Sonnige Grüße vom Castel
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Castel tönt im deutschen Kulturraum wie das Diminutiv eines Kastens. Es ist aber weder ein Tiroler Kastl, sondern vielmehr ein touristisches Zauberwort, das die Vergangenheit in die Gegenwart holt und in das Pustertal verpflanzt. Seit einigen Monaten spukt das Wort Castel in Verbindung mit dem ladinischen Badia als Castel Badia in St. Lorenzen durch die Gassen und Gemeindestuben. Vor wenigen Tagen entbrannte ein Streit in den sozialen Medien, wo auch der kritisierte Bürgermeister Martin Ausserdorfer betonte: „Für uns als Gemeinde, Grundbuch und überall dort, wo es eine öffentliche Bezeichnung gibt, wissen wir, dass es die Sonnenburg bleibt.“
Seit der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, den Golf von Mexiko in Golf von Amerika umbenannte und Konzerne wie Google Maps die neue Bezeichnung nickend übernahmen, mag zwar das Wort des Bürgermeisters von St. Lorenzen jede gut gemeinte Gültigkeit haben, dennoch werden demnächst in den Onlineplattformen entweder zwei Namen geführt – was für Verwirrung sorgen könnte –, oder bald nur mehr einer. Der Mächtigere.
vom Ort der Stille und des geistlichen Rückzugs über das Knötig-Hotel in ein Fünf-Sterne-Retreat...
Inwieweit kann ein historisch gewachsener Name eines denkmalgeschützten Gebäudes abgeändert werden oder nicht? Die Frage kursiert nicht nur im Pustertal und wirft einen marktschreierischen Ausverkaufs-Schatten auf die glänzend in luxuriösem Touch getünchte neu gestaltete Sonnenburg. Nur ein kluger Werbegag? „Ich verstehe die Aufregung nicht“, sagt Denkmalschützerin Karin Dalla Torre, „offensichtlich erhoffen sich die Betreiber mit dieser Bezeichnung Aufmerksamkeit.“ Die Sonnenburg sei schon vieles gewesen, zählt sie auf: ein Hospital, ein Armenhaus, eine Ruine, eine Jugendherberge und zuletzt ein Vier-Sterne-Hotel unter dem Namen Hotel Sonnenburg. Den neuen Betreibern war der Name wohl zu altbacken. -
„Ich bedaure die Umbenennung sehr“, betont der ehemalige Politiker und Tourismushistoriker Hans Heiss, „aber die gesamte Operation von der Umwidmung in ein Luxury Retreat bis zur Umtaufe entspricht der Auslieferung wichtiger Teile Südtirols an den Luxustourismus. Kultur wird nicht mehr respektiert, sondern dient als Marketingfaktor. Der traditionelle Name weicht einem marktgängigen Label.“ Die Umbenennung von Sonnenburg sei nur der letzte Schritt einer „zunehmenden Entfremdung des früheren Klosterkomplexes von seiner alten Zweckbindung“, erklärt Heiss weiter, denn „die 1022 erwähnte Suanapuch-Burg der Sühne, als Kloster gegründet und unter Joseph II. im späten 18. Jh. säkularisiert, hat ihren Charakter komplett gewandelt: vom Ort der Stille und des geistlichen Rückzugs über das Knötig-Hotel in ein Fünf-Sterne-Retreat.“
Gunther Knötig ist einer der Söhne von Karl und Adele Knötig und neben dem emsigen Touristiker Markus Gasser und der Kronplatz AG einer der drei Besitzer der Sonnenburg. SALTO erreicht ihn am Handy, und er verweist auf Nachfrage zur Umbenennung auf den Pressesprecher Ivo Pezzei.
Gunther Knötig, dessen Vater das Haus jahrzehntelang als Sonnenburg führte, kommentiert den neuen Namen Castel Badia kurz und bündig mit Ja.
Wer die Idee zu Castel Badia gehabt habe, daran könne er sich nicht mehr erinnern.
Der sudetendeutsche Zuname Knötig steht in Südtirol für den Neuanfang des Tourismus nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Eltern von Gunther sind sozusagen die Nachkriegspioniere in Sachen Tourismus in Südtirol und wussten nur zu genau, was mit alten Südtiroler Schlosskammern alles anzustellen ist. Karl Knötig wurde ab Mitte der 1950er-Jahre von Südtiroler Seite regelrecht angeworben, nachdem ihn Silvius Magnago, Norbert Mumelter und Karl Nicolussi-Leck bei einer Versammlung mehrerer Vereine in Stuttgart für eine Aufwertung der im Tourismus unerfahrenen Täler in Südtirol ins Überetsch einluden, um dort für potenzielle Jugend- und Schüleraufenthalte eine Organisation aufzubauen. Knötig kam aus Mähren und war – wie seine spätere Frau Adele – einer jener Vertriebenen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland zum beruflichen Neuanfang gedrängt wurden. Dann ging es Schlag auf Schlag. -
Frühe Bettenburgen: Anfänge des Schlössertourismus im Überetsch. Mit sudetendeutschen Jugendgruppen aus Deutschland in der Nachkriegszeit. Foto: Archiv KnötigEs folgten die ersten Jugendlager am Montiggler See und nach Gesprächen mit dem Eppaner Bürgermeister erste Ferienaufenthalte in den leerstehenden Schlössern Gandegg und Matschatsch. Etwas später Schloss Englar. Der Jugendtourismus boomte und die Knötig-Kasse klingelte. In den 1960er-Jahren, als Karl und Adele weitere Standorte aufbauten und durch das Pustertal fuhren, bemerkte Karl – er verstarb 2018 – auf einer Felskuppe westlich vor Bruneck das etwas heruntergekommene Gemäuer der Sonnenburg. Die heute 96-jährige Adele wollte ihrem Mann damals abraten, aber Karl kaufte die Sonnenburg 1965 und plante groß. Das war vor sechzig Jahren. Nun ist das denkmalgeschützte Gebäude umgebaut und macht auf Extraklasse.
Ivo Pezzei, zuständig für die Presse des Castel Badia, ist auf Nachfrage von SALTO etwas ungehalten. Er faselt von Hotelnamen am Gardasee, der Mode zu neuen Hotelbezeichnungen, von Marktrecherche, über freie Domains im Internet, von Gästen aus dem arabischen Raum, Amerikanern und so weiter. Wer die Idee zu Castel Badia gehabt habe, daran könne er sich nicht mehr erinnern.
Sie habe erst über den neuen Internetauftritt vom neuen Namen des Hotels erfahren, dabei wäre die Bezeichnung Sonnenburg gar nicht zu überbieten.
Bei den neuen Betreiber des Hotels – sie sind nicht die Eigentümer – handelt es sich um die renommierte Luxus-Hotelgruppe Borgo Egnazia aus Apulien. Sie haben das Management der Sonnenburg übernommen und wollen das exklusive Fünf-Sterne-Haus als Castel Badia wohl besser unter ihre gutbetuchte Gästeschicht bringen – egal, was die Leute im Dorf dazu denken. Der Name Egnazia entspricht einer historischen Stadt in Apulien mit einem wichtigen Grab mit Granatapfel-Geschichte. SALTO hat dazu – nicht aber etwa zum dortigen Luxusresort – vor wenigen Jahren berichtet.„Aus den Bezeichnungen, die wir jetzt für viele Hotels in Südtirol sehen – unabhängig von Baudenkmälern –, die alle irgendwelche englischen Bezeichnungen tragen“, sagt Denkmalexpertin Karin Dalla Torre, „erscheint mir die nun gewählte Bezeichnung weniger schlimm.“
Die Künstlerin Carmen Müller beobachtete die Umgestaltung des Hotels von außen und besorgte die Gestaltung des Gartens ebenfalls mit Worten. „Intern bin ich nicht involviert“, betont sie, „meine Bezugsperson ist Gunther Knötig, mit dem man gut argumentieren und zusammenarbeiten kann.“ Sie konzentriere sich auf die Grünflächen, die mit einigen Akzenten erweitert werden. Sie habe erst über den neuen Internetauftritt vom neuen Namen des Hotels erfahren, dabei wäre die Bezeichnung Sonnenburg gar nicht zu überbieten. Der Tourismus behauptet etwas anderes. Aufgrund ihrer Recherche entdeckte sie, dass sämtliche Gartenflächen bereits schöne historische Namen aufweisen, etwa „Zehn Gärtlein auf dem Felsen“, „Äbtissingarten“, „Konventgarten“ und einige andere mehr. In Form von Emailtafeln werde sie diese in den jeweiligen Terrassengärten anbringen.Die Sonnenburg soll – abgesehen vom Castel Badia – auch weiterhin zugänglich bleiben, denn das bedeutende Baudenkmal wird zu geregelten Zeiten für geführte Gruppen zu besichtigen sein, auch die alte Kapelle, wo jetzt ebenfalls ein neues Kunstwerk errichtet worden ist“, sagt Dalla Torre.
„Wichtig ist nun“, betont auch Hans Heiss, „dass der Weiler Sonnenburg mehr denn je als solcher gekennzeichnet wird. Die Gemeinde sollte durch gut sichtbare und ausführliche Infotafeln in Schlossnähe auf die Geschichte der Sonnenburg hinweisen.“ Er warnt, „dass Südtirol nicht zum Immobilien-Hotspot wird, in dem die Sonne der Spekulation nicht untergeht.“
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