Kultur | Salto Weekend

Im Grab der Granatäpfel

Vor 50 Jahren wurde in Apulien die "Tomba delle Melagrane" entdeckt. Eine fruchtvolle wie furchtlose Reise in das Innere einer außergewöhnlichen Grabkammer.
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Foto: Salto.bz

„Es ist bedauerlich, dass die Kultur in Italien nicht besonders wertgeschätzt wird“, erzählte mir die Arbeitskraft hinter der Kasse des Museums, im archäologischen Park von Egnazia. Ich hatte nach dem Besucherinteresse an dieser archäologischen Stätte gefragt. Melancholisch fügte der Mann hinter der Theke an: „Eigentlich müssten sich viel mehr Menschen für Egnazia interessieren.“ 
Zwischen Bari und Brindisi, auf der Höhe von Fasano, können Interessierte der Geschichte der antiken Hafenstadt Egnazia/Gnathia nachspüren. Im Museum und unter freiem Himmel. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde hier ein spezieller Vasenmalereistil entdeckt, der in der Klassischen Archäologie als Gnathiakeramik bezeichnet wird. Noch spektakulärer war ein Fund vor genau einem halben Jahrhundert. Anfang Februar 1971 – die Arbeiten für das neue Museumsgebäude wurden gerade in Angriff genommen – entdeckte der Archäologe Giuseppe Andreassi (1943-2013) jenes Grab, das den Namen Tomba delle Melagrane erhalten sollte. Ausschlaggebend waren zahlreiche Zeichnungen, die die Granatapfelfrucht darstellen.

Grabanimation: Tomba delle Melagrane im Museo Nazionale e Parco Archeologico di Egnazia / Quelle: MiC_Italia


Egnazia – bereits im 6. Jahrhunderts v. Chr. eine Siedlung Messapiens – war ein taktisch geeigneter Knotenpunkt mit Handelshafen und Warenaustausch zwischen Ost und West. Vom griechischen Historiker Herodot wurden die Messapier, „als einheitliches und kompaktes Volk“ beschrieben, das „von den Kretern abstammt“. Sie waren zwischen der Adria und dem Ionischen Meer, das „Volk zwischen zwei Meeren“, gründeten Städte und führten neue Gewohnheiten und Sitten ein. Während die Blütezeit von Egnazia in der frühen römischen Kaiserzeit einzuordnen ist, schaufelt das Totengrab der Stadt: Totila, der Ostgotenkönig. Im Jahr 545 n. Chr zerstörte er Egnazia. Die Einwohner flüchteten ins benachbarte Monopoli.
Im Archäologischen Park können die wuchtigen Mauerreste auf verwinkelten Grundrissen durchkämmt werden. Beeindruckend ist die Nekropole, mit den zahlreichen Grubengräbern, sowie die größeren und kleineren Kammergräber. Das messapische Grab mit den Granatäpfeln aus dem 4 Jh. v. Chr. ist natürlich das Highlight. Und im dunklen Untergrund ein fruchtiger Lichtblick.
Im Museum wird, neben der Chronologie zu den Ausgrabungsarbeiten, die Geschichte der Stadt ausführlich nacherzählt – von der Entwicklung bis zur Zerstörung. Zahlreiche Fundstücke ergänzen den Rundgang. 


Der Name Egnazia soll sich übrigens davon ableiten, da die Stadt einst den Start der sogenannten Via Egnatia darstellte, einer römischen Kommunikationsverbindung zwischen Adria, Ägäis und dem Schwarzen Meer. Sie war angeblich vom Prokonsul Mazedonien Gaius Ignatius in Auftrag gegeben worden. Und daher Egnazia

Nicht nur der Name und die ersten Siedler*innen der antiken Stadt kamen aus dem Osten. Mit Sicherheit auch der Granatapfel. In der Tomba delle Melagrane fand er eine würdevolle Verewigung.