Faustini, Alberto
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Servi del padrone

Der „Alto Adige“ hat es bis heute geschafft, das Buch „Freunde im Edelweiss“ mit keinem Wort zu erwähnen. Das macht deutlich, wie krank Südtirols Medienmonopol ist.
Diese Zeilen werden mir ein Verfahren vor der Journalistenkammer einbringen.
Denn es gibt eine unausgesprochen Regel im italienischen Journalismus. Unter Berufskollegen kritisiert man sich öffentlich nicht gegenseitig. Wer diese journalistische Omertá bricht, der wird - unabhängig davon, ob er oder sie Recht haben - als Nestbeschmutzer einer ganzen Kategorie gesehen.
Trotzdem muss ich diesen Text schreiben. Auch wenn ich in erster Person davon betroffen bin, geht es hier nicht um mich oder das Buch, das ich zusammen mit Artur Oberhofer geschrieben haben. Sondern es geht darum, wie Südtirols Medienlandschaft hinter dem Kulissen ausschaut. Wie krank, undemokratisch und unprofessionell die Linie eines Südtiroler Medienkonzerns ist, wie Informationspflicht und redliches, journalistisches Handwerk wahrgenommen und umgesetzt werden und was vorauseilender Gehorsam in der schreibenden Zunft bedeutet.
Es geht darum, wie krank, undemokratisch und unprofessionell die Linie eines Südtiroler Medienkonzerns ist, wie Informationspflicht und redliches, journalistisches Handwerk wahrgenommen und umgesetzt werden und was vorauseilender Gehorsam in der schreibenden Zunft bedeutet.
 
Der Alto Adige war einmal eine große Zeitung. Entstanden aus dem italienischen Widerstand, driftete er recht bald in den italienischen Nationalismus ab und wurde jahrzehntelang zum verhassten Gegenspieler der deutschen „Dolomiten“. Trotz seiner klaren Aufgabe, die „Italianitá“ im Land zu verteidigen und hochzuhalten, zeichnete sich der „Alto Adige“ aber auch durch eine gewisse Liberalität und Fortschrittlichkeit aus. Das „Blatt für deutsche Leser“ wurde so zum publizistischen Zufluchtsort, der Andersdenkenden, der Linken und der Oppositionellen. Nach der Übernahme durch den „Gruppo Espresso“ kam es auch politisch zu einer Kurskorrektur der Bozner Tageszeitung.
 
 
 
Doch mit dem Verkauf des italienischen Traditionsblattes 2016 an den Athesia-Konzern ist alles anders geworden. Seitdem ist aus einer stolzen Zeitung mit einer professionellen Redaktion ein Verlautbarungsorgan geworden, dessen Richtschnur die politischen, ökonomischen und publizistischen Interessen der Besitzerfamilie Ebner sind. Alle jene, die nicht mit der Schere im Kopf arbeiten wollen, sind in der Voltastraße längst gegangen oder gegangen worden. Geleitet wird das Blatt von einem Direktor, Sohn eines großen italienischen Journalisten, der zwischendurch Pressesprecher von zwei Landeshauptleuten war. Dass er dabei indirekt auch an den Politiker-Privilegien mitgenascht hat, hindert ihn später nicht in seiner Zeitung einen Feldzug gegen genau diese Politikerprivilegien zu entfachen. Und einem Chefredakteur, der stolz darauf verweist journalistisch im links-alternativen „Radio Tandem“ groß geworden zu sein. Inzwischen aber - wie eine großer Teil der Redaktion - zum willfährigen Diener seiner Ebner-Herrn geworden ist.
Das wird mit dem Erscheinen des Buches „Freunde im Edelweiss“ selbst für Außenstehende ersichtlich.
Während in den Athesia-Buchhandlungen mit dem Verkauf des Buches der Rubel rollt, dürfen das Buch und die Autoren in den Athesia-Medien Dolomiten und Alto Adige nicht genannt werden.
Die Athesia schickte zur Buchvorstellung am vergangenen Freitag gleich zwei Dolomiten-Journalisten und einen Fotografen. Wahrscheinlich für ein verlagsinternes Dossier. Denn selbstredend erschien weder in den Dolomiten noch im Alto Adige ein Bericht über die Vorstellung.
Dem anwesenden Dolomiten-Redakteur, der unter dem Titel „Diese Telefonate dürfen nicht veröffentlicht werden“ mit Hilfe eines Paduaner Rechtsprofessors zum x-ten Mal darüber berichtet, wie viele Jahre Haft auf die Autoren zukommen werden, gelingt es wenigstens den Buchtitel und die Namen der beiden Autoren in den Bericht zu schmuggeln. Es bleibt eine Einmaligkeit.
 
 
 
Während in den Athesia-Buchhandlungen mit dem Verkauf des Buches der Rubel rollt, dürfen in den Athesia-Medien Buch und Autoren nicht genannt werden. Dabei schießt der Alto Adige den Vogel ab. Er fährt eine Kampagne, die dem weißrussischem Regime abgeschaut sein könnte.
Albert Faustini & Co schreiben fünf Tage lang kein Wort über den Politskandal, der nicht nur Südtirol erschüttert, sondern längst auch im benachbarten Ausland für Schlagzeilen sorgt. Weil diese Selbstzensur irgendwann nicht mehr haltbar ist, beginnt man dann über die SVP internen Folgen und den Machkampf zu schreiben. Es folgen seit Tagen große, seitenweise Berichte. Doch die politischen Redakteure müssen sich dabei winden und viel Phantasie aufwenden, um ja nie das Buch oder die Autoren zu erwähnen. Bisher ist das gelungen.
Die politischen Redakteure müssen sich dabei winden und viel Phantasie aufwenden, um ja nie das Buch oder die Autoren zu erwähnen. Bisher ist das gelungen.
 
Doch das Problem sind die Leserinnern und Leser. Am vergangene Freitag erscheint in der Rubrik „Risponde Alberto Faustini“ ein Leserbrief einer Leserin, die offen fragt:
 
„Gentile Direttore, sono trascorsi tre giorni dall'uscita del libro "Freunde im Edelweiss" dei giornalisti Franceschini e Oberhofer. Come mai il giornale che lei dirige non ha scritto ancora nulla? Come abbonata mi aspetto un bel servizio approfondito e dettagliato su questa vicenda.“
 
Die Antwort des Alto Adige-Direktors ist ein Meistwerk des mutigen, unabhängigen und unbestechlichen Journalismus. Alberto Faustini schreibt:
 
Grazie per questa sua domanda piccantina. Per risponderle, mi serve ovviamente più di una riga. Come avrà visto, ci stiamo da giorni occupando della vicenda. Cercando di districarci fra veleni, carte che vengono fornite con grande attenzione da chi ha molti interessi in questa vicenda, notizie tutte da confermare e dunque tutte da verificare. In quanto al libro, non fatico a dirle che noi non scriviamo praticamente mai di libri in lingua tedesca.
In quanto al libro, non fatico a dirle che noi non scriviamo praticamente mai di libri in lingua tedesca.
Nello specifico, ma posso ovviamente sbagliare, ritengo poi che in quel libro vi siano fra l'altro molte rivelazioni tutte da dimostrare e a rischio querela per chi le cita. Al di là del tema caldissimo della violazione del segreto istruttorio, penso infatti che non serva ricordare che è vietato rendere note certe intercettazioni, a maggior ragione se non sono state ritenute utili da chi sta indagando sulla cosa. Non ci manca certo il coraggio di scagliarci contro questo o quello (e purtroppo l'elenco di querele che ho ricevuto in questi anni lo dimostra; anche di qui la mia attenzione), ma, pur rispettandolo, considero lontano dalla mia idea di giornalismo questo modo di raccontare - spesso influenzandole e deformandole - determinate vicende.“
 
 
Und weiter:
 
Può ovviamente non piacerle il fatto che io ritenga privato e riservato e persino pericoloso ciò che, anche per i giudici, non ha interesse pubblico, ma penso che leggere il tono e il contenuto di certe conversazioni fuori dal contesto nel quale sono state fatte rischi di essere a dir poco fuorviante. ..[…]..
Sì, dunque, ai servizi approfonditi. Servizi che stiamo facendo. Ma con lo stile che da sempre ci caratterizza, uno stile che spero che lei ci riconosca, seguendoci con un'attenzione della quale le sono davvero grato. Infine: Widmann e Durnwalder dovrebbero dimettersi perché in conversazioni private sarebbero stati offensivi nei confronti di qualcuno? No, certo che no. Chissà cosa hanno detto altri.
Es liegt ausschließlich an den Leserinnen und Leser, wie lange Sie sich noch an der Nase herumführen lassen wollen.
 
Alto Adige und Dolomiten schreiten im publizistischen Gleichschritt. Die Realität, die nicht gefällt, wird unterschlagen und verdreht. Deshalb ist Gianclaudio Bressas Gesetzesinitiative gegen das Medienmonopol auch ein Dienst an der Demokratie.
Dieses Land und seine Menschen haben einen besseren und kritischeren Journalismus verdient. Vor allem die italienische Sprachgruppe. Sie finden diesen auf Salto.bz oder im „Corriere dell‘ Alto Adige“.
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Denn es liegt ausschließlich an den Leserinnen und Leser, wie lange Sie sich noch an der Nase herumführen lassen wollen.

 

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Robert Hölzl Sab, 03/26/2022 - 17:37

Der Autor dieses Artikels verdient nicht zufällig am Verkauf des Buchs? Darüberhinaus, wer nur den Alto Adige liest, liest mit aller Wahrscheinlichkeit auch kein deutschsprachiges Buch.
Übrigens wie viele Artikel hat der Autor über die Parteispenden bzw. darüber wer die Abhörungen unter die Leute gebracht hat, geschrieben? Salto hat bei diesem SPV-internen Machtkampf eindeutig eine Seite gewählt. Etwas, was der Dolomiten vorgeworfen wird. Etwas, was guter Journalismus nicht tun sollte.

Sab, 03/26/2022 - 17:37 Collegamento permanente
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Martin Mayr Dom, 03/27/2022 - 11:59

In risposta a di Johannes A.

M.M. nach ist es weniger bedenklich wenn sich ein Journalist als Hofschreiber eines LH betätigt (was ich bei Franceschini allerdings nicht glaube), als wenn sich eine Zeitung - mittlerweile seit Jahrzehnten- einen ganzen Hofstaat (Svp) hält und diesen nach belieben für persönliche Interessen einsetzt/missbraucht.

PS. Da Sie mit Ihren Kommentaren Personen direkt ansprechen bzw. etwas bezichtigen, könnten Sie den Anstand haben bzw. die „Eier“ mit Klarnamen zu schreiben? Danke

Dom, 03/27/2022 - 11:59 Collegamento permanente
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Johannes A. Dom, 03/27/2022 - 14:04

In risposta a di Martin Mayr

Ich werde meinen Klarnamen veröffentlichen, wenn Franceschini und Oberhofer ebenso ihre Informanten nennen, die hier Gerichtsakten veröffentlicht haben, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, da es sich nicht um öffentliche Gespräche gehandelt hat, vor allem nicht bei jenen von Durnwalder, der keine öffentliche Position mehr innehat. Das, obwohl jeder weiß, dass es Zeller war, der als Teil der Kompatscher-Seilschaft innerparteilich diesen Kampf ausficht, damit Kompatscher gegen sein Versprechen noch ein drittes Mal als LH antreten darf.

Dass die Dolomiten innerparteilich Position beziehen wundert wich nicht, dass aber Salto.bz (vor allem sein Gründer) sich derart pro Kompatscher positionieren (schon seit Jahren) wunder allerdings sehr, und sollte auch den SVP Wählern zu denken geben, da Franceschini nun wahrlich kein Freund der SVP/der deutschen Volksgruppe ist. Das wiederum sollte Kompatscher zu denken geben, was für eine Art von Unterstützer er hat.

Dom, 03/27/2022 - 14:04 Collegamento permanente
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Sepp.Bacher Dom, 03/27/2022 - 16:42

In risposta a di Johannes A.

Herr Johannes, wenn ich lese "...dass aber Salto.bz (vor allem sein Gründer) sich derart pro Kompatscher positionieren (schon seit Jahren) wunder allerdings sehr,..." dann frage ich Sie, wer ist mit "sein Gründer" gemeint? Im weiteren Text glaube ich zu verstehen, dass Sie Franceschini meinen. Das stimmt aber nie und nimmer. Es gibt keinen Gründer, sondern eine Intitativgruppe. "salto.bz ging am 22. März 2013 online." Zu dieser Zeit schrieb Franceschini noch lange für die Neue Südtiroler Tageszeitung.

Dom, 03/27/2022 - 16:42 Collegamento permanente
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Johannes A. Dom, 03/27/2022 - 17:40

In risposta a di Sepp.Bacher

Mein Fehler, ich dachte er hätte es gegründet. Es wurde aber sicher nicht mit der Absicht gegründet, in einem innerparteilichen Streit der SVP Position zu beziehen für oder gegen eine der zahlreichen mächtigen Seilschaften, glaube ich jedenfalls nicht.
Bezüglich Hofschreiber: Ja ich habe tatsächlich das Gefühl, dass der Autor parteiisch berichtet und immer da ist, um Kompatscher zu verteidigen. Dieser hatte ursprünglich den Südtirolern versprochen, nach zwei Legislaturen abzutreten. Über dieses Versprechen liest man hier sehr selten.

Dom, 03/27/2022 - 17:40 Collegamento permanente
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Paolo Ghezzi Lun, 03/28/2022 - 15:12

L'oligopolio è una malattia grave del sistema editoriale. La censura oligopolistica di un libro così importante ne è una triste conseguenza ma anche un titolo d'onore per gli autori. Che, evidentemente, colpiscono nel segno.

Lun, 03/28/2022 - 15:12 Collegamento permanente