Gesellschaft | Debatte

Hoffnung wider alle Hoffnung

So lautet der Titel der diesjährigen Ausgabe der Toblacher Gespräche. David Hofmann sitzt im wissenschaftlichen Beirat des Symposiums und erzählt, worum es dabei geht.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Toblacher Gespräche
Foto: Toblacher Gespräche
  • Unter dem Titel „Hoffnung wider alle Hoffnung“ werden in der heurigen Ausgabe der Toblacher Gespräche, die vom 27. September bis 29. September im Grand Hotel Toblach stattfinden, international anerkannte Expertinnen und Experten Perspektiven erörtern, die zu einer positiven Ausgestaltung der Zukunft des Menschen führen können.

  • Foto: (c) privat

    David Hofmann ist Neurowissenschaftler, aktiv bei Climate Action South Tyrol und sitzt im wissenschaftlichen Beirat, der die Toblacher Gespräche organisiert. „Die Toblacher Gespräche gibt es seit über drei Jahrzehnten“, erzählt er. „Es handelt sich dabei um eine Konferenz, bei der es darum geht, ökosoziale Themen zu diskutieren. Aus ihr sind auch viele Projekte hervorgegangen, z.B. das erste Fernheizkraftwerk in Südtirol. Aber auch das Ökoinstitut, die Klimahausagentur, die sind beide aus diesem Umfeld entstanden. Die Toblacher Gespräche waren immer schon ein Hort des Denkens und des Handelns. Aber auch ein Ort des Austauschs. Unter den referierenden Personen finden sich natürlich viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch Menschen, die in der Politik tätig sind, oder Aktivistinnen und Aktivisten. Das Format sind vor allen Vorträge und Podiumsdiskussionen. In den letzten Jahren haben sich aber auch die Workshops etabliert. Auch heuer wird es wieder vier Workshops geben, in denen verschiedene Themen konkret angegangen werden.“

  • Zwei Arten der Hoffnung

    Zentrales Thema der diesjährigen Ausgabe ist die Hoffnung. Doch was bedeutet Hoffnung eigentlich? Diese Frage stellt sich auch Hofmann: „Es gibt zwei Arten der Hoffnung, eine oberflächliche und eine tiefe. Die oberflächliche Hoffnung sagt man oft so leicht daher und kommt oft daher, dass man sich sehr wahrscheinlich nicht sonderlich ausführlich mit den Problemen unserer Zeit auseinandergesetzt hat. So ein ‚es wird schon alles gut gehen.‘ oder ‚alles wird besser‘. Das ist aber nicht die Hoffnung, um die es hier geht. Sondern uns geht es darum, eine tiefe Hoffnung zu diskutieren. Eine Hoffnung, die dann entsteht, wenn man sich aktiv dafür einsetzt, dass eine Situation sich bessert. Dadurch, dass man Menschen kennenlernt, die das auch tun, gemeinsam lässt sich Hoffnung schöpfen. Wir leben ja in Zeiten, die ziemlich hoffnungslos anmuten. Die aktuellen Krisen – oder besser gesagt, die aktuelle Polykrise – belastet viele Menschen, besonders jüngere. Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht sind sehr nachvollziehbare Gefühle. Mit der heurigen Ausgabe der Toblacher Gespräche wollten wir daher der Frage nachgehen: Wie können wir Hoffnung schöpfen, und zwar eine tiefe, informierte Hoffnung? Unsere Antwort, aber auch die von Psychologinnen und Psychologen lautet: Aktion. Das ist so das übergreifende Thema des Symposiums: Welche Krisen gibt es und wie können wir gegen sie aktiv werden?“

    Dementsprechend breit gefächert ist das Programm. So wird die Sozialwissenschaftlerin Paola Imperatore von der Universität Pisa darüber referieren, wie soziale Gerechtigkeit und der Klimaschutz zusammen gedacht werden können und was für Gruppen in Italien sich gerade dafür schon jetzt starkmachen. Paulina Frölich, stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Think Tanks Das Progressive Zentrum, wird hingegen dem Zusammenhang zwischen der Klimakrise und Demokratie-Verdrossenheit auf den Grund gehen. Mit großem Interesse werden auch die KlimaSeniorinnen aus der Schweiz erwarten. Sie werden den Aspekt der juridischen Verfolgung von Umweltsündern vertiefen. Schließlich wird der Bio-Bauer Marco Tasin aus Roncafort bei Trient seinen landwirtschaftlichen Betrieb vorstellen, den er nach der agroökologische Bebauungsmethode bewirtschaftet. Eine Methode, die er selbst dank seiner Studien an der schwedischen Universität für Agrarwirtschaften in den letzten Jahren entwickelt hat.

  • Die Toblacher Gespräche bieten nicht nur Vorträge, sondern auch Workshops und Diskussionen. Foto: © Ulrike Rehmann
  • Raus aus der Blase – auf die Südtiroler Art

    Laut Hofmann gibt es aber noch zwei andere Aspekte, die die Toblacher Gespräche besonders interessant machen: „Für Akademikerinnen und Akademiker ist es eine Möglichkeit, um mit Menschen, die in der Politik und in der Verwaltung tätig sind, in Austausch zu treten. Das ist untypisch für ein akademisches Symposium, bei denen man häufig nur Menschen aus der eigenen Blase trifft. Hier hingegen sitzt die breite Bevölkerung im Publikum. Das ist das eine. Das andere ist die Tatsache, dass das komplette Symposium zweisprachig ist. Heutzutage finden die meisten wissenschaftlichen Konferenzen ja auf Englisch statt. Aber wir sind in Südtirol, wir haben drei Landessprachen, zwei große Sprach- und Kulturräume mit Deutsch und Italienisch. Und wir als Toblacher Gespräche wollen einen Beitrag zu ihrer Vereinigung leisten und wir haben Teilnehmende aus Deutschland und Österreich, wie aus dem Rest Italiens. Deshalb gibt es für alles eine Synchronübersetzung.“

    Der erste Punkt hat auch einen interessanten Nebeneffekt. „Die referierenden Personen wissen natürlich, dass sie nicht nur zu ihresgleichen sprechen“, erklärt Hofmann. „Sie müssen daher ihre Inhalte ganz anders aufbereiten als sonst. Für die breite Bevölkerung hingegen sind viele der Themen interessant und relevant. Denn Klimakrise, soziale Gerechtigkeit und Demokratie betreffen uns alle.“

    Deshalb ist der Freitag, der erste Tag, auch gratis, während die restlichen Tage etwas kosten. Stattfinden werden am Freitag eine Exkursion und eine Podiumsdiskussion. „Der erste Teil – die Exkursion – ist ein Blick zurück“, so Hofmann. „Wir werden verschiedene Orte besuchen, z.B. das schon eingangs erwähnte Fernheizkraftwerk und andere Projekte, die in Toblach passieren und die mit ökosozialer Transformation zu tun haben.“ Abends folgt eine Podiumsdiskussion. In ihrem Zentrum steht die Frage: Kann man über das tatsächliche Ausmaß der Krisen informiert sein und trotzdem noch Hoffnung haben? Die Aktivist*innen Majda Brecelj und Giacomo Ratto gemeinsam mit dem Philosophen Andreas Oberprantacher und der Psychologin Sabine Cagol werden in einem Gespräch vertiefen, wie man angesichts der multiplen Krisen trotzdem die Kraft finden kann, an einer besseren Zukunft zu arbeiten. „Wir dachten, das ist eine wunderschöne Konstellation, um das Thema Hoffnung zu diskutieren“, freut sich Hofmann. „Sie lehnt sich ein bisschen an die Gedanken des italienischen Intellektuellen Antonio Gramsci an, der es gut auf den Punkt gebracht hat, wenngleich mit einem etwas zu paternalistischen Ton, aber man bedenke auch die Zeit, in der er lebte, im Gefängnis des faschistischen Italien schrieb er: ‚Ogni collasso porta con sé disordine intellettuale e morale. Bisogna creare gente sobria, paziente, che non disperi dinanzi ai peggiori orrori e non si esalti a ogni sciocchezza. Pessimismo dell'intelligenza, ottimismo della volontà.‘ Der Wille führt zur Aktion, und die stärkt dann wiederum die Hoffnung.”

     

    Artikel von Jenny Cazzola

  • Foto: Toblacher Gespräche