Umwelt | Interview

Zu Gast bei Pionieren

Wie können die für Südtirol so bedeutenden Wirtschaftszweige Tourismus und Landwirtschaft stärker voneinander profitieren? Und wie kann für regionale Produkte sensibilisiert werden? Das Projekt „Zu Gast bei Pionieren“ zeigt, wie’s geht.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Zu Gast bei Pionieren
Foto: Mint-Mediahouse
  • Joachim Messner ist Teil des Teams Product bei IDM und hat in seiner gesamten beruflichen Laufbahn Projekte in der erneuerbaren Energie-, Bau- und Tourismusbranche geleitet. Die Frage, die ihn bei IDM antreibt, ist: Wie können die zwei, für Südtirol so bedeutenden Wirtschaftszweige Tourismus und Landwirtschaft stärker voneinander profitieren? Genau über diese Frage möchten wir heute mit ihm sprechen, und er wird uns ein konkretes Projekt vorstellen, das Antworten auf diese Frage liefert: „Zu Gast bei Pionieren“.

  • Foto: IDM Südtirol - Alto Adige
  • SALTO: Herr Messner, das Projekt „Zu Gast bei Pionieren“ beinhaltet zentral die Frage, wie die zwei bedeutenden Wirtschaftszweige Südtirols, Tourismus und Landwirtschaft, stärker voneinander profitieren können. Worum geht es im Projekt, und warum ist diese Verbindung zentral?

    Joachim Messner: „Zu Gast bei Pionieren“ ist eine gemeinsame Initiative des Südtiroler Bauernbundes, des Hoteliers- und Gastwirteverbandes und IDM Südtirol. Das Ziel ist es, mehr regionale Lebensmittel auf den Teller zu bringen. 

    Mit unserer Veranstaltungsreihe „Zu Gast bei Pionieren“ wollen wir die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren Landwirtschaft und Tourismus intensivieren. Die Notwendigkeit der Verknüpfung zeigt sich auch darin, dass das Thema Landwirtschaft & Tourismus politisch an erster Stelle im Landestourismusentwicklungskonzept in die langfristige Tourismusstrategie aufgenommen wurde.

    Historisch waren in Südtirol Landwirtschaft und Tourismus oft in einem Betrieb vereint – der größte Hof im Dorf betrieb auch die Gastwirtschaft. Durch die Spezialisierung und spätere Industrialisierung der Sektoren ging das Gespür füreinander etwas verloren. Heute nähert man sich dieser Verbindung wieder etwas an, aber nicht aus tiefer Überzeugung, sondern weil die Gäste im Tourismus zunehmend nach lokalen Produkten verlangen. Auf Seiten der Landwirtschaft geht es leider oft auch ums wirtschaftliche Überleben, vor allem in der Berglandwirtschaft. 

     

    Welche Vision steht hinter dem Projekt, und was ist das Hauptziel der Veranstaltungsreihe?

    Durch erfolgreiche Geschichten von Pionierbetrieben aus Gastronomie, Hotellerie und Landwirtschaft sollen weitere Betriebe inspiriert werden, ähnliche Wege zu gehen. 

    Ein zentrales Ziel ist die Verwertung lokaler landwirtschaftlicher Produkte in der Südtiroler Gastronomie und Hotellerie. Dies soll nicht nur als Notwendigkeit aufgrund der steigenden Nachfrage seitens der Gäste geschehen, sondern auch aus der Überzeugung heraus, dass dies für beide Sektoren in Südtirol zukunftsweisend ist. 

    Ein weiteres Ziel ist es, die Endverbraucherinnen und Endverbraucher für den Konsum regionaler Produkte zu sensibilisieren, da dieser einen großen Einfluss auf die Aktivitäten der Betriebe hat. Letztendlich bestimmt die Nachfrage das Angebot und jeder Betrieb richtet seine Strategie an den Bedürfnissen der Gäste aus. 

     

    Welche wirtschaftlichen und kulturellen Potenziale sehen Sie in der Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus?

    Bei 35 Millionen Nächtigungen jährlich ergeben sich riesige Möglichkeiten für die heimische Landwirtschaft. 

    Dieses große wirtschaftliche Potenzial für die heimische Wertschöpfung wird oftmals nicht auf den ersten Blick gesehen. 

    Das kulturelle Potenzial liegt vor allem in der Einzigartigkeit der Südtiroler Küche, dem Erhalt der Berglandwirtschaft sowie der Sicherung der kleinstrukturierten Familienbetriebe, die eine entscheidende Rolle im Tourismus und in der Landwirtschaft einnehmen.

     

    Wie kann das Projekt „Zu Gast bei Pionieren“ zur nachhaltigen Entwicklung der Region beitragen?

    Nachhaltigkeit beginnt bei uns Konsumierenden. Durch einen bewussten und gezielten Einkauf kann Lebensmittelverschwendung vermieden werden und eine ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltige Produktion in Südtirol durch den Einkauf lokaler Produkte unterstützt werden. Wenn wir zum Beispiel anstelle von billig importierten Milchprodukten die heimische Südtiroler Heumilch oder Bio-Heumilch kaufen, hat das unmittelbar Auswirkungen auf unsere Gesundheit und das Landschaftsbild. So darf für die Heumilchproduktion keine Silage verwendet werden, was bedeutet, dass weniger Siloballen die Felder dominieren und stattdessen mehr Grünflächen entstehen. In diesem Fall wird eine nachhaltige Leistung der Landwirte direkt von den Abnehmern durch den Kauf der Produkte gefördert – zielgerichteter kann eine Förderung nicht sein.

    Ein weiteres Beispiel sind Bio- und Freilandeier aus Südtirol. 

    Unsere Landwirte produzieren etwa 45 % des Bedarfs, fast ausschließlich aus Freiland- und Biohaltung. 

    Diese Eier sind zwar teurer, aber wir wissen, dass die Hühner artgerecht gehalten werden. Indem wir solche Produkte gezielt wählen, fördern wir eine tiergerechte Landwirtschaft in der Region.

     

    Haben Sie konkrete Beispiele von Pionieren, die zeigen, wie Landwirtschaft und Tourismus sich gegenseitig bereichern können?

    Ein gutes Beispiel ist der Gasthof Jägerhof beim Jaufenpass. Ein eher kleiner Betrieb, der durch den Fokus auf regionale Produkte aus dem Passeiertal sehr erfolgreich ist. Rundum positive Gästebewertungen sprechen für den Erfolg regionaler und lokaler Produkte. Das Rückgrat dieses Erfolgs ist bestimmt auch die Familie, die den Betrieb gemeinsam führt.

    Ein weiteres Beispiel ist das Gasthaus Flurin im Vinschgau. Es werden 80 % der Produkte, die im Restaurant verarbeitet werden, aus dem Vinschgau bezogen – ein beeindruckender Anteil. Auch die Vitalpina Hotels Südtirol setzen in ihrem Konzept, soweit es geht, auf regionale Kreisläufe und intensivieren die Zusammenarbeit mit lokalen Landwirtinnen und Landwirten nach und nach.

    In der Landwirtschaft gibt es ebenfalls Erfolgsgeschichten, wie beispielsweise den Moarhof im Ahrntal, der sich auf Graukäse spezialisiert hat und 90 % seiner Produktion an die Gastronomie verkauft. Auch der Matscher Seibling oder gezüchtete Pilze aus Aldein sind beliebte Nischenprodukte, die besonders in der Gastronomie gut ankommen. Ein weiteres Nischenprodukt sind die Bergheuprodukte aus dem Passeiertal, die neben den Heubädern in den Hotels auch zu vielfältigen Produkten wie z.B. Tapeten, Lampenschirmen, in Kissen oder auch zu Heuschnaps verarbeitet werden. 

     

    Welche Regionen wurden bereits im Rahmen des Projekts besucht?

    Wir haben letztes Jahr im Eggental begonnen, wo bereits in jeder der drei Gemeinden eine Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Hoteliers existiert. Auch im Vinschgau, besonders in Prad, Glurns und Matsch, gibt es eine beeindruckende Vielfalt an biologischen Produkten, die noch großes Potenzial für die lokale Landwirtschaft und den Tourismus haben.

    Im Ahrntal, Passeiertal und zuletzt im Wipptal haben wir ebenfalls große Fortschritte gemacht. In Ratschings zum Beispiel haben einige Hotels eine Bedarfsliste für landwirtschaftliche Produkte erstellt, die nun von den örtlichen Betrieben gedeckt werden soll. Hier sehen wir ein großes Potenzial für die Zukunft.

     

    Was macht die Pioniere bei der Umsetzung dieser Partnerschaften besonders erfolgreich und was ist die Resonanz?

    Viele Pioniere in der Hotellerie und Gastronomie setzen aus Überzeugung auf lokale Produkte, auch wenn es manchmal mehr Aufwand bedeutet. 

    Die Rückmeldungen der Gäste und der hohe Anteil an Stammgästen bestätigen ihnen, dass dieser Weg richtig ist. 

    Sie sehen den Mehraufwand nicht als Kosten, sondern als Investition in die Qualität ihres touristischen Angebots.

    Auch die Biolandwirtinnen und -landwirte sind von ihrem Weg überzeugt – trotz der oft schwierigen Vermarktung. Viele Junglandwirte nehmen die Vermarktung selbst in die Hand, sie produzieren außergewöhnliche Produkte und gehen direkt auf die Gastronomie und Hotellerie zu, um ihre Produkte zu verkaufen. Das ist vor allem bei einigen Gemüsebauern so, welche die Gastronomiebetriebe persönlich beliefern. 

     

    Wie wird das Projekt weitergeführt, und welche Schwerpunkte gibt es für die Zukunft?

    Wir haben während der vergangenen Veranstaltungen erkannt, dass die persönlichen Beziehungen zwischen Menschen aus Landwirtschaft und Tourismus die Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit sind. Deshalb werden wir auch in Zukunft wieder viele Pioniere besuchen. Zusätzlich gibt es auf der digitalen Plattform TourisMUT.com Porträts und Geschichten von Pionieren.

    Wir möchten die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren Landwirtschaft und Tourismus zur Selbstverständlichkeit machen. 

    Dafür braucht es eine langfristige Unterstützung der Bemühungen durch die Politik und Verbände und mehr gegenseitige Solidarität von Seiten aller Tourismus- und Landwirtschaftsbetriebe, um gemeinsam für alle Betriebe in Südtirol Zukunftsträchtiges zu schaffen. 

     

    Was muss sich in Zukunft ändern, um ein nachhaltiges Konsumverhalten zu erreichen und Südtiroler Produkte weiter zu stärken?

    Solche Initiativen zeigen ihre Wirkung nicht von heute auf morgen, sondern erst über Jahre hinweg. Es braucht Beharrlichkeit und Langfristigkeit in den Bemühungen: deshalb ist es wichtig, dass neben den Unternehmern im Tourismus und in der Landwirtschaft auch die Politik, Verbände und die Konsumierenden langfristig hinter diesen Projekten stehen.

    Wir müssen uns immer wieder hinterfragen, welche Produkte wir kaufen und woher diese stammen. Wenn wir alle bewusster einkaufen und regional verfügbare Produkte bevorzugen, unterstützen wir nicht nur nachhaltige Landwirtschaft, sondern tragen auch zu einem gesünderen und ethischeren Konsumverhalten bei.

  • Unser Einsatz für ein nachhaltigeres Südtirol

    Der Begriff „Nachhaltigkeit“ umfasst zahlreiche Herausforderungen: von der Förderung regionaler Kreisläufe über Biodiversität bis zur grünen Mobilität. IDM arbeitet gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und verschiedenen Institutionen an diesen Themen. Dazu gehören beispielsweise Initiativen wie das 2023 eingeführte „Nachhaltigkeitslabel Südtirol“, das auch auf andere Sektoren außerhalb des Tourismus ausgeweitet wird, Maßnahmen zum Besuchermanagement, die Förderung regionaler Erzeugnisse und viele weitere.

    Entdecke alle Projekte aus dem Jahr 2023 in unserem Tätigkeitsbericht: Nachhaltigkeit – IDM-Bericht (idm-suedtirol.com).