Ambiente | Millander Au

Der Wächter des Paradieses

Hugo Wassermann kämpft seit seiner Jugend für den Erhalt der Millander Au – gegen Bagger, Gerüchte und das Vergessen. Und er hat noch einiges vor.
Hugo Wassermann
Foto: Privat
  • Auf dem Tisch stapeln sich Zeitschriften, Notizen, Mappen mit Zeitungsausschnitten und Plänen. „Ich beschäftige mich seit meiner Kindheit mit der Millander Au und den Vögeln, die dort leben oder einfach durchziehen“, sagt Hugo Wassermann. Der gelernte Tischlermeister und Restaurator aus Brixen ist mittlerweile in Pension. Geblieben ist seine Leidenschaft für diesen besonderen Lebensraum und sein Einsatz für dessen Schutz. Er ist nicht nur Mitglied bei der Umweltgruppe Eisacktal Hyla, sondern hat auch mit einigen Mitstreitern einen eigenen Verein namens Au-Raum gegründet, der unbürokratisch Naturschutz betreibt.

  • Millander Au: „Hätten wir nicht protestiert, wäre heute alles Apfelplantage“, sagt Hugo Wassermann. Foto: Magdalena Wassermann
  • Geschichte eines geretteten Biotops

    Im Wesentlichen ist es Wassermann und einer Handvoll Gleichgesinnter zu verdanken, dass die Millander Au erhalten geblieben und 1988 unter Schutz gestellt worden ist. Früher reichte die Auenlandschaft auf beiden Seiten des Eisack bis nach Albeins. Ab den 1960er-Jahren setzte der Bauboom ein. Flussbegradigungen, Entwässerungen, Industrialisierung und die Ausweitung der Landwirtschaft haben die Natur zurückgedrängt, bis vom einstigen Vogelparadies nur mehr rund 4,5 Hektar übrig geblieben sind.

     

    „Wenn man sieht, wohin sich die Au entwickeln könnte, tut man das gerne.“

     

    Wassermanns Verbindung zur Au reicht dabei weit zurück: Schon als 14-Jähriger verbrachte er dort Stunden, beobachtete Vögel, notierte seine Beobachtungen. Für ihn ist das Biotop so etwas wie der eigene Vorgarten, einer, den man nicht zubetonieren lässt. Wenn er über die Millander Au spricht, schwingt sehr viel Emotion mit, und aus dieser Verbindung rührt auch sein großer Einsatz für dieses Gebiet her: „Wenn man sieht, wohin sich die Au entwickeln könnte, tut man das gerne“, sagt er.

     

  • Rettung in letzter Minute

    Die Rettung für dieses Biotop kam dabei in allerletzter Minute. Der letzte Tümpel wurde  illegal mit dem Abbruchmaterial der Mozartbrücke zugeschüttet, als Wassermann und seine Mitstreiter lautstark dagegen protestierten und dafür sorgten, dass der Schutt wieder entfernt werden musste. Rückendeckung bekam er vom damaligen Direktor des Naturmuseums, Leo Unterholzer, und vom grünen Gemeinderat Gregor Beikircher. „Hätten wir nicht protestiert, wäre heute alles Apfelplantage“, sagt Wassermann. Ein gutes Auskommen mit den Besitzern und Nachbarn sei allerdings das Um und Auf, um das Biotop auch für die Nachwelt zu erhalten. Dabei erstreckt sich die Millander Au über mehrere Parzellen, die teils in Privatbesitz, teils im Besitz des Landes sind.

  • Ausgleichsflächen und neue Chancen

    Wie berichtet, hat angrenzend die Firma Progress Flächen angekauft, und zwar als Ausgleichsmaßnahme für den letzten Auwaldrest, der einer Betriebserweiterung weichen soll. Die Geschichte nahm 2018 ihren Anfang, als das Brixner Vorzeigeunternehmen, das sich auf Betonfertigteile spezialisiert hat, den Auwaldrest vom Vinzentinum erworben hat. Proteste waren die Folge und zwangen zum Umdenken. Philip Froschmayr, Geschäftsführer von Progress, habe sich seinerzeit bei ihm gemeldet, berichtet der Umweltschützer. Offenbar sei es dem Unternehmer ein großes Anliegen gewesen, einen wirklich guten Ausgleich zu schaffen. 

  • Austauschmaßnahme: Im Gegenzug für die Rodung des Auwaldrestes soll die Millander Au erweitert werden. Foto: Progress
  • Hierin zeigten sich die Umweltschützer in den folgenden 10 bis 15 Sitzungen auch hartnäckig und erreichten, dass die Ausgleichsflächen im Talboden und nach Möglichkeit in der Nähe des bereits bestehenden Biotops geschaffen werden müssten. Durch komplizierte Tausch- und Kaufgeschäfte ist Progress schließlich in den Besitz von 1,7 Hektar Apfelwiesen gelangt, die direkt an die Millander Au angrenzen. Diese sollten durch verschiedene Maßnahmen wie die Schaffung von Teichen, Wasserstellen, einer Feuchtwiese mit Erlenbeständen und Schilfbereichen wieder renaturiert werden. Gleichzeitig sollten die wertvollsten Bereiche des Auwaldrestes erhalten bleiben. Auch hier zeigte Progress Einsicht und hat die bereits fertigen Pläne über den Haufen geworfen, damit die alten Baumbestände erhalten bleiben. Zudem sollte die Erweiterung erst in zwei Baulosen erfolgen bzw. der zweite Schritt erst, sobald die Renaturierungsphase in der Millander Au erfolgreich angelaufen ist. Allerdings ist das Projekt ins Stocken geraten, unter anderem durch einen Antrag auf Unterschutzstellung. Ein weiteres Gutachten, das dritte übrigens, soll Auskunft geben, ob eine Umwidmung erfolgen und Progress wie geplant erweitern darf. Erst dann werden die Ausgleichsflächen in der Millander Au an die Gemeinde übergehen, und die Renaturierungsphase kann beginnen. Das Biotop würde sich dadurch um ein Drittel vergrößern.

  • Stück für Stück soll die Millander Au erweitert werden: Für die jüngste Erweiterungsphase liegen bereits Pläne auf den Tisch – selbstverständlich wird alles in Eigenregie gemacht. Foto: Privat
  • Ein kleiner Kauf mit großer Wirkung

    Und es soll noch weiter gehen: Nach langen Gesprächen steht ein weiterer Kaufvertrag kurz vor dem Abschluss – mit einem Bauern, dessen Acker direkt angrenzt. Möglich gemacht wurde das durch eine Teilfinanzierung der Gemeinde Brixen und Sponsorengeldern aus Finanz, Wirtschaft und von Privatpersonen. Bei der Abwicklung beteiligt sind die Stiftung Landschaft Südtirol mit ihren Vizepräsidenten Hanspeter Staffler sowie die AVK Südtirol (Vogelschutz-Arbeitsgemeinschaft). Deren Vertreter Florian Gasser und Hugo Wassermann ist es gelungen, rund 160.000 Euro an Spendengeldern zu sammeln, um das Grundstück anzukaufen. „Mit einem Infoblatt in der Hand und der Begeisterung im Herzen sind wir losgezogen – fast wie die Heiligen Drei Könige“, sagt Wassermann schmunzelnd. Der Acker ist nur rund 2.200 Quadratmeter groß, aber sehr wertvoll: Sie grenzt an einen Wassergraben, ein wichtiger Lebensraum. Die Fläche soll renaturiert werden – mit neuen Wasserzonen, Sträuchern, Totholzbereichen. Eine Infotafel wird Interessierten erklären, worum es hier geht. „Wir freuen uns riesig“, sagt Wassermann. Die Arbeit wird von Hand erledigt, wie immer gemeinsam mit seinen Mitstreitern.

  • Die neue Parzelle: Wo heute noch Acker ist, soll Lebensraum für viele Tierarten entstehen. Foto: Hugo Wassermann
  • Ein Biotop von überregionaler Bedeutung

    Die Millander Au hat überregionale Bedeutung. Sie ist ein Rastplatz für Vögel, die den Alpenhauptkamm überqueren. „Wir wollen ihnen mehr bieten als ein paar Tümpel“, sagt der Umweltschützer. Das bisschen Natur, das übrig ist, reicht nicht. Deshalb geht es nicht nur ums Erhalten, sondern ums Verbessern. Blaukehlchen, Eisvögel, Rohrdommeln – viele seltene Arten wurden hier schon gesichtet. 

  • Sibirische Schwertlilien: Bald soll sie auf den renaturierten Flächen wieder blühen. Wie früher. Foto: Hugo Wassermann

    Auch neue Vögel kommen, bedingt durch den Klimawandel: Bienenfresser, Schlangenadler, Rotmilane. Seit 1973 dokumentiert er seine Vogelbeobachtungen – handschriftlich, in 50 Notizheften. Rund 130 verschiedene Arten zählt er jährlich in der Au. Damit ist sie eines der bestdokumentierten Biotope weit und breit. Nur für eine Art kam die Hilfe zu spät: Der Laubfrosch (Hyla arborea), Namensgeber der Umweltgruppe Hyla, ist 2020 verschwunden – zu empfindlich für die Pestizide. Doch nicht alles ist verloren. Die Sibirische Schwertlilie konnte Wassermann retten – durch Samen, die er sammelte und selbst vermehrte. Bald soll sie auf den renaturierten Flächen wieder blühen. Wie früher.

     

  • Natur für Mensch und Tier

    Und schlussendlich ist die Au nicht nur für die Tierwelt wichtig, sondern auch für die Brixner, die hier Erholung suchen und am Ufer entlang spazieren. „Es macht einen Unterschied, ob man durch lebendige Natur oder an intensiv bewirtschafteten Obstanlagen vorbeigeht“, sagt Wassermann.

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Franz Pattis Sab, 06/28/2025 - 15:10

Lese im obigen Pressetext: „Gleichzeitig sollten die wertvollsten Bereiche des Auwaldrestes erhalten bleiben. Auch hier zeigte Progress Einsicht und hat die bereits fertigen Pläne über den Haufen geworfen, damit die alten Baumbestände erhalten bleiben. Zudem sollte die Erweiterung erst in zwei Baulosen erfolgen“.
Klingt alles ganz schön und gut wenn man nicht die Details zu diesem oberfaulem Deal kennt!! Es stimmt dass Progress ein neues Projekt beim Land eingereicht hat bzw. Rodung des Auwaldes in bewährter Salamitaktik 2025 und 2035. Aber jetzt zu behaupten dass die alten Baubestände erhalten bleiben, ist eine totale Verarschung der Öffentlichkeit!!
Grund: es bleibt im Norden nur ein ganz schmaler Streifen vom wertvollen Weichholz-Auwald übrig und im Südosten ein Teil des Erlen-Auwaldes. Rate dem Herrn Wassermann sich mal das immer noch unter Verschluss gehaltene Revital- Gutachten von 2021 anzuschauen denn darin werden drei Viertel des 2,5 Hektar großen Auwaldes immer noch als sehr hochwertig eingestuft. Kein Wunder also dass mit allen Mitteln versucht wird zu verhindern, dass dieses Gutachten in den Medien veröffentlicht wird! Weil dann kann die Pro

Sab, 06/28/2025 - 15:10 Collegamento permanente
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Franz Pattis Sab, 06/28/2025 - 15:40

In risposta a di Franz Pattis

Fortsetzung:
Weil dann muss die Progress ihr Projekt sofort ad acta legen! Möchte an dieser Stelle den Herrn Wassermann fragen, ob er noch nie etwas vom neuen EU-Renaturierungsgesetz gehört hat? Denn genau dieses sagt dass Restflächen bzw. Grüninseln wie der Auwald in der Brixner Industriezone zu erhalten und sogar zu renaturieren sind!
In diesem Falle eine Wiedervernässung mit einem Rohr zum Eisack hin oder mittels einem byzantinischen Brunnen.
Hugo Wassermann und die Umweltgruppe Eisacktal argumentieren auch immer gerne damit, dass dieser Auwald nicht mehr viel wert ist. Empfehle diesen Leuten sich nochmals ihr 2018 erstelltes Dokument https://www.dropbox.com/scl/fi/aeq2wdkvn6ubucj64n4va/AntwortAnlageZusta…
durchzulesen und mir dann zu erklären, wie ein damals noch so wertvolles Ökosystem nach nur wenigen Jahren auf einmal zur Rodung freigegeben wird?
Obiges Dokument war übrigens Anlage der Beantwortung dieser Landtagsanfrage:
https://www.dropbox.com/scl/fi/jangbumy2u2h53r32it9w/AntwortAnfrageZust…
Schlussfrage: was laufen da für Spielchen im
Hintergrund??

Sab, 06/28/2025 - 15:40 Collegamento permanente