartphone wie Wasser für den Durstigen in der Wüste ist.
 
Gewiss, ein Kind zu haben ist etwas Wunderbares, diese knuddeligen kleinen Wesen, diese  winzigen Zehen, dieser unvergleichliche Geruch (am Hinterkopf, nicht am anderen Ende), hach! Die ersten Wochen verbringt frau ja, wenn alles nach Plan läuft, ohnehin dauerstillend im Oxytocin-und Dopamin-Rausch, bondet, was das Zeug hält und kann sich gar nicht sattsehen an dem kleinen Lebewesen, das tatsächlich aus ihr rausgekommen ist, also wirklich aus ihr raus, wie absolut unglaublich und unvorstellbar ist das denn, wenn man nicht notgedrungen live dabei gewesen wäre. Dann wird die Ausnahmesituation („WIR! HABEN! JETZT! EIN! BABY! OMG!“) langsam zum Alltag, die Routine schleicht sich ein (auch wenn es die Mission des Babys zu sein scheint, jegliche Routine, sobald sie sich andeutet, sogleich fröhlich zu zerschmettern), und die Mutter erinnert sich vage und vom Schlafentzug gezeichnet daran, dass es prä-Baby auch noch was anderes gab als Wickeln, Stillen, Bauchele reiben. Und an dieser Stelle, der Herrgott (oder, für Atheisten eben Apple, Huawei, Samsung etc.) sei gepriesen, kommt das Smartphone als Heilsbringer ins Spiel.
 
Ich bin ganz ehrlich: Gäbe es kein Smartphone, meine Tochter wäre wahrscheinlich Einzelkind geblieben und hätte eine „madwoman in the attic“ zur Mutter, eine verrückte Hysterikerin mit wirrem Haar und irrem Blick, die auf dem Dachboden haust (empfehle zur Vertiefung des Themas Viktorianische Literatur). Böse Zungen mögen ja behaupten, so ganz sei das nicht gelungen, aber ich bin mir sicher, ohne Smartphone wäre mein Hirn irgendwann geschmolzen, geräuschlos implodiert, für immer in den Urlaub gefahren. Türmchen bauen und umwerfen, zehn Mal hintereinander „Conny schläft im Kindergarten“ vorlesen oder Puppe Susi seine Stimme leihen und dabei immer nur „Mama“ sagen dürfen – all das kann nicht spurlos an einem vorübergehen, wenn man es plötzlich hauptberuflich all day long praktiziert.
 
Denn man will ja auch eine gute Mutter sein, die sich aktiv mit dem Kind beschäftigt, und nicht bloß dessen Grundbedürfnisse Essen, Trinken, Schlafen befriedigt.  Dass in der guten alten Zeit, als noch kein Smartphone „irgendwo herumlag“, wenig mehr als letzteres die Norm war, wird oft vergessen. „Du Trolle!“, schimpfte mein Großvater meine Großmutter, als sie ihrem Kleinkind einen Ball zurollte, und sie hat das dann auch nie wieder gemacht. War das wirklich besser? Haben unsere Mütter uns ununterbrochen glückseligst angestarrt, oder vielleicht doch auch während des Stillens gelesen oder telefoniert? Hätten sie nicht auch voller Stolz Babybilder auf Whatsapp ausgetauscht oder sich kinderwagenschiebend im Internet über das Weltgeschehen informiert, hätten sie die Möglichkeit dazu gehabt? Das Smartphone ist ein Fenster zur Welt, raus aus der kuscheligen, süßlichen Enge eines Lebens, das sich plötzlich nur mehr zwischen Küche, Schlafzimmer, Spielplatz abspielt, ja erbarmungslos zusammengeschrumpft ist, während man doch vorher mittendrin war im Geschehen. Dank Smartphone kann man mit Menschen in Kontakt bleiben, die man ansonsten aus den Augen verlieren würde, weil sich die Lebenswelten plötzlich so unterscheiden, dank Smartphone lernt man neue Menschen kennen, deren Alltag sich gerade nicht um Babybrei und Stuhlgang dreht, und was war ich glücklich, solche Menschen beispielsweise auf Twitter gefunden zu haben und mich öfters mal ausklinken zu können aus dem Mama-Universum um über Politik zu diskutieren und kulturelle Inputs zu bekommen und, okay, meistens einfach nur Blödsinn zu posten, der gar nichts mit meinem Alltag zu tun hatte.
 
 
Ich bin mir sicher, ohne Smartphone wäre mein Hirn irgendwann geschmolzen, geräuschlos implodiert, für immer in den Urlaub gefahren. Türmchen bauen und umwerfen, zehn Mal hintereinander „Conny schläft im Kindergarten“ vorlesen oder Puppe Susi seine Stimme leihen – all das kann nicht spurlos an einem vorübergehen.
Die Großfamilie, die Mütter entlastet und für Abwechslung sorgt, die gibt es ja im Normalfall leider nicht mehr, sodass die Mutter selbst neben dem Babystress dafür sorgen muss, ihr soziales Netz aufrecht zu erhalten.  Wie schnell ist man da draußen, wenn man nicht am Ball bleibt. Es bleiben die Freunde, die gerade in derselben Situation sind, aber geredet wird dann, Sie ahnen es, auch nur wieder über die lieben Kinder, obwohl man doch eigentlich nach Abwechslung suchte. Nichts ist frustrierender, als sich einen Abend lang loseisen zu können, um mit einer Freundin auszugehen, und dann doch nur wieder ein einziges Thema zu haben: die Kinder. (Wobei von den eigenen Kindern zu erzählen ja immer hochamüsant ist, während sich Erzählungen über anderer Leute Kinder anzuhören einem mentalen Waterboarding gleichkommt. Kinder guter Freunde natürlich ausgenommen, da ist es nicht ganz so schlimm.)
 
Genau das ist übrigens auch der Grund, wieso sich Stillgruppen und Babytreffs nur bedingt  als Ersatzkontakte eignen: Man muss sich dort nämlich nicht nur von Fremden anhören, dass das eine schon sitzt, das andere schon Romane schreibt, und das dritte durchschläft, seit es gezeugt wurde, sondern bekommt auch sonst allerhand Infos, mit denen man nichts anfangen kann und will (Einweckmethoden, Beckenbodengeschichten, Dorfklatsch) von Menschen, mit denen man, wie man bald merkt, wenig gemein hat außer der Tatsache, dass man vor kurzem ein Menschlein geboren hat. Eine Toleranzprobe, schon klar, aber dazu fehlt frau postnatal wirklich der Nerv. Dann doch lieber das Smartphone anwerfen und mit alten Freunden chatten, neuen Freunden twittern, und daraus wieder Energie für die nächste durchwachte Nacht schöpfen. Und geht es Mama gut, geht’s auch dem Baby gut: Das ist dann wirklich ein Lebensretter, finden Sie nicht?
 
 
 
 
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Peter Gasser Gio, 06/06/2019 - 21:31

... warum soll eine Mutter nicht verwenden, was heute (leider?) schon die Kids haben? Man sollte, so meine ich doch, nicht darüber nachdenken, ob Mütter ein smartphone verwenden dürfen, sondern ob deren Verwendung gut für Kinder ist.

Gio, 06/06/2019 - 21:31 Collegamento permanente
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Maria Hennadige Lun, 06/10/2019 - 18:42

In risposta a di Peter Gasser

"Die Grossfamilie, die Mütter entlastet" Tja, meine Mutter ist 1926 geboren, und schon sie hatte keine Grossfamilie um sich, bei der Kindererziehung. Und schon damals hat auch mein Vater, trotz eigenem Betrieb, sich viel um uns gekümmert. Ich finde es schade wenn Mütter nicht vorher klären wie sie mit den Vätern diese Zeit gemeinsam aufteilen. Beziehungsweise finde ich Ihre Sicht der Kindererziehung in Ihrem Artikel sehr altmodisch und einseitig. Oder sie meinten es sarkastisch, dann hab ich es falsch gelesen. Meine Mutter und mein Vater haben leidenschaftlich Bücher gelesen, Zeitung jeden Tag, auch Spiegel.... Aber nicht während sie uns spazieren fuhren.
Smartphone nutzen auch die Väter. Ich persönlich finde es schade wenn ich sehe dass Kinder kommunizieren möchten, das Elternteil aber abblockt weil es seit vielen Minuten mit dem handy beschäftigt ist. Oder wenn das Kind im Lokal in den Hochsitz kommt und sofort ein Tablet mit Kinderfilm vor die Nase gesetzt bekommt. Allerdings hab ich keinen Vorschlag wie man diesen Kindern helfen könnte. Weil dieser unbeachtete Umgang wird ja vermutlich auch zu Hause genauso stattfinden. Vielleicht müsste man die Vorbilder in den Medien überprüfen? Wenn ich heute einen alten Film ansehe, damals alle von den Zigarettenfirmen gesponsert, alles verqualmt.... dann weiß ich dass ich das damals auch cool gefunden habe. Rauchen immer und überall. Heute lachen wir drüber, wir die Alten, wie uns das damals normal vorgekommen konnte. Wie wir uns manipulieren liesen..... Wer zwingt uns die neuesten Modelle smartphone auf....?
Es war für meinen Mann und mich schon vor 40 Jahren schwierig und aufwendig, die sozialen Kontakte nicht zu verlieren und "am Ball" zu bleiben. Baby-Elterngruppen, das war auch damals schon so wie im Artikel beschrieben.

Smartphone ist in unseren Breiten notwendig für Kontakte und Info. Wenn man kein WhatsUp nutzt, dann bekommt man keine Einladung mit. Aber die Einladung steht doch auch noch eine Stunde später drin. Nachrichten kann man auch hören, man muss nicht zwingend, um den Anschluss nicht zu verpassen, den Bildschirm anstarren, während Frau oder Mann den Kinderwagen im Strassenverkehr schieben. Oder was mir auch ab und an entgegenkommt, auf gemischtem Rad-Fussgängerweg: sportlicher Papa mit Rädern an den Füssen, handy Knopf im Ohr und im intensiven Gespräch, mit einen Kinder-Sportbuggy vorweg, mit etwa 15 Std km oder ich weiß nicht wie schnell die fahren können. Mein Vorschlag wär da, dass man den Kinderwagen hinten anhängt. Oder warum nimmt man da das Kind überhaupt mit? Es sieht immer so aus als ob man neben dem Sport noch sowas Lästiges mitnehmen müsste. "Hund an der Leine". Das Kind ist doch kein Haustier dass man mal Gassi führen muss. Es bewegt sich nicht dabei, Pipi kommt eh in die Windel und es nimmt auch vermutlich nicht viel von der Umgebung auf. Gefährlich ist das vermutlich weniger, für das Kind. Weil RadfahrerInnen oder FussgängerInnen, insofern nicht ebenso mit handy oder sonst etwas Ablenkendem beschäftigt, schon sehr rechtzeitig Vorsichtsmassnahmen ergreifen um dem rasenden Papa zu entgegenkommt.
Tja, ich denke jede Generation hat so ihre neuen Aufgaben. Bei mir, als Kind, wurde versucht das TV Programm einzuteilen ( bei einem schwarz-weiss Sender), meinen Kindern habe ich die Kriegsspiele am PC verboten und das TV Programm eingeteilt... (mein Sohn hat dann öfters beim Freund gespielt und sagt aber heute noch das er es gut fand zu wissen dass das nicht die "normale Welt " und die "richtige Lösung" sein wäre.) Heute kommt noch die Nutzung des Smartphones dazu. Vorbildfunktion. Alles was man nicht will dass die Kinder falsch nutzen, sollte man halt auch nicht tun. Und wenn es einem egal ist, dass ein Kind unter Kommunikation die smartphone Kommunikation versteht, dann ....

Lun, 06/10/2019 - 18:42 Collegamento permanente