Neu zu eröffnende Landschaftsräume
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Zweiter Versuch einer Erklärung oder
Deutung des LandesNeu zu eröffnende Landschaftsräume
„ein Platz will einen nicht weglassen,
als wohnte etwas an ihm“
Franz Tumler „Das Land Südtirol“Zurückholen, kitten.
Verwandlungen aber vorantreiben.
Hellhörig sein.
Uralte Landschaftsräume neu erfnden.
Ihre Schwebezustände ertragen.
Trotzdem entscheiden.
Das Schicksal wachrütteln. Den Preis zahlen. -
Ex libris
Questo estratto dal libro di Manfred Zöschg fa parte del formato “Ex libris” su SALTO.
Dieser Auszug aus dem Buch von Manfred Zöschg ist Teil des Formats "Ex libris" auf SALTO.
Zu erzählen ist von einer Klosterburg; ihrer Lage nach und wegen der wehrhaften Bauanlage handelt es sich um eine Burg; sie wurde jedoch als Kloster genutzt. Ihr Wesen ist zwitterhaft, uneindeutig schön.
Ihr Name ist Sonnenburg.
Zu erzählen ist von einem gleichnamigen Weiler. Seine Schönheit, abgeschieden und doch bewegt von bei weitem nicht wenig Leben, ist augenfällig und gleichzeitig verborgen. Ein fießender Rhythmus von Gebäuden und Landschaft ist ihm zu eigen. Er liegt entlang einer ehemaligen Hochstraße. Sie muss sehr steil gewesen sein, gach im örtlichen Dialekt, und war ein Teil der Via Claudia Augusta von Aquileja nach Augsburg. An ihrem höchsten Punkt steht der Gach – Gasteigerhof. Ich lege die Hand nicht dafür ins Feuer, dass die Zuschreibung stimmt.
Die Klosterburg thront gegen Norden über dem Weiler und der einstigen Hochstraße, gegen Süden erhebt sie sich weit oberhalb der heutigen Staatsstraße, des Flusses, der Brücke, des Marktfleckens und des hügelig flutenden Umlandes mit seinen Ansitzen, Burgen, Kirchen, Weilern und Wäldchen. Die Klosterburg überragt auch den unsäglichen Skiberg. Denn sie hat’s ihm angetan.
Ich will als Erstes die Brücke zurückholen. Sie nannte sich einmal Bannbrücke. Kein werktägliches Wort. Der Kirchenbann, gemeint ist der Ausschluss aus der katholischen Kirche, hatte etwas Theatralisches an sich, vielmehr bestand eine Ähnlichkeit mit den Kinderspielen aus dem immerwährenden Hexeneinmaleins. Es war eine katholische Inszenierung mit Angst erregenden Zeremonien.
Ausgesprochen oder verhängt wurde der Bann über die widerspenstige Äbtissin von Sonnenburg. -
Waltraud Mittich: 1946 in Bad Ischl geboren, 1952 Übersiedlung nach Südtirol. Studium „Lingue e letterature straniere e moderne“ an der Universität Padua, anschließend Unterrichtstätigkeit. Foto: Foto: Salto.bzWegen ihres Hochmuts und ihrer Starrköpfigkeit, so die Quellen, geriet sie in Streit mit dem berühmten Kardinal Nikolaus Cusanus. Gestritten wurde um die weltliche Herrschaft im Kloster, das reich an Grundbesitz, Lehen und Gerichtsherrschaft war. Der Cusanus wollte auch weltlicher Herr des Klosters werden und die Klosterfrauen in die Klausur verbannen. Er ließ die Äbtissin wissen, dass er ihr oberster Vogt und oberster Richter sei und dass sie sich auch in weltlichen Fragen dem Bischof von Brixen zu unterwerfen habe.
Die Klosterburg und ihre weibliche, durchaus mächtige kirchliche Regentschaft hatte auch eine weltliche Regierung, es gab eine Art Minister, Außen- und Innenminister in einem, der nannte sich Hof- und Lehensrichter und hatte seinen Sitz im Hofrichterhaus in Sonnenburg.
Die Äbtissin Verena von Stuben weigert sich, tut nichts von dem, was die hohen Herren erwarten. Sie führt sogar einen Kleinkrieg mit gemieteten Knappen. 1455 kommt es zum Eklat. Der Pfarrer der Marktgemeinde trat nach dem Verdammungsgebet mit allen anwesenden Gläubigen vor das Kirchentor und schleuderte zum Zeichen der Verdammnis die ausgelöschten Kerzen in Richtung des Klosters. Über die Bannbücke wurde der Bann hinaufgeschmettert ins Kloster; jenseits der Brücke, über die sie nicht mehr gehen durfte, saß hoch oben die Äbtissin Verena. Nicht allein. Die rebellischen Frauen von Sonnenburg, die nicht verzichten wollten aufs Feste feiern, aufs Wallfahren, aufs Geld, das ins Kloster kam mit den Abgaben der Bauern, sie standen zu Verena, auch sie Unterjochte, überzählige Töchter adeliger Familien, entsorgt, aber nicht geknickt. Eine Frauengemeinschaft, in der die prägenden Erfahrungen die zwischen Frauen waren. Für die Äbtissin kam die Begegnung mit dem Mann Cusanus dazu. Es gibt eine halbherzige Liebesgeschichte zu Verena und Cusanus. Begegnet sind sie sich sicher, das ist bezeugt. Sie ritten aufeinander zu auf der breiten Wiese am Flussufer, nahe der Bischofsstadt. Verena sprang leichtfüßig aus dem Sattel. Wer weiß, ob das wahr ist? Zwei Einmalige, fraglos, welcher Funke wohl gesprungen ist? Cusanus war schon alt, Verena rot und heiß, sie waren gnadenlos zueinander, so sagte sich das einmal, früher, als die Wörter mehr zu- als aufdeckten, was immer das gnadenlos meinte. Dieses Wort will ich nicht zurückholen, es ist eines, das die Nazidichter liebten – in Tirol zumal – im Süden und im Norden, es ist aber ein aufreizendes Wort, wie die Verena, rotblond und heiß, störrisch und rebellisch.Ich bin angetan von ihr, genauso wie vom Torggelstein, eingelassen in den Boden vor der Haustür des Bauernhauses in der Mitte des Weilers. Er erzählt seine eigene und des Weilers Geschichte, erzählt davon, wie das Klima war vor einem Jahrtausend, wie sie hier Wein angebaut haben anstatt Kartoffeln. Dass die Bauern die guten Tropfen dann zu einem großen Teil den Nonnen oben auf der Burg abliefern mussten. Ob die sich auch zwischendurch heimlich einen angetrunken haben während all ihrer Widrigkeiten mit dem Cusanus? In den Chroniken steht, dass Weinentzug zu den Strafen gehörte für sündige Nonnen. Und wie war den Bauern zumute, haben sie noch schnell ein Fläschchen abgezweigt für sich und die eigene Frau und den Kaplan? Dem Torggelstein seinen Raum geben in einem neu eröffneten Landschaftsraum, wohlan.
Der Bauernhof samt Torggelstein gehört zur angebauten kleinen Kirche in der Mitte des Weilers. Ich schließe sie auf und hole sie von weit her. Ein Bau, archaisch und heidnisch, trotz seiner religiösen Intention, er wächst aus dem Felsen heraus, auf dem er steht. Die Erbauer konnten ihn nicht sprengen, also haben sie ihn geliebt, den Fels. Und so ragt er in die Kirche hinein, trägt die gewinkelte Außentreppe wie eine zu leichte Last. Ein winziger grellgelber Meteorit ist einmal auf die weiß gekalkte Treppe gefallen und hat sie in tausend Farben blenden lassen. Vielleicht habe ich das nur geträumt. An den Bauernhof schließt ein Stück unbebaute Wiese an. Vielmehr ist es ein unbebauter Garten, vielmehr ist er Relikt aus Zeiten, in denen es möglich war, Grundstücke unbebaut zu belassen. Leicht, luftig, unfertig liegt sie da, diese Wiese, Weide für die Ziegen; das Grün des Tales im Sommer, das Weiß im Winter ausleben darf sie und ertragen. Ich wünsche ihr einen noch jahrhundertelangen Schwebezustand.Auch der Kaplan, der den Wein ab und an geschenkt bekam, so hoffe ich, wohnte in dem Kirchlein, es nennt sich Sankt Johann im Spital. Er wohnte im profanen Teil, um die Kirchensprache zu verwenden, in dem eben das Hospiz oder Spital oder auch Siechenhaus der Sonnenburg untergebracht war. Ich kann es mir nicht verkneifen, meine Gelehrtheit zu beweisen und hole das Memorialbuch zurück, eine Klosterchronik in zwei Bänden, die von den grassierenden Krankheiten berichtet, gemeint sind im Beispielfall Epidemien. Die Notburga Maderin, ein Gast des Klosters, befiel im Jahr 1773 eine „gewaltige Hitze“, das meinte, dass sie hohes Fieber bekam. Der Doktor Vogel, ein Bader, erkannte die Krankheit nicht, aber der Hofrichter, der anscheinend auch herumdokterte, brachte ein rotes Pulver und die Maderin wurde gesund. Doch es erkrankten nun viele und starben. Die Krankheit, die nicht erkannt wurde, diagnostizierten die Bader als „die Patetschen“. Es handelte sich wohl um den Flecktyphus, der durch Fieber und Petechien, einen Hautausschlag, gekennzeichnet ist.
Wenn Christoph Schlingensief noch lebte, sollte er die Brücke inszenieren, so wie nur er dazu imstande wäre.
Weil es ganz einfach spannend ist, solches zu lesen, noch ein Siechtum – Beispiel aus der Chronik:
„Den 21. September 1776 an h.Mathias Tag umb halbe 10 Uhr mittags ist nach Empfang allenh.h. Sterb Sacramenten in Herrn entschlafen die Frau Maria Elisabetha von Teütenhofen, sie ist 6 Jahr in den aussseren Kranckenstibele gewessen, sie hate die Gliedersucht und kente keinenn Schritt gehen noch stehen, sie ware doch ganz getrest und muntter, untedterhaltete sich mit der Grallele arbeith und Scapuliermachen; es war eine brauchbare Frau tragte viele Ämter in Closter, lester Hand war sie Novizen Maisterin, sie hate ein erstaunlich starcke Chor Stim gehabt und eine große Freid zu den Lob Gottes, sie ware auch Obergesangerin, ein geistreich und tugendtliche Frau … diesen Sommer ware auch ein so grosse Hiz das man ein solche nit bald gedencket hat.“
Ein Russe aus Kiew: Waltraud Mittich erzählt eine Herkunftsgeschichte, welche die Bruchstellen offenlegt, die der letzte große Krieg in den Biographien hinterlassen hat. Sie berichtet in autofiktionaler Weise von ihrem ukrainischen Vater, Offizier der Roten Armee, erzählt diesem nie gekannten Vater seine heutige Ukraine und in Anekdoten und kleinen historischen Exkursen ihr eigenes Leben und Frausein in Südtirol. Sie erinnert auch an die Vatersuche des großen Autors Joseph Roth, geboren in Brody, heutige Ukraine, und an sein Galizien, ehemaliges Kronland der Habsburgermonarchie. Foto: Edition LaurinSolche Bücher wie dieses Memorialbuch zurückzurufen, aufzumachen, den Kitt herzustellen zwischen dem, was war, und unseren heutigen Erfahrungen mit Pandemien und allen Siechheiten, die den Menschen befallen können, wir haben die Wahl, dies zu tun. Es ist ein Trost, es ist auch ein beinah wollüstiges Stöbern in den Todeserfahrungen, die sie hatten, diese Vorfahren.
Die Kirche, die den Namen St. Johann im Spital trägt, gehörte dem Kloster, ebenso wie die kleine Schule, die zeitweise dort untergebracht war, im angeschlossenen Bauernhof, vermute ich. Winkelschule hieß sie, weil ja ausgebildete Lehrer nicht hergezaubert werden konnten nach der Theresianischen Reform. Winkeladvokat ist noch übrig geblieben aus der Zeit. Wortrettungsdienst. Ein kleiner Exkurs sei erlaubt, bevor es weitergeht mit der Bildung. Der Wortrettungsdienst wäre ja eine eigene Geschichte. Zu retten insbesondere das Wort Zettelkraut, mir geläufg aus meiner Kindheit, es meint ganz einfach Sauerkraut, und die armen Leute bekamen auf Sonnenburg Ofennudel, Erbsensuppe und eben das Zettelkraut, wunderbar lautmalerisches Wort, sättigendes, verzetteltes, klein geschnittenes saures Kraut. Und weil ich schon beim Essen bin, noch ein Exkurs. Im Kloster gab es dreierlei Küchen: eine für Dienstboten, eine für die Konventfrauen und die Hofküche für die Äbtissin. Zurück zur Bildung. Mit ihr war es auch bei den Nonnen nicht weit her. Die Verena von Stuben, adeliges Fräulein, konnte kein Latein, die Sprache war männlichen Gelehrten vorbehalten. Wird oft am Fenster gestanden haben ihres Arbeitsraumes, die Äbtissin Verena, der gen Süden liegt. Hat hinunter geschaut auf die zwei Flüsse, die da unten zusammenfließen. Der eine, schlammig, aus den reichen Pfründen des Tales, das gen Süden verläuft, der andere grün, stolzer Stadtfluss. Wird zornig auf die Bücher gestarrt haben, die sie nicht lesen konnte. Hat aber trotzdem gekämpft um Geld und Status, hat Krieg geführt und militärische Befehlsgewalt ausgeübt, um ihren Besitz zu verteidigen, so wie übrigens manche adelige Frauen in vormoderner Zeit. Gekämpft auch für die profane Liebe, es war ihr Schicksal und sie zahlte den Preis. Auch den zweigeteilten Wind – der von Osten ist weicher, der aus dem Tal frisch – mag sie geliebt haben, den Kopf weit aus dem Fenster hinausgelehnt, um klare endgültige Entschlüsse zu fassen, die Cusanus dann über den Haufen geworfen hat, der alte, kluge Mann, der nicht vergessen hat, einer zu sein. Aber die Krümmung des Flusses, wie Verena sie gesehen hat, kann ich nicht zurückholen. Sie war wohl eine ganz andere. Zaubern geht nicht.Auch Wasser kann ich nicht hineinzaubern in den 38 Meter tiefen Zieh- oder Zigglbrunnen, der im Hof der Sonnenburg steht, würde es zu gerne her aufholen mitsamt seiner Geschichte. Er ist angeblich der schönste und mächtigste Brunnen dieser Art in Tirol. Sein Alter wird auf über 1000 Jahre geschätzt, also haben die Menschen noch vor der Gründung des Klosters hier Wasser geholt aus der Tiefe. Das sechsspeichige Triebrad hat einen Durchmesser von 1,99 Metern. Die Tiefe des Ziggl reicht allerdings nicht hinunter bis zum Flussbett, der Fluss liegt auf 800 Meter Meereshöhe, die Klosterburg auf 827. Das Wasser kam anscheinend von irgendwo im Gebirge. Abenteuerliches Strömen des Wassers durch irgendwelche wasserführende Schichten, bis es sich am Fuß der Burg sammelt und mit dem Ziggl heraufgezogen wird und die Menschen das frischeste, sauberste, klarste und reine Wasser trinken können, mineralisches Wasser in der Tat. Und möglicherweise ist der schönsten Novizin das Weyel in den Brunnen gefallen, wie hat sie geweint, bis der Frosch heraufkam mit dem nächsten Ziggl und ihr den Schleier zurückgebracht hat und dafür den Kuss verlangte, der die Erlösung bedeutete. Novizinnen, das ist gut zu wissen, geizen nicht, sie sind neugierig, es ist ihnen oft langweilig, das ist anzunehmen, deshalb sind sie freigiebig mit Küssen und Erlösungen, das Letztere zumindest ist ganz sicher wahr. Denn der Erlöser ist ihr Held. Aber wo sie finden, heute, die Novizinnen, diese Neulinge des Lebens. Zurückholen geht nicht. Es braucht den Liedermacher, den Italiener, ich kenne seinen Namen, leider ist er tot, aber der würde sie finden oder erfinden, es ist dasselbe, längs der Auto bahnen weiter unten im Tal, da stehen die Neuzugänge und warten auf den, der nicht von hier ist, auf ihr Schicksal, und nicht nur die Freier zahlen den Preis. Welche Schwierigkeiten die Klosterburg trotz des Zigglbrunnens mit dem Wasser hatte, beweist folgender Ausschnitt aus der Klosterchronik, die mit Komik und Ernst auch mit den fahrenden Gesellen abrechnet: „In diesen laufenden Jahr den 24. August (1775) meldete sich ein Perg oder Wasser Knapp beim Kloster, welcher sich als ein verständiger Wassergraber und Erfinder außgabe; er hatte auch sehr viele Atestat, das deme also sein sollte, allein solche Atesatat waren maistens nur von weith endfehrenete Orth... so befragte man disen Menschen, obe er nicht eine Ausßhilf oder anderes Wasser wuste...“
Es stellt sich am Schluss heraus, der Mensch ist ein Betrüger, dass die Nonnen um jeden Heller feilschen, den sie dem Fahrenden bezahlen müssen, und dass die Klosterfrauen am Ende um einiges, aber um nicht viel ärmer und nicht außergewöhnlich wohltätig sind.Aber die Doppelbogenfenster auf der Südseite der Klosterburg mit Säulchen und kleinen verformten Kapitellchen. Sie sind hübsch, und an ihnen wurde nicht gespart beim Bau. Hinausgeschaut hat eine durch sie ins hügelig futende Land. Vielleicht war Winter und sie fror. Sehnsucht ist kein gutes Wort für die Achtzehnjährige aus Wien, die Novizin, die Baronin Therese von Mannagetta. Heimweh vielleicht, aber es wäre ein neu zu erfindendes Daheim. Einer, der das Wörtchen gnadenlos gemocht hat, nehme ich an, einer, der sich auskannte bei den Kunstdenkmälern des Landes, sehr gut auskannte, sie liebte, den ich auch ehre, er hat trotzdem ein klebriges Romänchen geschrieben über die Theres. Das Büchlein will ich nicht zurückholen, wohl aber die Theres. Ihr Vater, der Freiherr von Mannagetta, hat seine Tochter aus Wien abgeschoben im Jahr 1761, weit weg auf die Sonnenburg, weil sie ein geheimes Liebesverhältnis hatte. Der Patriarch hätte sich gewünscht, die Tochter solle wie im Gefängnis gehalten werde. Den Gefallen tat ihm die Äbtissin nicht. Drei Jahre ging die „unanständige Correspondenz“ zwischen der Theres und dem Liebsten, danach hat er sie vergessen, danach trat sie ins Kloster ein. Zurückholen will ich die Zeiten, in denen die Väter solche Macht ausübten, weil die Verwandlungen aufgezeigt werden können, weil wir gelernt haben, die Frauen zu achten, aber es ist nicht genug. Die Theres und ihr Schicksal und der Preis, den sie gezahlt hat, wir dürfen nichts vergessen, damit es nicht wiederkommt.
Die Klosterburg und ihre weibliche, durchaus mächtige kirchliche Regentschaft hatte auch eine weltliche Regierung, es gab eine Art Minister, Außen- und Innenminister in einem, der nannte sich Hof- und Lehensrichter und hatte seinen Sitz im Hofrichterhaus in Sonnenburg. Stolz und schön hergerichtet steht es da im Weiler Sonnenburg, unter einem hohen Torbogen, der zum Gebäude gehört, können die Autos durchfahren, ich wünsche ihm nicht zu viele davon. Der Hofrichter, gäbe es ihn noch, würde die Durchfahrtsrechte streng kontrollieren, die Ansprüche an ihn waren so formuliert: gerecht und streng müsse er sein, außerdem hatte er „einen aufrechten, rödlichen und exemplarischen Lebenswandel zu fehren, so bei Gott und der Welt verantwortlich ist“.
Nachdem er angelobt war, wurde ihm als Zeichen seines Amtes Gerichtsstab und Hammer überreicht. Zu richten hatte der Hof- und Lehensrichter, der dem Kloster und seiner Äbtissin ergeben sein musste, über gar vieles: Grundbesitz, Eigentum, Zins, Pfründe, Geldschulden, Grenzregelungen, aber auch über kleinere Delikte – Malefizsachen eben.
Kaiser Maximilian I., der Habsburger, hat 1515 in einem Schiedsspruch die äußeren Grenzen des Hofgerichts Sonnenburg wie folgt beschrieben:
„Ain jede abtissin von Sunnenburg soll bey dem Gezirk ruebiglich und on irrung beleyben, als nemlich anzufahen von der Panbruggen für das Siechen- haus auf das Gasteig ... bis an den Loflzkof und darnach den Weg nach und auf dem Wasser nach an Kniepassergraben ... und bis wider an Panbrugg.“
Eine genaue örtliche Beschreibung also, innerhalb welcher Grenzen das Hofgericht entscheidungsbefähigt war. Dass meine Bannbrücke = Panbrugg sogar von meinem Kaiser – das „mein“ muss an dieser Stelle nun wirklich niemand verstehen – wortwörtlich in einem Dokument genannt wird, das seine Handschrift trägt, freut mich. Denn die Wörter der Vergangenheit auf diese Art zurückholen zu dürfen, ist ein Glück.
Wenn Christoph Schlingensief noch lebte, sollte er die Brücke inszenieren, so wie nur er dazu imstande wäre.[...]
Ein Russe aus KiewErschienen bei edition laurin
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