„Antitrottelsachbuch. In witzig.“
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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Barbara Plagg: Benjamin Blümchen. Ich hasse graue Elefanten mit MAGA-Käppis im Raum. Dafür liebe ich aber Bibi Blocksberg! Die hatte interessanterweise auch immer Schwierigkeiten mit dem Bürgermeister von Neustadt und dessen neoliberalen Ideen zur Stadtgestaltung, wie ich auch. Blöderweise kann ich aber nicht hexen. Noch jedenfalls nicht.
Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
Es ist nicht der allerletzte Satz, aber der letzte Satz des neunten Kapitels meines absoluten Lieblingsbuches und ich denke den Satz im Schnitt einmal wöchentlich, wenn’s ganz blöd läuft sogar mehrmals täglich: „Da eine Bombe rein, dachte er.“ Genanntes Lieblingsbuch ist übrigens „Sand“ vom unerträglich früh verstorbenen Herrndorf und seine Agentin soll mal entnervt gesagt haben, sie habe noch nie so viele Trottel auf einen Haufen gesehen wie in diesem Buch. Herrndorf hat das Buch dann konsequenterweise dem Genre „Trottelroman“ zugeordnet. Im Zentrum des Geschehens steht bei "Sand" ein Mann, der sein Gedächtnis verloren hat und jetzt fällt mir in dieser Sekunde gerade auf, dass mein Buch damit in gewisser Weise das Pendant zum Trottelroman ist: ein Antitrottelsachbuch. In witzig.
Ich bin gerade so überarbeitet, kann bitte ich auf der einsamen Insel bleiben und stattdessen das Buch zurückschicken?
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Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Die Bibel. Seit Jahrhunderten ein anscheinend gutes Buch, aber was sich die Leute an Homophoben und Misogynen aufgrund von diesem Werk zusammenreim(t)en, ist erstens weit an den Haaren herbeigezogen und zweitens stehen sie einem durchschnittlich vernunftbegabten Menschen schon auf Seite zwei zu Berge. Aber außerdem! Ich finde Reimen überhaupt nicht doof! Ich reime gern und am liebsten Gesundheits-Memos für den Hausgebrauch! Zum Beispiel im Trinkkapitel: „Spätestens, wenn man eher bernsteinfarbenes als strohgelbes Pipi ins Klo macht, sollte man sich auf jeden Fall sagen: Ich trink jetzt mal ein bisschen Wasser, dann wird mein Urin auch wieder blasser.”
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Weil wir Erdenwürmer im Unterschied zu dir, mein grüner Freund, nicht kurz mal eben ins Weltall abhauen können, wenn uns von der Steuerberaterin bis zum Exmann alle auf die Nerven gehen, deshalb bedienen wir uns des banalen Bücher-und-Netflix-Eskapismus. Wobei ich persönlich bei Lokalkrimis wenn dann bisher nur auf Jörg Maurer setzte, weil wenn schon Mord, dann mit Witz im Wort. Ha! Schon wieder gereimt!
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Denen der SUSIs. Die Südtirolerinnen da draußen lesen intelligent, progressiv, feministisch und spannend.
Das empfehle ich in Papierform, weil es zur Not auch als Selbstverteidigungswaffe taugt
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?Ich bin gerade so überarbeitet, kann bitte ich auf der einsamen Insel bleiben und stattdessen das Buch zurückschicken? Dann würde ich „Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl an ein paar Politiker im konservativ-patriarchalen Spektrum verschicken und hoffen, dass die dann auch zurücktreten wie neulich der SPÖler in Niederösterreich nach der Lektüre von eben diesem Buch. Jaja, ich weiß schon, du wolltest eigentlich ein blödes Buch von mir hören, das ich nicht mag, aber ich mag lieber ein gutes Buch an blöde Leute verschicken und auf Besserung hoffen.
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Ich lese nur analog und mit überdurchschnittlich vielen Begleitgesten, außerdem reicht es mir schon, bei meinem alten Handy ständig das Akku laden zu müssen. Ich habe deswegen keinen E-Book-Reader, dafür aber eine Stadtbibliothek. Ein Buch, das ich aber selbst besitze und analog schon so oft gelesen habe, dass die Seiten nach Sonnencreme in Istrien, Zugstunden im Railjet und fettigen Studentinnen-Pommesfingern riechen ist meine alte Liebe „Neue Vahr Süd“ von Sven Regener. Das empfehle ich in Papierform, weil es zur Not auch als Selbstverteidigungswaffe taugt (550 Seiten).
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Ich kann mich nicht entscheiden! Zwischen Hans Heiss und seinen „Blüten der Macht“, Barbara Bachmanns und Franziska Gillis „Hure oder Heilige“ und Maxi Obexers „Unter Tieren“. Lest doch einfach alle!
Barbara Plagg machte ihr Doktorat in der Alzheimerforschung an der Meduni München, forscht inzwischen am Institut für Allgemeinmedizin und Public Health in Bozen (Claudiana), lehrt Prävention und Gesundheitsförderung an der Uni Bozen und schreibt über gesundheits- und sozialpolitische Themen.
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Was für ein Sammelsurium…
Was für ein Sammelsurium von Gedankengängen, die die Autorin so plaggen.
Über das Buch aber erfährt man herzlich wenig.
Zumindest etwas hat die Autorin mit dem orange man, von dem sie selbst so wenig hält, gemeinsamt:
Bei Buchpräsentationen bleibt bei der eigenen Selbstdarstellung kaum noch Platz für das Buch.
In risposta a Was für ein Sammelsurium… di gorgias
Wie Sie hier wieder…
Wie Sie hier wieder routiniert am Thema nicht vorbeischrammen, sondern in äußerster Umlaufbahn vorbei und ins Abseits geweht werden: einfach gorgeous! Aber wovon bloß? Von der kleinen, spitzig giftenden Trigger-Vokabel "Antitrottelsachbuch" vielleicht, weil Sie sich - übrigens zu Unrecht - durch sie von der Lektüre ausgeschlossen fühlten? Oder sind Sie - so wie ich selbst - von der luziden, toughen und hochenergetischen Frau Plagg völlig geblendet und zwar in Ihrem Fall so sehr geblendet, dass Ihnen der Zweck der vorliegenden Rubrik, nämlich die Selbstdarstellung anhand der "Immer gleichen Fragen" vor dem gemarterten Gorgonenauge zerfließt? Bindehaut-Irritationen kann durch vorausschauendes Schließen der Augen vorgebeugt werden, dem ganzen Rest durch vorausschauendes und nachhaltiges Schließen des Mundes.
Schön, schon allein wegen…
Schön, schon allein wegen Sven Regener. Auf diesen Autor hat mich übrigens Gerald Steinacher, Professor inNebraska, gebracht. Bei einer seiner Buchvorstellungen in Meran meinte er, dass er manchmal nur mehr Sven Regener erträgt.