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Quo vadis, Joker?

Heiß diskutiert, von manchen verteufelt, von anderen gelobt. Was steckt hinter der Fortsetzung des 2019 sehr erfolgreich gestarteten „Joker“ von Todd Phillips?
Joker vor Gericht, im Hintergrund Harley Quinn
Foto: Todd Phillips
  • Achtung Spoiler, denn anders kann über diesen Film nicht gesprochen werden. Arthur Fleck wurde am Ende des ersten Joker zur Titelfigur, oder, je nach Interpretation, verbreitete sich der anarchische Gedanke des Jokers in seiner Gestalt, und von dort aus, in ganz Gotham City.

    Für seine Morde wurde Arthur in das Arkham Asylum, die städtische psychiatrische Anstalt gesteckt. Dort lernt er zu Beginn von Teil 2, der mit dem Untertitel Folie à Deux daherkommt, eine Frau namens Harleen Quinzel kennen. Sie singt im Chor der Anstalt und fühlt sich Arthur nahe. Sie lernen sich kennen, und diese Frau wird, Comic-Fans wissen es bereits, zu Jokers Geliebten und Muse Harley Quinn. Ihrer Liebe steht jedoch einiges im Weg, allen voran Arthurs Gerichtsprozess, in dessen Zuge er sich für seine Taten verantworten muss. Und damit ist der Film in seiner grundsätzlichen Handlung auch schon zusammengefasst. Anders als der erste Teil setzt Joker 2 nicht auf große Wendungen oder eine ausufernde Geschichte. Viel eher haben wir es hier mit einem teils Gefängnis- teils Gerichtsfilm zu tun – und einer Auseinandersetzung mit der Geschichte von Teil 1. 

    Ein drittes Genre gesellt sich natürlich noch hinzu, wenngleich auch etwas handzahm. Schon in den Trailern wurde klar, Joker 2 wird in Teilen ein Musical. Die Hauptfiguren singen und tanzen durch abstrahierte Szenerien, die an Gotham erinnern. Lange war unklar, wie der Wandel vom geerdeten, dreckigen Erstling zum schillernden Musical gelingen soll. Die Antwort ist ebenso einfach wie ernüchternd: Gesungen und getanzt wird in den Köpfen der Singenden und Tanzenden. Sprich: Wenn Joker und Harley Cover-Versionen bekannter Songs anstimmen, passiert das nicht wirklich. Die Anwesenden im Gerichtssaal, Richter, Staatsanwälte, Geschworene, bekommen davon nichts mit. Schade, eine verpasste Chance, einen wirklich radikalen Genre-Wechsel durchzuführen.

  • Foto: Todd Phillips
  • Im Kern beschäftigt sich Joker 2 dann lieber mit Arthur und seinen Taten. Und auch damit, wie sie zu bewerten sind. Damit begibt sich Regisseur Todd Phillips auf die Meta-Ebene. Er ist nicht daran interessiert, die Geschichte seiner Titelfigur weiterzuerzählen, lieber hält er inne, reflektiert den ersten Film und besonders die Reaktionen des Publikums darauf. Das gefällt vielen nicht. Seit seinem Kinostart erhält Joker 2 überwiegend negative Rezensionen, sowohl von Presse als auch von Seiten der Fans. Das ist verständlich, aber trotzdem entlarvend. Denn Joker 2 weiß um die oftmals problematische Rezeption seiner Figur. Besonders Teil 1 gilt etwa in Incel-Kreisen als heißer Tipp, wird hier doch ein Mann gezeigt, der von der Welt verstoßen wird, allein ist, keine Frau bekommt, irgendwann durchdreht und dafür gefeiert wird. Ein echt toller Typ, oder nicht? Teil 2 möchte diesem Missverständnis einen Riegel vorschieben und zerpflückt die Motivation von Joker vor Gericht in allen Einzelheiten. Das ist manchmal etwas langwierig und wenig interessant, vor allem wenn man die eigentliche Absicht der Filmemacher bereits verstanden hat. Jene, die Joker zum Helden stilisieren, finden Teil 2 gerade schlecht. Denn Folie à Deux verweigert sich der Erwartungshaltung, einen Joker für die Massen zu präsentieren. Alle wollen Joker – in der Realität, wie auch im Film. Aber diesen Joker bekommt ihr nicht, antwortet Todd Phillips. In dieser Hinsicht steht Harley Quinn für das Publikum. Sie liebt und begehrt Joker um jeden Preis – auch wenn der sich schon längst von ihr abgewandt hat.

    Der Film steckt also in einer Zwickmühle, weil er alte Fans vergrault und sich kaum neue schafft. Leider ist die Umsetzung des eigentlich interessanten Konzepts, nichts Neues zu erzählen, sondern bloß aufzuarbeiten, quasi als langer Epilog, teils recht holprig gestaltet. Das Drehbuch leidet an manchen Klischees, die Musical-Sequenzen wirken überlang und oft fehlplatziert, noch dazu geht Todd Phillips nicht sonderlich virtuos mit dem Genre um. Gespielt wird fabelhaft, Joaquin Phoenix und Lady Gaga haben ihre Rollen verstanden, wenngleich Gaga zu kurz kommt. Als Experiment, das nicht in allen Punkten gelungen ist, kann man dem Film aber eine Chance geben. Man sollte bloß nicht weinend aus dem Kino laufen, wie ein kleines Kind, das nicht bekommt, was es sich wünscht. 

  • (c) Todd Phillips