Adam und Eva
Foto: Pixabay
Società | schreibtwienmädchen

Südtirol hat alles im Griff

Im Heiligen Land können Grapscher immer noch sicher zugreifen und MeToo ist nur eine Farce.

Neulich erzählte mir ein Bekannter völlig aufgelöst von seiner ersten eigenen Erfahrung mit sexueller Belästigung. Zusammenfassung: Auf einer privaten Veranstaltung eines großen Südtiroler Unternehmens fasste ihm ein älterer Herr von hinten zwischen die Beine. Nach anfänglicher Scham und Zweifeln an der Wirklichkeit des Vorfalls, erzählte er es seinen Bekannten, aber es interessierte niemanden wirklich. Daraufhin verdrängte er den Vorfall, bis es später am Abend zu einer Diskussion mit dem besagten Herrn kam. Es stellte sich heraus, dass der Mann noch zwei Frauen belästigt hatte. Einer fasste er von hinten an die Brüste, die andere fragte er, ob sie rasiert sei. Erst da realisierte mein Bekannter, dass der Mann ihn auch bewusst angefasst hatte. Während der Diskussion um die anderen Vorfälle entwickelte sich Wut bei ihm und er traute sich seinen Peiniger anzusprechen. Die Reaktion des Grapschers: „bist du etwa Hashtag MeToo“. Außerdem drohte der Mann, ihm eine reinzuhauen. Die Zeugen haben nicht reagiert, den Täter sogar in Schutz genommen. Der Mann war betrunken und ein paar Anwesende versuchten dies als Entschuldigung und Verharmlosung der Situation abzutun. Es fielen Sätze wie, „der isch lei besoffen“ und „er hat private Probleme“. Das Fazit meines Bekannten: Jetzt verstehe er endlich, wie wir Frauen uns fühlen und dass er sowas Erniedrigendes noch nie erlebt habe. Er fühle sich schmutzig und ekele sich immer noch. Aber das Schlimmste sei, dass ER sich dafür schämte und nicht reagieren konnte, obwohl er nichts gemacht hatte. Und dass es von den anwesenden Männern, die das Szenario beobachteten, einfach toleriert wurde. Auch die betroffenen Frauen sagten weiter nichts. Sie erklärten nüchtern, dass ihnen so etwas schon oft passiert sei und sie es mittlerweile einfach hinnehmen, weil es sowieso nichts bringen würde etwas dagegen zu unternehmen. Dieses Gefühl der Ohnmacht begleitet jetzt auch meinen Bekannten.

Ein grapschender Flüchtling im Bozner Stadtpark, wahrscheinlich auch unter Drogeneinfluss und mit privaten Problemen, würde sicher nicht so einfach davon kommen.

Geschichten, die tagtäglich passieren und bei denen Mechanismen ans Licht kommen, die das Problem mit sexualisierter Gewalt und den Umgang damit offen legen. Besonders die enormen Schwierigkeiten und Folgen für die meist weiblichen Opfer. Vom Großteil der Gesellschaft werden die Täter geschützt und das Geschehen einfach hingenommen. Von Männern, weil sie zu 99 Prozent, aufgrund fehlender Erfahrungen, nicht nachvollziehen können wie sich so etwas anfühlt, sich davon nicht bedroht fühlen und keine weitere Verpflichtung verspüren dagegen solidarisch einzustehen. Von Frauen, weil sie wissen, dass sie nicht ernst genommen oder gehört werden und neben der Scham aufgrund des Übergriffs, dann auch noch die Scham vorm nicht-ernst genommen-Werden oder Übertreiben hinzukommt. Das perfide dabei ist, dass es jedoch auf den Status und das gesellschaftliche Ansehen des Täters ankommt. Ein grapschender Flüchtling im Bozner Stadtpark, wahrscheinlich auch unter Drogeneinfluss und mit privaten Problemen, würde sicher nicht so einfach davon kommen. Da kämpfen dann auf einmal wieder alle für die Rechte der Frauen, wollen aber nix davon wissen, dass sexualisierte Übergriffe und Gewalt kein exklusives Phänomen bestimmter Nationalitäten, Kulturen oder Religionen ist, sondern tief in den Männer dominierten Machtstrukturen, die auch weiterhin bei uns herrschen, verankert liegt. Und trotz jahrzehntelanger Aufklärungsarbeit und weltweiten Aufschreien wie MeToo wird dies immer noch nicht ernst genommen oder sogar belächelt.

Das Fazit meines Bekannten: Jetzt verstehe er endlich, wie wir Frauen uns fühlen und dass er sowas Erniedrigendes noch nie erlebt habe.

Es ist weiterhin salonfähig, als privilegierter weißer Mann auch mal ein bisschen grapschen zu dürfen wann immer es einem passt, ganz à la Trump. Diese Doppelmoral stinkt gewaltig zum Himmel überm christlichen Abendland. Ich würde gerne mal wissen, wie diese Leute reagierten, wenn eine Person ganz bewusst ihr Auto zerkratzt oder den Vorgarten zertrampelt und die daneben stehenden Zeugen sagen, „passt schon der isch lei besoffen und hat private Probleme“.