Wie S.P.E.C.K. gemacht wird
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Mit „Suoni pericolosi e cittadini kaotici“ bestezt das junge S.P.E.C.K. Kollektiv sein namens-gebendes Akronym. Das Zusammenspiel der Musikerin Francesca „FCANTSS“ Cantele und des Musikers Nikolaj Oberrauch mit den etablierten Soundkünstlern Alberto de Campo und Hannes Hölzl im Bunker H rund um elektronisch-digitale Möglichkeiten der Sound-Generation sollte bei „k“ wie „kaotici“ seinen Ausgang nehmen. Die Startzeit verschob sich deutlich nach hinten, es gab Schwierigkeiten beim Set-up am sicherlich nicht sonderlich unkomplizierten Veranstaltungsort. Zumindest ist es mit konstanten 12 Grad Lufttemperatur nicht zu kalt im Guntschnaberg.
Während man versuchte, Beamer und Sound-Anlage gleichzeitig zum Laufen zu bringen, stand in der Nebenhöhle ein kleines Setup bereit, bei dem man sich selbst am Analogsynthesizer erproben konnte. Ein kleiner, temporärer Spielplatz für Musiknerds, der von Nikolaj Oberrauch gestaltet worden war. Unter diversen Schichten von Verzerrung und Verfremdung glauben wir ein loopendes Sprachsample des Wortes „Speck“ herausgehört zu haben. Oberrauch selbst, der am großen Set-up für die aus Berlin angereisten Musiker tätig war, ließ sich bei der Arbeit über die Schulter blicken und fachsimpelte mit interessierten Personen. Schließlich fand sich ein Kompromiss und das Live-Konzert konnte mit einer Live-Projektion statt mit zweien starten.
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Diese geben live Einblick in die elektronische Klangmanipulation von Hölzl und de Campo, welche dem Publikum auch gleich ihr Credo verrieten: „Loose Control, gain Influence“. Man wisse selbst nicht, was das Betätigen einer einzelnen Taste bei ihrem neuesten „UFO“-Controller, der zudem über ein Gyroskop verfügt, das die Neigung des Geräts registriert, auslöst. Man probiert und spielt nach Gehör.
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Zum Spiel werden im Zuge des dreiviertelstündigen Sets auch alle eingeladen, die sich von ihrem Sitzplatz nach vorne auf die Bühne trauen. Nach etwa einer halben Stunde wird aus dem Duett der beiden Musiker ein vielstimmiger Kanon am reich bestückten Tisch. Neben den für manche vertrauten Game-Pads war es vor allem der „Controller“ mit dem Namen „Flat-Cat“, der begierige Hände auf sich zog. Der an einen Fuchsschwanz erinnernde Roboter mit einem vielgliedrigen Innenleben überbrückt Berührungsängste mit einem simplen, grundlegenden Impuls: Man will ihn streicheln und kommt so in Kontakt. Ein wenig kann man sich das Skelett von Flat-Cat wie eine lose Fahrradkette vorstellen.
„Wie Lego, nur selbst gemacht und im Computer…“, mit dieser etwas schiefen Metapher erklärt Hölzl sein Musizieren dem Publikum. Die kindliche Freude am Spiel hat die Session mit den Musikern jedenfalls auf den Plan gerufen, wenngleich mit dem Öffnen der Bühnensituation die Spannung kurz absank. Zum kakofonischen Schluss-Crescendo hin stieg diese noch einmal an, bevor Alberto de Campo und Hannes Hölzl sich sorgfältig an den Rückbau machen und – selbst für den Abend – seltsame Geräusche das Publikum zurück an den Nebenschauplatz riefen.
Mit Nebel, atmosphärischen Klängen, Gegenlicht und viel Körpereinsatz hatte „FCANTSS“ sich für ihre Performance in ein Kostüm und eine Rolle geworfen. Als mit Ketten rasselnde, getriebene und gequälte Kreatur kroch sie am Bunkerboden auf die versammelten „Humans“ zu, nahm die Witterung auf wie ein wildes Tier und gelangte schließlich schleppend und mühsam zur Bühne. Dort wartete ihr S.P.E.C.K. Partner Nikolaj Oberrauch bereits auf sie mit dem zur Performance passenden Sample im Loop: Dr. Frankenstein (in der Filmversion von James Whale aus dem Jahr 1931) hat seinen „Heureka“-Moment: „It’s alive!“ ruft die sich überschlagende, manische Stimme von Colin Clive vom Band.
Eine weitere letzte Steigerung der Lautstärke hätten wir für das abschließende S.P.E.C.K.-Set nicht mehr gebraucht. Das Sitzkonzert hätte auch einige Dezibel leiser seine Intensität halten können, nachdem es mit einer Mischung aus Spiel, Einblicken ins für viele doch eher abstrakte Handwerk der digitalen Livemusik und nicht zuletzt Horror-Elementen die Fantasie des Publikums geweckt hatte. Lauter ist nicht immer besser, auch dort, wo die Nachbarn nicht gestört werden. Zum Glück gab es Ohrenstöpsel am Eingang des Bunkers. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass sich das Klangexperiment im Bunker H wiederholen wird. Von S.P.E.C.K. und auch von Hannes Hölzl wird man ihn Südtirol noch öfters hören.
Der Speck muss weck.
Der Speck muss weck.