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Bayern und Südtirol ratlos

In einem halben Jahr wird die Luegbrücke für längere Zeit nur mehr einspurig befahrbar sein. Konkrete Pläne, wie die Verkehrsflüsse gemanagt werden sollen, gibt es nicht.
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Foto: Seehauserfoto
  • Vor gut zwei Wochen hat der österreichische Straßennetzbetreiber ASFINAG die ersten Erkenntnisse zur Überprüfung der Luegbrücke bekannt gegeben, laut derer ab 1. Jänner 2025 die Trasse nur mehr einspurig befahrbar sein wird sowie noch zusätzliche Maßnahmen wie Verkehrs-Dosierungen und Lkw-Fahrverbote angedacht werden. Bis September soll ein Maßnahmenpaket erarbeitet werden, das in erster Linie der Entlastung der Tiroler Bevölkerung dient. Kurz zuvor hatte sich Landeshauptmann Anton Mattle an die Presse gewandt und erklärt, er wolle notfalls das Slot-System – das Konzept einer buchbaren Autobahn – im Alleingang für den Tiroler Abschnitt der wichtigsten Alpen-Transversale einführen. Ein vom Land Südtirol in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie zum Slot-System wurde im Dezember 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt. 

  • Luegbrücke: Ab 1. Jänner 2025 wird die Luegbrücke aufgrund von dringender Sanierungsarbeiten nur mehr einspurig befahrbar sein. Foto: ASFINAG
  • Absehbarer Dauerstau

    Die Meldung über den kritischen Zustand der Brücke und das Tiroler Festhalten an den Fahrverboten führte zu harschen Reaktionen südlich des Brenners wie auch in Bayern. Der italienische Frächterverband hat aufgrund der voraussichtlich für rund fünf Jahre währenden Einschränkungen eine bessere Absprache und Koordinierung zwischen den Anrainerstaaten gefordert sowie eine Aufhebung des Nachtfahrverbots auf der A13. In die gleiche Kerbe schlägt die bayerische Speditions-, Transport- und Logistikbranche. 

     

    „Die Arbeiten werden sich nicht über Wochen und Monate, sondern über Jahre hinziehen.“

     

    In einer gemeinsamen Presseaussendung haben die drei großen Verbände, LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure e.V., IHK für München und Oberbayern und Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) e.V. kritisiert, dass es ein halbes Jahr vor Beginn der Baumaßnahmen keine wirklich pragmatischen, grenzüberschreitenden und verlässlichen Lösungen für den absehbaren Dauerstau geben würde. Befürchtet werden massive Auswirkungen und wie Stephan Doppelhammer, Hauptgeschäftsführer beim Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) e.V., erklärt, stehe man vor einer Ansammlung negativer Faktoren, die sich zu einem „katastrophalen Szenario“ addieren würden. „Da ist zum einen die Dauer der Maßnahme. Die Arbeiten werden sich nicht über Wochen und Monate, sondern über Jahre hinziehen. Ohne dass, zum anderen, belastbare Ausweichrouten zur Verfügung stehen.“ Sowohl die Strecke über die Tauern als auch über die Schweiz seien ebenfalls am Rande der Kapazität. „Das Gleiche gilt für Frankreich.“ Auch auf diesen Strecken gibt es Bau- und Sanierungsmaßnahmen – nicht nur geplante. „Hier darf nichts unvorhergesehenes mehr passieren.“

  • Keine belastbare Alternative

    RoLa: Lkw auf die Schiene? Laut der bayerischen Speditions-, Transport- und Logistikbranche keine wirkliche Alternative.

    Der Warentransport per Bahn fällt als belastbare, zuverlässige Ersatzlösung ebenfalls aus, erklären die Verbände. So verfügten Angebote wie die Rollende Landstraße insgesamt nur über geringfügige Kapazitäten, gemessen am Transportvolumen auf dieser Route. Gleiches gelte für den aktuellen Stand im unbegleiteten kombinierten Verkehr. Georg Dettendorfer, Unternehmer und Vorsitzender im Verkehrsausschuss der IHK München und Oberbayern, sieht angesichts dieser Ausgangslage und der erwarteten Einschränkungen auf der Luegbrücke „innerhalb unserer betrieblichen Möglichkeiten kaum einen Ansatzpunkt, wie wir Verkehre über den Brenner zuverlässig disponieren und durchführen können“. Dies gelte für alle Unternehmen der Branche – diesseits und jenseits des Alpenpasses. „Alle Erfahrungswerte, mit denen wir arbeiten könnten, sind angesichts der Bedeutung der Route wertlos.“ 

     

    „Alle Erfahrungswerte, mit denen wir arbeiten könnten, sind angesichts der Bedeutung der Route wertlos.“

     

    Was im Übrigen auch für Betriebe in Italien und Österreich selbst gelte – ganz zu schweigen von Speditions- und Transportunternehmen aus Benelux, Skandinavien oder dem Baltikum, die im Wirtschaftsverkehr zwischen Südeuropa und Zentraleuropa unterwegs sind.

  • Anton Mattle: Der Tiroler Landeshauptmann will notfalls im Alleingang das Slot-System für die A13 einführen. Foto: Facebook
  • Slot-System in weiter Ferne

    Die Renovierungsmaßnahmen werden nicht in Frage gestellt, aber das praktizierte Prinzip der „Blockabfertigung“, denn dies löse das Problem nicht, sondern verschiebe es nur – was die gesamte Situation verschlimmern würde. Da auch Optionen wie das von der Politik ins Spiel gebrachte und propagierte Slot-System für die Route wegen nötiger Verträge und dem aufwendigen Aufbau einer technischen Infrastruktur weder kurz- noch mittelfristig für Abhilfe sorgen könnten, brauche es aus Sicht von LBS und LBT dringend und zeitnah eine ideologiefreie Verständigung darüber, wie vorhandene Hürden für die Dauer der Arbeiten beseitigt werden können. 

     

    „Wir sehen da vor allem das Nachtfahrverbot, das angesichts der Lkw mit modernsten, geräusch- und emissionsarmen Antrieben aufgehoben werden könnte.“

     

    „Wir sehen da vor allem das Nachtfahrverbot, das angesichts der Lkw mit modernsten, geräusch- und emissionsarmen Antrieben aufgehoben werden könnte“, sagen Lehmann und Doppelhammer. „Mit zum Beispiel niedrigen Tempolimits ließe sich eine für alle Betroffenen vertretbare Lösung herbeiführen.“ Dies sei vor allem deshalb überlegenswert, weil sich die Gütertransporte den Weg über den Brenner mit einem schon seit Längerem massiv gewachsenen Individualverkehr teilen müssen – in beide Richtungen. Wenn die Infrastruktur die bisherigen Belastungen physisch und kapazitativ nicht mehr aushalte, müsse man die Zeitfenster betrachten, in denen die Autobahn-Brücke genutzt werden kann. „Die Kapazitäten um die Hälfte runterzufahren, ohne über eine Erweiterung der Nutzungszeiten zu sprechen, heißt nicht nur einen ohnehin vorhandenen Flaschenhals noch weiter zu verengen, sondern ihn faktisch mit einem Stopfen zu verschließen“, bewerten die Branchenvertreter die Perspektiven.

  • Vor einer Zerreißprobe?

    Lkw-Stau: Wird es in den nächsten Jahren zu „Superstaus“ auf der Brenner-Achse kommen? Foto: Suedtirol Foto/Othmar Seehauser

    Aus Sicht der IHK München und Oberbayern stellen die stark verringerten Kapazitäten auf der wichtigen Achse zwischen den Märkten auf beiden Seiten der Alpen den Warenverkehr vor eine Zerreißprobe. „Die eng miteinander verbundenen Volkswirtschaften der Anrainerländer könnten sicher eine kurzfristige Belastung verkraften“, so Verkehrsausschuss-Vorsitzender Dettendorfer. „Für die seitens der Asfinag anvisierte Dauer von mindestens fünf Jahren bis zur Wiederinbetriebnahme der Brücke ist ein Fahren auf Sicht eindeutig zu lang.“ In diesem Fall drohen derzeit noch nicht bezifferbare wirtschaftliche Schäden für Bayern, das mit einem Handelsvolumen von 28 Milliarden Euro viertgrößter Handelspartner Italiens ist, bei Lebensmitteln sogar die Nummer eins. Die drei Organisationen sind sich einig: Ohne kreative Überlegungen und eine Kompromissbereitschaft von allen wird es zu einem „Superstau“ in den nächsten Jahren kommen, mit nicht absehbaren Folgen für die wirtschaftliche Lebensader Logistik – aber auch für die Anrainer.

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Josef Fulterer Mar, 07/09/2024 - 06:47

In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, hat der Schiffs-Warentransport ohne großes Trara auf die Container umgestellt. ("Das Dümmste was den Frächtern dazu eingefallen ist, war die rollende Straße, bei der die Sattelauflieger oft mit Contaiern beladen, samt Zugmaschine mit der Bahn über den Brenner gefahren wurden!)
Beim Schiffs-Warentransport haben die hohen Hafengebühren + die sehr teuren Schiffs-Verpackungen (die nur einmal verwendet werden konnten) die Umstellung befeuert. (ein 50.000 Bruttoregister-Tonnen-Frachtschiff, stand zur Löschung + Wiederbeladung 8 Tage im Hafen + konnte nach der Umstellung den Hafen nach 24 Stunden verlassen)
Mit der Bahn können 2 Lokomotiv-Führer bis zu 2.000 Tonnen, mit Strom auf Schienen + mit moderaterem Gefälle bewegen.
Nicht verständlich ist, warum der LKW-Verkehr im Transportbereich (auch die Busse), der mit teuerm Treibstoff, auf verschleißenden Gummirädern + Motoren unterwegs ist, "billiger + verlässlicher liefern kann!"

Mar, 07/09/2024 - 06:47 Collegamento permanente
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Hartmuth Staffler Mar, 07/09/2024 - 22:17

Die Panikmache der Frächterlobby, kräftig unterstützt von Handelskammer/Athesia, dient nur dem Zweck, die Aufhebung des Nachtfahrverbotes zu fordern und den Warenverkehr auf der Straße auf Kosten der Bevölkerung zu intensivieren. Seltsamer Weise protestiert von diesen Herren niemand dagegen, dass die Bauarbeiten am Südtiroler Teil der Brennerautobahn mit langen Einbahnabschnitten immer wieder Riesenstaus verursachen.

Mar, 07/09/2024 - 22:17 Collegamento permanente