Gesellschaft | MENSCHENRECHT

Sexual- Rechte

Verabschiedet von der Generalversammlung der World Association for Sexual Health (WAS)
am 26. 08.1999 in Hongkong (VrC) http://www.sexologie.org/sexualrechte
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
  • Erklärung der sexuellen Menschenrechte

    Sexualität ist integraler Bestandteil der Persönlichkeit jedes menschlichen Wesens. Ihre volle Entfaltung verlangt die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse wie Sehnsucht nach Kontakt, nach Intimität, nach Ausdruck von Gefühlen, nach Lust, Zärtlichkeit und Liebe.

    Sexualität konstruiert sich aus dem Zusammenwirken von individuellen und gesellschaftlichen Strukturen. Eine voll entwickelte, erfüllte Sexualität ist die Grundlage für individuelles, zwischenmenschliches und gesellschaftliches Wohlbefinden.

    Sexuelle Rechte sind universale Menschenrechte auf der Grundlage von Freiheit, Würde und Gleichheit aller Menschen. So wie der Anspruch auf Erhalt und Wiederherstellung der Gesundheit ein menschliches Grundrecht ist, so gilt dies auch für die sexuelle Gesundheit. Damit Menschen und Gesellschaften eine gesunde Sexualität entwickeln können, müssen die folgenden Sexual-Rechte weltweit anerkannt und mit allen Mitteln gefördert und verteidigt werden. Sexuelle Gesundheit gedeiht nur in einer Umgebung, die diese sexuellen Grundrechte wahrnimmt, respektiert und ausübt.

     

    1. Das Recht auf sexuelle Freiheit.
    Sexuelle Freiheit als sexuelle Selbstbestimmung umfasst die Freiheit eines jeden Individuums, alle seine sexuellen Möglichkeiten zum Ausdruck zu bringen. Dies schliesst jedoch zu jeder Zeit und in jedweden Lebenssituationen alle Formen sexuellen Zwangs, sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch aus.

    2. Das Recht auf sexuelle Autonomie, sexuelle Integrität und körperliche Unversehrtheit.
    Dieses Recht beinhaltet die Fähigkeit zu selbständigen Entscheidungen über das eigene Sexualleben im Rahmen der eigenen persönlichen und sozialen Ethik. Es umfasst auch das Recht auf Verfügung über und Lust am eigenen Körper, frei von jeder Art von Folter, Verstümmelung und Gewalt.

    3. Das Recht auf eine sexuelle Privatsphäre.
    Dies umfasst das Recht auf individuelle Entscheidungen und Verhaltensweisen in unserem Intimleben, solange diese nicht die Sexual-Rechte anderer beeinträchtigen.

    4. Das Recht auf sexuelle Gleichwertigkeit.
    Dies verlangt Freiheit von allen Formen der Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Geschlechtsrolle, sexueller Orientierung, Alter, Rasse, sozialer Schicht, Religion oder körperlicher und seelischer Behinderung.

    5. Das Recht auf sexuelle Lust.
    Sexuelle Lust einschliesslich Selbstbefriedigung ist eine Quelle von körperlichem, seelischem, geistigem und spirituellem Wohlbefinden.

    6. Das Recht auf Ausdruck sexueller Empfindungen.
    Sexuelle Äusserungen beinhalten mehr als erotische Lust oder sexuelle Handlungen. Menschen haben das Recht, ihre Sexualität durch Kommunikation, Berührungen, Gefühle und Liebe auszudrücken.

    7. Das Recht auf freie Partnerwahl.
    Dies bedeutet das Recht zu heiraten oder auch nicht, sich scheiden zu lassen und andere Formen verantwortungsbewusster sexueller Beziehungen einzugehen.

    8. Das Recht auf freie und verantwortungsbewusste Fortpflanzungsentscheidungen.
    Dies schliesst das Recht auf die Entscheidung ein, Kinder zu haben oder nicht; ihre Anzahl und die Abstände zwischen den Geburten zu bestimmen; und das Recht auf ungehinderten Zugang zu Mitteln der Fruchtbarkeits-Kontrolle.

    9. Das Recht auf wissenschaftlich fundierte Sexualaufklärung.
    Dieses Recht beinhaltet, dass sexuelles Wissen in einem Prozess unbehinderter Forschung und wissenschaftlicher Ethik gewonnen und in angemessener Weise auf allen gesellschaftlichen Ebenen verbreitet wird.

    10. Das Recht auf umfassende Sexualerziehung.
    Dies ist ein lebenslanger Prozess von der Geburt durch alle Lebensphasen und unter Einbeziehung aller sozialen Institutionen.

    11. Das Recht auf sexuelle Gesundheitsfürsorge.
    Zur Verhütung und Behandlung von allen sexuellen Fragen, Problemen und Störungen sollte allen eine angemessene Gesundheitsfürsorge zur Verfügung stehen.

    Sexual-Rechte sind universale Grund- und Menschenrechte

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Salto User
Oliver Hopfgartner Sa., 18.05.2024 - 21:07

Bei den Punkten 8-11 gibt es meiner Meinung nach einige Schwammigkeiten.
Greifen wir z.B. Punkt 8 heraus: Wie deuten wir das "Recht auf ungehinderten Zugang zu Mitteln der Fruchtbarkeits-Kontrolle"? Ist es ein "lass mich in Ruhe-Recht" im Sinne von: niemand darf einem Paar verbieten, Verhütungsmittel XY zu nutzen? Oder deuten wir es ein "gib mir-Recht", im Sinne von: Ich als Steuerzahler muss einem anderen Paar Verhütungsmittel XY zahlen, da sonst sein Recht auf ... verletzt wird?

Das ist nämlich ein wesentlicher und grundlegender Unterschied und die ausbleibende Klärung dieser Frage ist meiner Meinung nach einer der Hauptgründe, für so manche Konflikte zu diesen Themen.

Sa., 18.05.2024 - 21:07 Permalink
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Herta Abram Sa., 18.05.2024 - 23:05

Antwort auf von Oliver Hopfgartner

"So wie der Anspruch auf Erhalt und Wiederherstellung der Gesundheit ein menschliches Grundrecht ist, so gilt dies auch für die sexuelle Gesundheit" - Forschung, Bildung, Aufklärung,Gesundheitschutz, Verhütungsmittel,.... sind Teile davon.
Anbei erklärt Julia Unterberger dazu: https://www.tageszeitung.it/2023/04/30/die-gratis-pille/

Sa., 18.05.2024 - 23:05 Permalink
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Salto User
Oliver Hopfgartner Mo., 20.05.2024 - 18:51

Antwort auf von Herta Abram

Ich halte das für falsch. Du hast kein Recht darauf, dass ich dir die Pille zahle, so wenig wie ich ein Recht darauf habe, dass du mir mein Eishockeytraining finanzierst. Sehr wohl aber hast du ein Recht darauf, dass ich dir nicht dabei hineinrede, ob bzw. wie du verhütest, so wie ich das Recht habe, jene Sportarten auszuüben, die mir gefallen.

Bei den Menschenrechten ist es nicht anders: Das Recht auf Freizügigkeit bedeutet nämlich nicht, dass du mir eine Reise nach XY finanzieren musst, sondern lediglich, dass du mich nicht daran hindern darfst - eben weil es mein Recht ist.

Mo., 20.05.2024 - 18:51 Permalink
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Herta Abram Sa., 18.05.2024 - 23:45

D N . In unserer immer bunter werdenden Gesellschaft kann die Sexualerziehung und Aufklärung (z. B.in den Schulen) einen Beitrag zu Demokratiestärkung und Emanzipation leisten.
Ich will nicht sagen, dass es ein Migrationsproblem ist, -weil es dies auch unabhängig von Migration geben kann - , aber es ist ein Fakt, dass machistisch-patriarchale Überzeugungen in manchen Kulturen besonders vehement verteidigt werden. Junge Männer aus diesen Kulturen wachsen in besonders grossen Spannungsfeldern auf....
- auch religiöser Fundamentalismus, ob Katholische Kirche, Islam, usw. darf nicht länger
Einfluss auf Bildung und Politik haben, bzw. müssen wir uns gegen Menschenrechtsverletzende politische ideologische Indoktrination wehren.

Sa., 18.05.2024 - 23:45 Permalink
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Profil für Benutzer Martin Daniel
Martin Daniel So., 19.05.2024 - 10:42

Die Auflistung bestätigt indirekt, dass es kein generelles (Menschen- oder Grund-)Recht auf Fortpflanzung gibt. Menschen ohne gleichgesinnten andersgeschlechtlichen Partner mögen zwar ihr "Recht auf die Entscheidung, Kinder zu haben" theoretisch ausüben können, in Ermangelung der Einwilligung oder einer zentralen Fortflanzungspartnerzuteilungsstelle dieses jedoch nicht zwingend umsetzen zu können. Selbiges gilt für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch.
Aus Art. 8 kann nämlich kein Recht auf Elternschaft mittels künstlicher Befruchtung, Leihmutterschaft oder Adoption abgeleitet werden. Ein solches muss somit in jedem Land politisch verhandelt und mit einer parlamentarischen Mehrheit gesetzlich eingeführt werden, deren Zustandekommen von Traditionsverbundenheit und Fortschrittsgrad einer Gesellschaft, von Sitten und Kultur des jeweiligen Landes abhängt.
Kraft der Universalität der Rechtsnormen können sich vor einer solchen politischen Mehrheitsentscheidung sexuelle Minderheiten nicht auf ein Recht auf Familiengründung berufen, das auch sonst niemandem (bspw. auch nicht heterosexuellen Cis-Paaren) zusteht. Im Gegenteil könnte eine Einforderung von Elternschaftsrechten für die eigene Identitätsgruppe, die über jene für die Gesamtvölkerung ausverhandelten Rechte hinausgehen, die gesellschaftliche Akzeptanz für manche der angeführten sexuellen Menschenrechte beeinträchtigen. Selbstverständlich sind sie legitimiert zu versuchen, die eigene staatliche Gesetzgebung in ihrem Sinne zu verändern und die politische Debatte immer wieder neu zu beleben. Die Umgehung der staatlichen Gesetze in Ermangelung eines überstaatlichen Grundrechtes zur Elternschaft könnte jedoch als egoistische Erschleichung von Privilegien unter dem Deckmantel der Wahrung der Kinderrechte verstanden werden und einen generellen kulturellen Backlash verursachen.

So., 19.05.2024 - 10:42 Permalink
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Salto User
nobody Mo., 20.05.2024 - 22:06

Klingt alles schön und gut, nützt den Afghaninnen und Iranerinnen ziemlich wenig. Die würden wohl gerne bei uns vor der Türe kehren.

Mo., 20.05.2024 - 22:06 Permalink
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Salto User
wartl Mi., 29.05.2024 - 19:01

Antwort auf von nobody

Es nützt ihnen derzeit wenig, da einflussreiche Gruppierungen Geschäfte mit deren Regierungen machen. Über Tarnfirmen in Drittstaaten werden Geschäfte gemacht (wie auch US- Firmen trotz Embargo elektronische Bauteile via Türkei nach Russland im Millionenwert verscherbeln).

Mi., 29.05.2024 - 19:01 Permalink
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Martin Tarshito Di., 21.05.2024 - 09:54

Es bleibt die berechtigte Frage bestehen, wie weit das Thema nun wirklich Teil der "Öffentlichen Sache" (Res Publica) sei oder sich dieser entzieht (privare), also Privatsache sei.

Diesbezüglich sehe ich große Widersprüche zwischen den einzelnen hier geforderten Punkte: wie weit geht die "Freiheit" in Bezug auf die Öffentlichkeit? Wie weit soll die "Autonomie" gehen, wenn es um den "Ausdruck sexueller Empfindungen" geht. Haben Erziehungspersonen das Recht, diese "Freiheit" ("sexuelle Möglichkeiten zum Ausdruck zu bringen") und "Autonomie" gegenüber den Schutzbefohlenen auszuüben? Oder gar die "Freiheit/Autonomie", ihr Recht auf "sexuelle Partnerwahl" gegenüber Minderjährigen auszuüben wie es in freiheitlichen und autonomen Kreisen der 1970er ausgeübt worden war und von Grünen wie Jürgen Trettin politisch legitimiert werden wollte?

Wenn sexuelle Rechte zu sehr zur "öffentlichen Sache" gemacht werden, wird der Manipulation bzw. dem Missbrauch gegenüber unmündigen, minderjährigen und schutzbefohlenen Menschen Tür und Tor geöffnet.

Im übrigen bin ich auch der Meinung, dass die Entscheidung, Sex zu haben ohne das Risiko der Schwangerschaft oder ungewollten Mutterschaft einzugehen, eine freie, autonome und damit selbstverantwortliche Entscheidungsfindung sein sollte, für die es kein Steuergeld seitens der Öffentlichkeit braucht.

Di., 21.05.2024 - 09:54 Permalink