Cultura | Buchmesse Frankfurt

Heft(ig)er Buchpreis

Die Schriftstellerin Martina Hefter wurde gestern der Deutsche Buchpreis zugesprochen. Triumphiert hat sie auch einmal in Meran. Mit Lyrik. Eine Erinnerung.
Preisverleihung
Foto: Rai Kulturzeit
  • „Auf faszinierende Weise verbindet der Roman zermürbenden Alltag mit mythologischen Figuren und kosmischen Dimensionen, er navigiert zwischen Melancholie und Euphorie, reflektiert über Vertrauen und Täuschung“, schreibt die Buchpreis-Jury zur Roman-Veröffentlichung Hey guten Morgen, wie geht es dir? der 1965 in Pfronten (Allgäu) geborenen Schriftstellerin Martina Hefter, in welchem die Hauptprotagonistin ein prekäres Leben als Performance-Künstlerin in Leipzig führt und obendrein noch ihren Multiple Sklerose erkrankten Mann pflegt. In schlaflosen Nächten chattet sie mit einem Liebesschwindler, „der es auf ihr Geld abgesehen hat“, und es stelle sich die Frage, „wer hier wen ausbeutet – und was passiert, wenn wider Erwarten die Grenzen zwischen digitalem Spiel und realer Zuneigung verschwimmen. Von all dem erzählt Martina Hefter in ihrem klug choreografierten Roman, der eine ganz eigene Anziehungskraft ausübt.“ So die Jury in der Begründung zum Deutschen Buchpreis, der seit 2005 vergeben wird und zu den wichtigsten Preisen im deutschsprachigen Raum zählt.

  • Martina Hefter: Siegerin des Lyrikpreis Meran 2008 Foto: Rai Kulturzeit

    Martina Hefter ist auch in Südtirol keine Unbekannte. Insbesondere seit dem Jahr 2008, als ihr in Meran der Lyrikpreis zugesprochen und von der damaligen Landesrätin für Kultur Sabina Kasslatter Mur übergeben wurde. Für die 9. Ausgabe hatten sich damals 512 Lyrikerinnen und Lyriker um die Teilnahme beworben. Derart viele Einsendungen hatte es für Meran seit dem Gründungsjahr 1993 nicht mehr gegeben. Die meisten poetischen Einsendungen waren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gekommen. Sieben aus Italien. Besonders stark vertreten waren die Literaturszenen in Berlin (44), Wien (35) und Leipzig (16). Zu letzterer zählt Martina Hefter.
     

    „Der Nahblick und der Fernblick, also wie die Optik sich mal ganz nahe hinbewegt an die Dinge und dann wieder Distanz nimmt“
    (Ilma Rakusa)

  • Liebeslügen: Tiefgehender Roman, aber so leichtfüßig wie eine Komödie. Foto: Klett-Cotta

    „Der Lyrikpreis 2008 geht an Martina Hefter. Ich gratuliere herzlich...“, ließ die Lyrikerin Ulla Hahn bei der damaligen Preisverleihung vom Lesepult im Meraner Kursaal verlauten. Gemeinsam mit den Jury-Kolleg*innen, (Schriftstellerin Ilma Rakusa, Kritiker Volker Hage, Hans Jürgen Balmes vom S. Fischer Verlag und Wolfgang Wiesmüller von der Universität Innsbruck), entschied man sich bei dieser im Rückblick sehr starken Ausgabe für die gestern erneut ausgezeichnete Martina Hefter. Die beiden Autorinnen Monika Rinck und Uljana Wolf belegten die weiteren Plätze und sind wie Hefter ebenfalls fixer Bestandteil der gegenwärtigen Literaturbetriebsamkeit.
    Verdienter Sieg im Meraner Stechen? Bereits im Anschluss an Martina Hefters Lesung in Meran hatte es wohlwollende Kommentare zu ihren Gedichten gegeben. „Es geht darum, ein neues, ein anderes Bild, einen anderen Blick auf die Natur zu bekommen, als den eines Objekts der totalen technischen und zivilisatorischen Verfügbarkeit“, meinte Wolfgang Wiesmüller und lobte die Empathie in Hefters Lyrik. „Der Nahblick und der Fernblick, also wie die Optik sich mal ganz nahe hinbewegt an die Dinge und dann wieder Distanz nimmt“, überzeugte Ilma Rakusa. „Ohne idyllisch zu wirken, ohne irgendwo Anklänge an falsche Naturseligkeit zu evozieren, das hat mich muss ich sagen, sehr beeindruckt“, jubelte Hans Jürgen Balmes. Hefter tanzte sich auf Platz 1.
    Damals Gedichte, heute Prosa, am liebsten Tanzen! Die nun mit dem Deutschen Buchpreis prämierte Schriftstellerin ist eigentlich ausgebildete Tanzpädagogin und hatte vor dem Lyrikpreis Meran bereits kleinere Literaturwettbewerbe gewonnen. „Ich orientiere mich gar nicht so immer an der klassischen Metrik“ kommentierte sie damals in Meran ihre Beiträge und bestätigte, dass sie sich immer wieder dabei ertappe, wenn sie in einen „tänzerischen Rhythmus“ verfalle. 

  • Nachtschicht, Araltankstelle: "...wir lebten gleich nebenan in dem land wo tankstellen über wälder wachten..." Gewinnende Lyrik beim Lyrikpreis Meran 2008. Foto: Rai Kulturzeit

    Am 2. November wird dem einst in Lana umtriebigen Schriftsteller Oswald Egger (am vergangenen Sonntag ausführlich im Corriere della Sera besprochen) der Georg-Büchner-Preis in Darmstadt überreicht. Er ist mit 50.000 Euro dotiert und gilt als der wichtigste Literaturpreis im deutschen Sprachraum. Der Deutsche Buchpreis ist hingegen mit 25.000 Euro dotiert. Erhalten hat ihn vor 10 Jahren auch Lutz Seiler, der wie Egger und Hefter in Meran geglänzt hatte. Und alle drei glänzen weiter.
     

    niemand wußte was unsichtbar war 
    maschinen zu denen kabel führten 
    verschlammt da unten, aus der zeit 
    als touristen nicht herkommen durften 
    oder nur algendunkel.


    ...hieß es unter anderem in Unsichere Gebiete, einem der von Martina Hefter vorgetragenen Siegergedichte in Meran. Vielleicht kommt Sie mal wieder als Touristin in die Kurstadt, oder (noch besser) für eine Lesung aus ihrem preisgekrönten Buch Hey guten Morgen, wie geht es dir?